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Terrence Malick – Things to Look Into

Terrence Malick – Things to Look Into

Things to Look Into

| Adrian Martin |

Über das Fließen des Wassers, den Flug des Vogels und den Zauberstab in der Hand: Anmerkungen zum filmischen Universum des Terrence Malick.

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Wenn er einen Film dreht, spricht Terrence Malick mit seinen Mitarbeitern in poetischen Metaphern. Zu Martin Sheen in Badlands (1973) sagte er: „Stell dir die Waffe in deiner Hand als Zauberstab vor.” Dem Team der Postproduktion bei The Thin Red Line (1998) empfahl er: „Stellt euch ein Dahintreiben im Wasser vor, der Film soll denselben Fluss haben.” Und zu Joerg Widmer, seinem Steadicam-Kameramann bei The New World, meinte er: „Halte die Kamera so, als ob du auf dem Flügel eines Vogels mitfliegen würdest.” Sind das Anweisungen, die man seinen Schauspielern und Technikern gibt? Malick spricht mit ihnen nicht über die gewohnten, konventionellen Dinge, wie die innere Psychologie und emotionale Verfassung der Charaktere, die Themen und Absichten der Geschichte. Er spricht nicht einmal über die Komposition der Einstellungen oder die Schnittanleitungen, die er vorgesehen hat. Stattdessen ist er vielmehr daran interessiert, einen Zustand, eine Stimmung, ein Gefühl einzufangen, das einem bestimmten physischen Bild entspricht: der Zauberstab in der Hand, das fließende Wasser, der Flügel des Vogels.

Alle diese Bilder sind solche der Bewegung, Transformation, Flüchtigkeit. Bilder des Übergangs. Der Zauberstab verändert die Form der Dinge, das Wasser ist kein beständiger Körper, der Vogel verharrt nur für einen Moment ruhig. Ein Hauch von Stan Brakhage (selbst ein leidenschaftlicher Bewunderer Malicks) wird bei dieser poetischen Absicht spürbar: der Wunsch, die Dinge der Welt (Menschen, Tiere, Flora und Fauna) zu filmen, „bevor sie ihre Namen erlangen”, bevor sie sich zu festen, sicheren Formen, Objekten, Identitäten verbinden. Tatsächlich drehte Brakhage einen Film mit dem Titel The Animals of Eden and After. Kann es einen besseren Titel für das Kino von Terrence Malick geben, mit seinem obsessiven, zentralen Mythos eines Garten Eden vor und nach dem Sündenfall?

Chaos

Vor und nach, ja … aber während? Es fällt schwer, den entscheidenden, dramatischen Moment in Malicks Filmen zu finden, in dem die Dinge passieren. Warum genau scheitert die Beziehung von Bill (Richard Gere) und Abby (Brooke Adam) in Days of Heaven (1978)? Wann genau beginnt Holly (Sissy Spacek) in Badlands zu vermuten, dass Kit (Sheen) verrückt ist? Wann findet in The Thin Red Line die innere Wandlung statt, die den Soldaten Welsh (Sean Penn), einen harten Zyniker, in Tränen ausbrechen lässt? Malick mag es, die „Mitte” jeder Geschichte, jeder Action, jeder geistigen Verfassung oder jeder Stimmung auszulassen. Seine eigene Karriere ist geprägt von 20 Jahren „unsichtbarer“ Arbeit zwischen 1978 und 1998, ist ein Rätsel ohne konventioneller „mittlerer Periode“, wie wir bei Malern zu sagen pflegen. Nick Nolte umkreiste dieses Rätsel treffend, als er feststellte, dass Malick wie kein anderer amerikanischer Filmemacher vor allem eines hat: Zeit.

