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Community TV – Fernsehen zum Selbermachen

Fernsehen zum Selbermachen

| Thomas Taborsky |

Neue Möglichkeiten, audiovisuelle Kommunikationsmittel selbst kreativ zu nutzen, eröffnen sich derzeit regelmäßig. Der Zugang zu Produktionsmitteln, zu Verbreitungsplattformen und zu Medienkompetenz wird dadurch allerdings nicht immer einfacher.

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Anschauungsunterricht im Mittagsfernsehen zur Call-In-Zeit: Am Bildschirm eine dampfplaudernde Person, neben ihr ein auf den ersten Blick lösbares Rätsel. Die Leitungen sind offen, doch eine Stunde lang wird niemand durchgestellt – was Interaktivität ist, und was im Unterhaltungsfernsehen darunter verstanden wird, bleibt weiterhin rätselhaft.

Die Personal TV Station, die Möglichkeit, aktiv audiovisuell an der Mediengesellschaft zu partizipieren – sie ist inzwischen in greifbare Nähe gerückt. Ständig wird die Zugänglichkeit erleichtert. Aktuelles Beispiel ist SwitchX, ein Projekt, das im Rahmen des Programms von Alpha Österreich, der ORF-produzierten Schiene auf BR alpha, erprobt wird. Via Breitband-Internet können dabei Videostreams übertragen und zentral gesteuert werden. In der ersten Sendung, die dieser Tage ausgestrahlt wurde, beteiligten sich zwölf internationale Außenstellen an einer Konferenzschaltung über Mozart. „Die Clients, die Teilnehmer“, erklärt Julius Kratky, zuständiger Redaktionsleiter und einer der Schöpfer von SwitchX, „steuern sich dabei selbst. Also muss es einfach laufen wie ein VW Käfer: Wer sprechen will, klickt auf den Button und reiht sich in die Diskussionsreihenfolge ein.“ Als Anwendungsmöglichkeiten angedacht sind laut Kratky bereits Kooperationen im akademischen Bereich, wobei auch interaktive Trainingsseminare geplant werden. Nach Expertendiskussionen,zum Beispiel über  medizinische Themen, ließen sich ebenso Rechts- oder Vermögensberatungssendungen realisieren, aber auch Gesprächsrunden, in denen Zuschauer miteinander diskutieren.

Eigenproduktion

Sobald Vermarktungsreife erreicht ist, wird SwitchX besonders die Offenen Kanäle und Community-Sender interessieren, die damit kostengünstig vernetzt produzieren könnten. Wer sich selbst heute am Gemeinderundfunk beteiligen will, sieht rasch, dass viel von der dafür nötigen Medienkompetenz erst erlernt werden muss. Praktisch alle Freien Sender verstehen sich daher als Vermittlungsstelle dieser Kenntnisse, von der Kameraführung über Tonaufnahme bis zur Sprechtechnik. Auch der Wiener Kanal Okto bietet solche Workshops an.
Einige davon, wie die Medienrechtseinschulung, müssen zwingend absolviert werden, um überhaupt auf Sendung
gehen zu dürfen. Das Material für den Beitrag lässt dabei sich auf zwei Arten sammeln: mit Gerätschaft, die vom Sender verliehen wird, oder mit der eigenen. Günstige Kombinationen von Heim-PC mit DVD-Brenner, schneller Festplatte und Firewire-Schnittstelle, einer Mini-DV-Videokamera, die über diesen Anschluss verbunden werden kann und einer Schnittsoftware lassen sich ab 1.000 Euro erwerben. Wer mehr investieren will, dem sind kaum Grenzen gesetzt: Das Profi-Schnittprogramm AVIDetwa kostet im Komplettpaket 6.900 Euro.

Die Beschleunigung von Netzwerken und Internet sorgt wiederum dafür, dass der lokale Freie Sender heute nicht mehr die einzige Anlaufstelle für fertige Videos ist. Neue virtuelle Gemeinden formieren sich, deren Broadcasting-Konzepte dabei mehr oder weniger nahe am Fernsehen sind: current.tv, der vom ehemaligen US-Vizepräsident Al Gore gegründete Kabelkanal, lässt etwa seine User abstimmen, ob eingeschickte Beiträge gespielt werden. Seher-produzierte Inhalte nehmen derzeit ungefähr ein Drittel der Sendezeit ein, Tendenz steigend. Gänzlich web-basiert ist wiederum Popcast, eine Seite, auf der jeder Interessierte seinen eigenen Internet-TV-Kanal anlegen kann. Grundlage von Popcast ist das File-sharing-Programm Bittorrent, das den Datentransfer umso schneller gestaltet, je mehr Seher ein Kanal hat. Im Kommen sind auch Mesh Networks, drahtlose Kommunalnetzwerke, die als Alternative zu kommerziellen Anschlüssen oder als Internetzugang für entlegene Regionen, die von keinem Anbieter versorgt werden, dienen.  Die reale Community kann hier im Web per Video näher zusammen rücken.

Absatz kontra Mediendemokratisierung

Während viele Hürden auf dem Weg zur Personal TV Station im Abbau begriffen sind, werden jedoch auch neue in den Weg gestellt. Erst Anfang 2005 führte Chiphersteller Intel auf der CES Las Vegas, der größten Verbraucherelektronikmesse der Welt, seinen Standard Viiv vor. Das neue Konzept soll den PC noch mehr ins Wohnzimmer rücken und verspricht erweiterte Angebote für die Konsumenten, im gleichen Atemzug jedoch auch lückenlosen Urheberrechtsschutz für die Unterhaltungsindustrie – eine Kampfansage an den Creative-Commons-Gedanken und Open Source, beides wichtige Ideen der Medien-demokratisierung. Wellen werden Gegenmaßnahmen wie diese wohl keine großen schlagen; dazu ist der Anteil der Bevölkerung, der Fernsehen als interaktives Kommunikationsmittel nutzen will, noch zu klein. Das meint auch SwitchX-Macher Kratky: „Wir leben in einer Sauger-Gesellschaft. Interaktivität wird leider noch länger eine Special-Interest-Geschichte sein, die sich auf Kultur- und Bildungskanälen abspielt.“

magazine.orf.at/alpha

www.current.tv

www.popcast.com

creativecommons.org

de.wikipedia.org/wiki/Wireless_mesh_network