Die Fernsehserie „The West Wing“, das sympathische Gegenstück zur US-Realpolitik, soll demnächst nach der siebenten Staffel eingestellt werden. Zeit für den Rückblick auf eine erfolgreiche Amtszeit.
Stünde Josiah „Jed“ Bartlet bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen auf dem Stimmzettel, er würde wohl einen Erdrutschsieg erringen, und das wäre noch nicht einmal eine Überraschung. Schließlich ist Bartlet nicht nur wahnsinnig sympathisch, er ist witzig, schlagfertig, macht vor den Kameras einen prima Eindruck, ist also medial hervorragend verkaufbar. Er ist Mitglied der Demokraten, gehört dort aber eher dem konservativen Lager an. Innenpolitisch will er vor allem die Sozialstandards in den USA verbessern, also mehr Geld für die Krankenversicherungen und das allgemeine Schulsystem aufstellen. Außenpolitisch weiß Bartlet um die Rolle der USA als einzig verbliebene Supermacht, diese Stärke will er aber trotz 9/11 eher behutsam einsetzen, also immer nur im Auftrag der UNO und im Gleichschritt mit den europäischen NATO-Partnern. Für das liberale Amerika wäre Bartlet also der ideale Präsident, ein Mann mit Clintonschen Qualitäten, aber ohne dessen Affären, und als solcher wäre er auch für die Europäer eine Idealbesetzung.
Und doch wird er nie US-Präsident werden: Josiah Bartlet ist nämlich eine Kunstfigur, er ist der von Martin Sheen hervorragend gespielte fiktive Präsident der Vereinigten Staaten in der TV-Serie The West Wing. Seit 1999, oder ins Fernsehdeutsch übersetzt: Seit sieben Staffeln, präsidiert Sheen alias Bartlet bereits im Oval Office, er hat innen- wie außenpolitische Krisen überstanden und wurde in der vierten Staffel, also 2003, wieder gewählt. Sheens Amtszeit hat dem TV-Sender NBC Traumquoten beschert. The West Wing gilt als eines der erfolgreichsten US-Fernsehereignisse der vergangenen Jahre und wurde immer wieder mit dem begehrten Emmy-Award ausgezeichnet. Sechs Staffeln sind mittlerweile auf DVD erhältlich, die siebente gibt es auf Download-Plattformen im Internet.
Inside the Superpower
Zuletzt hat The West Wing in den USA zwar erheblich unter Quotenschwund gelitten, was zur Folge hat, dass die Serie nun im Mai eingestellt wird. Ihrer Qualität tut das aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Und gerade jetzt, in den letzten beiden Jahren der Bush-Administration, macht ein Rückblick auf die Bartlet-Jahre durchaus Sinn, weil es ein anderes Amerika zeigt, eines, das es vielleicht gegeben hätte, hätte Al Gore im Jahr 2000 in Florida ein paar hundert Stimmen mehr erreicht.
Als The West Wing im Jahr 1999 ins Programm genommen wurde, hat in Amerika wohl niemand gedacht, dass die damalige Lachnummer George W. Bush jemals US-Präsident werden könnte. Der Charakter von Bartlet war vielleicht auch deswegen als Mischung aus Clinton und Gore angelegt. Gerade in der ersten Season ist Sheen ein bisschen chaotisch unterwegs, das Weiße Haus und vor allem Bartlets Team schwimmen im Lauf der Ereignisse doch deutlich. Besonders die beiden Redenschreiber Toby Ziegler und Sam Seaborn (gespielt von Richard Schiff und Rob Lowe) und der stellvertretende Kabinettschef Josh Lyman (Bradley Whitford) haben erhebliche Anlaufschwierigkeiten. Die ersten beiden West-Wing-Staffeln sind demnach eher als Comedy zu verstehen, sie sind witzig und gewinnen ihren Reiz vor allem dadurch, dass man eine ungefähre Vorstellung bekommt, wie es im Inneren einer Supermacht aussehen könnte.
Mit Staffel 3, die gedreht wurde, als Bush bereits tatsächlich ins Oval Office eingezogen war, gewinnt The West Wing aber an politischer Schärfe. Sheen, auch privat ein prononcierter Bush-Kritiker, wird immer mehr zu einem echten Gegen-Präsidenten, die Probleme, die er zu bewältigen hat, rücken in den Mittelpunkt der Handlung. Bartlet wird zum Außenpolitiker, der sich mit Terrorismus, dem Nahen Osten und mit Problemen in Lateinamerika auseinander setzen muss. Und auch dabei handelt er immer so, wie es Clinton oder auch Gore getan hätten.
Mission accomplished
Dass Bartlet nun gegen Ende der Bush-Jahre in die Rente geschickt wird, ist durchaus passend. Seine Mission hat er wohl erfüllt, und in den aktuellen West-Wing-Folgen geht es bereits um das Nachfolge-Rennen. Hier matchen sich wie gewohnt ein Demokrat und ein Republikaner um die Präsidentschaft, und, Zufall oder nicht, der Demokrat, der von den Bartlet-Mitarbeitern unterstützt wird, ist der erheblich sympathischere Kandidat. Mit der aktuellen politischen Situation in den USA hat das aber nur mehr am Rande zu tun.
Die spiegelt sich eher in einer Konkurrenz-Serie wieder. Mit Anfang des Jahres nahm endlich auch NBC-Konkurrent ABC eine fiktive Präsidentschafts-Serie ins Programm. In Commander in Chief gibt Geena Davis die erste weibliche US-Präsidentin. Sie schlüpft im Prolog als Vizepräsidentin ins Oval Office, da der amtierende Präsident stirbt. Commander in Chief ist definitiv die aktuellere Serie, weil nach den nächsten Wahlen tatsächlich eine Frau als US-Präsidentin angelobt werden könnte – zur Zeit sieht es nach einem Match zwischen Condoleezza Rice und Hillary Clinton aus.
Zumindest in den ersten Folgen wirkt Commander in Chief aber eher wie ein matter Abklatsch von The West Wing. Einziges Asset der Serie ist eben die Präsidentin. In den USA kam das nicht so gut an: Commander in Chief wurde kürzlich nach nur fünf Folgen aus dem Programm gekippt. Umso gespannter warten die Zuschauer auf den 2. April, denn an diesem Tag kommt die 16. Folge der siebten Staffel von The West Wing (eine der letzten), die da heißt: Election Day. Die Ultrarechten, versteht sich, hatten wenig Freude mit der Serie: In diesen unfeinen Kreisen hieß und heißt sie einfach Left Wing.