Die Zeit, die sich Malick nimmt und die Zeit, die er darstellt, die er auf der Leinwand aushöhlt und ausdehnt, gibt uns ein Gefühl von Ausweitung, ein episches ebenso wie lyrisches Gefühl. Aber was genau wird ausgeweitet? Nie jener Moment, in dem tatsächlich etwas passiert, vielmehr das Davor und Danach … Hier findet er eine andere künstlerische Vaterfigur in Jean-Luc Godard (was nicht verwundert, wenn man entdeckt, wieviel von Pierrot le Fou sich in Badlands finden lässt): in Le Mépris (1963) können wir nie genau den Moment erhaschen, in dem eine Frau aufhört, ihren Ehemann zu lieben, und Éloge de l´amour (2001) zeigt rückwärts erzählt das Davor und Danach eines Selbstmordes. Der Philosoph Giorgio Agamben hat dies treffend beschrieben: Menschen sind immer in einem Gefühlschaos gefangen, so als lebten sie nur vor oder nach einem Festakt, nie aber tatsächlich währenddessen. Leben bedeutet, ständig jenem Moment hinterherzuhinken, in dem alles (d.h. Gefühl, Wahrnehmung, Aktion, das Selbst, das Andere und die Umgebung) zusammenfallen sollten. „Im Jetzt zu leben”, sein „Schicksal zu erfüllen”: typisch amerikanische
(Irr-)Glauben, aber eben nicht jene Art der Americana, die Malick vor Augen hat.

Entfremdung

Moment, Ereignis, Schicksal, Bestimmung – das amerikanische Kino, von Gilles Deleuze als „action-image” bezeichnet, ist von solchen Dingen besessen. In Tony Scotts Domino (2005) – um ein rein zufälliges Beispiel zu nennen – ist jeder Konflikt verlangsamt, vorweggenommen, aus jedem erdenklichen Winkel bespielt, wenn die Off-Stimme der Heldin uns zum fünfzigsten Mal ihren Namen, ihr Ziel, ihr Spiel nennt. In diesen Momenten wird die Heldin sie selbst, und ihr Leben ein Theater, das sie kontrolliert. Auch Holly verwendet in Badlands die typisch amerikanischen Allgemeinplätze vom „unausweichlichen Schicksal”. „Ich ahnte nicht, dass in den Gassen und Hinterhöfen dieser ruhigen Stadt etwas begann, das in den Badlands von Montana enden würde.” Aber ihre Erzählung ist gezwungen, unzuverlässig, voll gestopft mit Wunsch-Projektionen und massenmedialen Klischees. Das „Drama” ihrer gemeinsamen Zeit mit Kit erscheint wie ein Märchen, das sie nicht richtig berührt, demgegenüber sie zwar physisch präsent aber auf gewisse Weise völlig fremd ist. Dennoch ist Holly für Malick nicht dumm oder distanziert. Seine Filme sprechen von Entfremdung, sind jedoch weder ironisch noch überheblich. Diese Entfremdung ähnelt jener des Buddhismus, eine der vielen Religionen, mit denen Malick sich in seinem Leben beschäftigte.

Sphären

„Wie auf dem Flügel eines Vogels, bevor er los fliegt” – Erfahrung ist etwas Zitterndes und Flüchtiges in Malicks Kino: der Vogel ist entflogen, bevor wir ihn kennen. Es beeindruckt festzustellen, dass alle fiktionalen Charaktere, auf die man trifft, in gewisser Weise „Berühmtheiten” sind, Menschen, die etwas erleben, das später erneut aufgenommen, unendlich wiederholt und neu präsentiert wird, Augenblicke im Fluss der Zeit: der „Pionierakt” der jugendlichen Killer Starweather und Fugate (die Vorlagen für Kit und Holly in Badlands), der Soldat in der entscheidenden Guadal-Kanal-Schlacht, Pocahontas und John Smith als Gründer der amerikanischen Nation. Sogar die scheinbar anonymen Figuren von Days of Heaven leben unwissentlich eine große Erzählung, hier etwa eine biblische, das Buch Ruth. Doch Malicks Charaktere sind nie ganz dort, in ihrer Geschichte, in ihrem Schicksal: Geistern gleich treiben sie dahin, formlos, geschmeidig, Subjekte lebhafter Veränderung von Gefühlen oder Haltungen, nicht stabiler, beständiger als ein Windhauch oder Strom.

