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Forty Shades of Blue

| Günter Pscheider |

Ein alternder, legendärer Musikproduzent, eine russische Ehetrophäe, ein aufbegehrender Sohn: Das Setting schreit Melodrama, Ira Sachs umschifft mit seiner stimmigen Geschichte über Entfremdung jedoch alle Genreklischees gekonnt.

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Wie ein guter Bluessong verführt Forty Shades of Bue, der Gewinner des diesjährigen Hauptpreises beim Sundance Festival, dich langsam: Der Film lässt sich viel Zeit, seine komplexen Charaktere einzuführen. Alan ist eine lebende Legende als Produzent des schwarzen Groove in der Blütezeit von Memphis. Rip Torn in seiner ersten Hauptrolle seit Dekaden spielt ihn wie Marlon Brando in Der Pate als mächtigen Flüsterer, dessen Wutausbrüche selten, dafür umso Furcht einflößender sind. Seine junge russische Ehefrau Laura (die brillante Dina Korzun aus The Last Resort) ist vor allem mit ihrem gemeinsamen dreijährigen Sohn und der aufwändigen Erhaltung ihrer Schönheit beschäftigt. Wie ein verlorenes Kind streift sie in einer langen Einstellung durch die Wunderwelt der Parfümabteilung eines Großkaufhauses. Diese Mischung aus Langeweile und Angst, ihren Status wieder zu verlieren, macht ihr aufkeimendes sexuelles Interesse für Alans widerspenstigen Sohn Michael (Darren Burrows, der schwächste Teil des darstellerischen Dreiecks) gefährlich.

Eine konventionelle Dramaturgie interessiert Regisseur Ira Sachs (The Delta) nicht besonders. Minutenlang passiert wenig bis gar nichts, auch der Sex ist beiläufig inszeniert. Die Schauspieler wirken oft wie durch eine Überwachungskamera aufgenommen, Details sind wichtiger als Action. Doch gerade mit diesem langsamen Rhythmus ermöglicht er es, sich auf die Widersprüchlichkeit der Figuren einzulassen. Vor allem anhand der Entwicklung Lauras, die emotional im Zentrum des Films steht, wird die Mischung aus Oberflächlichkeit, Intelligenz und Sehnsucht greifbar, die zum Ausbruchsversuch führt. Der Entfremdung einer Außenseiterin am Rande des brüchig gewordenen amerikanischen Traums kann sie aber wie auch die restlichen Charaktere nicht entkommen.

Den Realismus und die Authentizität eines frühen Ken Loach wollte Sachs erreichen, auch der französische Einfluss eines Jacques Doillon ist stilistisch offensichtlich. Der ausgezeichnete Soundtrack (Memphis Soul und die Tindersticks) treibt den Film voran. Der Regisseur kennt Milieu und Szene nur zu gut, schließlich war sein eigener Vater das Vorbild für die mächtige Figur des Alan.