Darum sind wir in Malicks Kino vom Rauschen und Murmeln der Welt gefangen: der Wind im langen Gras, der gleitende Wechsel des Lichts, Wellen von Geräuschen auf dieser Welt. Der Mensch existiert im selben Kontinuum wie all das Natürliche. Doch Malicks Sicht des Menschen-in-der-Natur ist keineswegs eine rückständige oder fromme bzw. frömmlerische. Michel Chion beschreibt in seinem Buch zu The Thin Red Line (BFI, 2004) das Essenzielle des Kinos von Malick in seiner alles durchdringenden Parataxe, in einem System von Nebenordnungen: alles existiert nebeneinander, bleibt jedoch getrennt, vermischt sich nicht. Daher auch Malicks Vorliebe für den Horizont. Der Horizont, der nichts Reales oder Solides, Materielles ist, nicht einmal ein „schmaler Grat”, teilt die Welt in nicht miteinander kommunizierende Flächen: in die des Landes oder Meeres und die des Himmels. Jean Douchet stellt dieses System in Badlands fest: die Handlung mit ihren kleinen, ungeformten Charakteren, schwebt ständig zwischen einer kosmischen und einer weltlichen Sphäre, nie kommt es zu einem Zusammentreffen der beiden, nie verbinden sich Ursache und Wirkung.

Stille

Hier findet sich ein ursprünglicher Zusammenhang von Malicks philosophischem Hintergrund bei Heidegger, Wittgenstein, Kant – den Malicks ehemaliger Lehrer Stanley Cavell in Pursuit Happiness als „ständige Erfahrung und Interpretation einer Bedrohung durch den Skeptizismus, die Möglichkeit dass die Welt nicht ist, wie wir sie sehen, dass sie nicht menschlich erfahrbar und mitteilbar ist” beschreibt – und der mitleidslosen Sicht der französischen Philosophin und Katholikin Simone Weil. Für sie gilt dasselbe wie für den Soldaten in The Thin Red Line: „Das Leiden scheint Gott in seiner Abwesenheit zu zeigen, abwesender als ein Verstorbener sein kann, abwesender als Licht in der Dunkelheit einer Zelle. Entsetzen ergreift die ganze Seele. In dieser Abwesenheit gibt es nichts, was man lieben kann.” (aus dem Essay The Love of God and Affliction). Das menschliche Leben auf Erden ist für Weil eine „Maschine”, ein brutales Aufeinanderfolgen entmenschlichender Ereignisse. Diese weltliche Sphäre der Leidens-Maschinerie macht nur in seiner unüberbrückbaren Distanz zu Gott und der geistlich-kosmischen Sphäre Sinn, die Leere einer göttlichen Stille füllt die Unergründlichkeit dieses Abgrundes. Alle Filme Malicks bewegen sich entlang dieser Distanz und Stille.

Emmanuel Lubezki, Kameramann von The New World, berichtet von den dogmatischen „Grundregeln”, die Malick (ursprünglich für das wieder aufgegebene Che Guevara-Projekt und später für dieses) aufstellte: „Natürliches Licht, keine Kräne, keine große Ausrüstung. Handkamera.” Dies ist das Außergewöhnliche an jedem Malick-Film: nur wenige Filmemacher haben so viele ihrer Geschichten im Freien, an offen liegenden Orten, Ebenen, Feldern, Flüssen und Seen gedreht. Wir wissen von Malick, dass er sich selbst gerne im Freien aufhält, dass er etwa Vogelbeobachter ist – wie der von Sean Connery gespielte Held in Finding Forrester (2000), übrigens ein Film, den Gus Van Sant als heimlichen Tribut an Malick gedreht zu haben scheint.

Zuhause

In Badlands wird uns ein in Flammen aufgehendes Hauses in zwanzig Einstellungen gezeigt: da verbrennen ein kitschiges religiöses Bild, Truthahnfedern, ein Huhn, ein Tisch und Stühle, eine Uhr, ein Bett, ein Klavier und die dazugehörigen Notenblätter, eine Leiche. Wir sehen eine surreale Anhäufung von brennenden Objekten in wenig mehr als einer Minute des Films, begleitet von einem ernsten, schweren Choralstück aus der Musica Poetica von Carl Orff und Gunid Keetman, ursprünglich ein für Kinder komponiertes Musikstück.

Man könnte sagen, hier verlassen Kit und Holly ihr Zuhause, und damit die Unschuld ihrer Kindheit, oder extremer: Sie zerstören ihr Zuhause und die damit verbundenen Werte. Doch dafür müsste man annehmen, dass Kit und Holly ihre Geschichte tatsächlich „besitzen”, dass sie die bestimmenden Helden ihres Schicksals sind, dass sie „während des Festaktes” leben, gleich anarchischen Rebellen mit einer gerechten Mission, anstatt formlos und ewige Kinder zu sein. Aber solch eine Interpretation übersieht etwas Wesentliches am Kino Malicks: Denn für die Instabilität der Welt, die er von Film zu Film heraufbeschwört, ist die fadenscheinige Repräsentation eines „trauten Heimes“ und „Familienglücks“ – oder einfach des Gemäuers, das an einem festen Ort steht und relative Sicherheit bedeutet – fundamental. Stattdessen gibt es nur ein endloses, improvisiertes, bewegliches Zuhause: in Badlands das Auto oder die bloß vorübergehende Konstruktion in den Wäldern, Züge und die Scheunen in Days of Heaven, das Schiff und die Schützengräben in The Thin Red Line.

Selbst jene Charaktere, die ein solides Zuhause haben, scheinen kaum darin zu leben. Catos Heim in Badlands wird von Kit als bloßes Warenhaus für „junk“ bezeichnet, und das viktioranische Anwesen im selben Film gleicht mehr einem Museum denn einem Zuhause. Es sind Häuser ohne eine sie bewohnende Gemeinschaft, „Puppenhäuser”, wie jenes, das man in Badlands abbrennen sieht. Am bildhaftesten scheint das Anwesen des Farmers in Days of Heaven, das überhaupt kein eindeutiges Innen zu haben scheint: Wir sehen es ständig nur von außen, wenn durch dessen Türe und Tore Menschen hinein- und hinausströmen, während die zahlreichen großen Fenster in gleißendes Licht getaucht, eindringliche, neugierige Blicke anziehen. Der intimste, geheimste Ort jedes Hauses – das Schlafzimmer – ist stets ein stiller, herzloser und kalter, flüchtig erblickter Ort in Malicks Filmen.

Sich irgendwo niederzulassen ist für Malicks Figuren ein anhaltender Wunschtraum. Kit und Holly spielen in den Wäldern ein verheiratetes Paar, Bill verspricht Abby ständig, ihr unstetes, ärmliches Wanderleben hätte eines Tages ein Ende. Bell (Ben Chaplin) in The Thin Red Line kann an nichts Anderes denken, als dem Krieg zu entfliehen und zu Marty (Miranda Otto) heimzukehren. Jedermann ist oder wird bald entortet, findet sich von jenem „Zentrum“ entfernt wieder, in dem solch ein Sich-Niederlassen stattfinden könnte. Der Verlust dieses Zentrums ist es, der die Welt zu einem „fernen Planeten macht, zu dem ich nie mehr zurückkehren konnte.”

Erinnerungen

Die einzige Erfahrung des Sich-Niederlassens für die Charaktere ist eher die der vergänglichen Zeit denn die eines beständigen Ortes – eine Idylle, eine Rast oder eine Ebene zwischen all den Verwirrungen und Katastrophen (der Tod ist omnipräsent in Malicks Filmen). Dies sind die paradiesischen Tage: „Tage des Glücks”, die „wir nie mehr leben werden … für immer vergangen.” (Badlands); der Ruhm, der von Witt (Jim Caviezel) in The Thin Red Line wiederholt zu seinen Kindheitserinnerungen in Bezug gesetzt wird; oder die jungfräuliche Melanesische Insel, auf die er desertiert (dies evoziert eine tiefgehende Affinität zu den Filmen von Claire Denis, die Erinnerungen in Beau travail oder der Rückzug auf die Polynesische Insel in L’ Intrus). In seinem Essay Nature, Abstraction, Time, der wie eine prophetische Sicht auf Malicks Filme wirkt, schrieb der mexikanische Poet Octavio Paz:

Die Gegenwart ist das Chiffre der Welt, Chiffre des Seins. Es ist auch die Wunde, die Spur der zeitlichen Wunde, es ist der Augenblick. Augenblicke. Es ist der Sinn, der auf ein Objekt verweist, ein Objekt, das begehrt und nie richtig erreicht wird.

Kämpfe

Malicks Charaktere betreten eine Welt, die anders ist als das (ver)traute Heim. Es geht nicht um den Menschen im Kampf gegen die Natur, auch nicht um Natur im Kampf gegen sich selbst im Sinne von Lebewesen gegen andere Lebewesen, wie wir es bei Peckinpah oder Herzog sehen können. Paz weiters:

Licht ist beständig, immateriell, zentral. Gleichzeitig Feuer und Eis ist es Symbol sowohl für Objektivität als auch Ewigkeit. Es ist der Blick des Himmels selbst. Klar und ernst, zeichnet es Umrisse, begrenzt, teilt Raum in symmetrische Flächen. Es ist Gerechtigkeit, aber auch Idee, Archetypus in den wolkenlosen Himmel eingraviert. Licht: die Essenz, die Sphäre des Zeitlosen. Wasser ist diffus, ungreifbar, formlos. Es bringt Zeit und körperliche Liebe hervor. Es ist die Gezeiten selbst – Tod und Auferstehung – und das Tor zur elementaren Welt. Alles spiegelt sich im Wasser, alles gründet in ihm, alles wird in ihm wiedergeboren. Es ist Wechsel, Ebbe und Flut des Universums. Licht trennt, Wasser vereint. Das Paradies scheint von zwei sich bekriegenden Schwestern regiert zu werden.

In seiner tiefsten formalen, stilistischen und figuralen Ebene hört Malicks Kino nie auf, uns den Kampf zwischen Licht und Wasser zu zeigen. Badlands erinnert (wie Manny Farber feststellte) an die schwere, geometrische, konzeptuelle „Photo-Kunst” der Mittsiebziger: Häuser, Buden, Schuppen, Reklametafeln wirken hier dem klaren, brennenden Licht des Himmels gegenüber wie Ausschnitte. (Félix Guattari erklärte: „Es gibt Farbelemente von Blau, die wirklich durch und durch quälend sind.”) Wir sind immer nahe an jener brüchigen Sphäre, die Deleuze „cliché-image” nannte.
Badlands ist der statischste und am stärksten komponierte von Malicks Filmen, und drückt alle Parataxen einer Welt aus, in der, wie Malick sagt, seine Charaktere „nur wissen, wie sie auf ihr Inneres reagieren sollen. Sie kommunizieren nicht mit der Außenwelt, verstehen nicht, was Andere fühlen.” Days of Heaven macht einen Quantensprung in die kosmologische Vision eines Murnau oder Mizuguchi: Plötzlich sind alle Formen und Materialien in ständiger Bewegung umeinander, einander ständig definierend, neu bestimmend, transformierend. Im Spätwerk (The Thin Red Line und The New World) betreten wir gänzlich Paz’ unversöhnlichen Kampf von Licht und Wasser: die sprachlosen, schmutzigen, stumpf-farbenen Gestalten der Militärs in ihren Uniformen, die sich durch Gras und Wasser bewegen, werden mit blendenden, klaren Erscheinungen von schrecklicher Schönheit oder heroischem Tod konfrontiert.

Wunder

Einer der Schlüssel zum Verständnis des Kinos von Terrence Malick ist das 1960 erschienene Buch von James Malvin Reinhard, Professor der Kriminologie, der Charles Starewather vor seiner Hinrichtung 80 Stunden lang interviewte. In The Murderous Trail of Charles Strakweather hören wir die Stimme eines psychotischen Mörders, der seltsamerweise über seine Liebe zur Natur und seine Sicht des Lebens spricht, die unheimliche Entsprechungen in Malicks Filmen von Badlands bis zu The New World finden. Man höre:

Sie sagen, es sei eine wundervolle Welt, in der wir leben, aber ich glaube, ich habe nie wirklich in dieser wundervollen Welt gelebt. Ich habe nie in teuren Restaurants gegessen, nie die New Yorker Yankees spielen gesehen, bin weder in Los Angeles oder New York City gewesen, noch an anderen Orten, über die in Büchern und Magazinen steht, es seien wundervolle Orte.

Die wundervolle Welt, die „Neue Welt” des Garten Eden, ist bereits in dem Moment, in dem sie imaginiert, erblickt, berührt wird, gleichzeitig eine verlorenen Welt. „Kindheit”, sagte Starweather, „ist eine süße Erinnerung, aber nicht real, weil un-wiederbringlich verloren.”