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Walter Hill – „Filme für sich selbst machen“

„Filme für sich selbst machen“

| Jörg Schiffauer |

Anlässlich einer Schau seines Gesamtwerks weilte Walter Hill vergangenen November beim 23. Torino Film Festival. Ein Gespräch über alte Vorbilder und neue Zeiten im Kino.

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Sie stellen gerade unter dem Arbeitstitel  Daughters of Joy ein Western-Epos mit Robert Duvall fürs Fernsehen fertig. Sie kehren immer wieder zu diesem heute unpopulären Genre zurück.
Schon als Kind war das mein Lieblingsgenre, keine Ahnung, wie viele Western ich gesehen habe. Was mich reizte, waren weniger die Charaktere als die Themen und Strukturen, das Einfache, Elegante des Erzählens. Es klingt banal, aber nichts ist schwieriger, als einfach zu bleiben: Das habe ich in allen meinen Filmen versucht. Ein Western ist wie ein Problemfilm, eine Revision der Strukturen einer organisierten Gesellschaft: Die Hauptfiguren müssen moralische und soziale Probleme alleine lösen, ohne Hilfe von Regierung oder Institutionen. Darum wird das Genre auch so oft mit griechischen Tragödien verglichen. Es stimmt, dass weniger Leute für Western ins Kino gehen, aber ich glaube, dass es immer Platz fürs Erzählen einer guten Geschichte geben wird.

Daughters of Joy ist als Fernsehmehrteiler produziert, es wird vielleicht auch eine Kinoversion geben, davor hatten sie großen Erfolg mit dem Pilotfilm zur TV-Westernserie Deadwood. Hat dieser Formatwechsel mit Änderungen im Kinogeschehen zu tun?
Die Filmindustrie hat sich stark verändert: Als ich damals in den 70er Jahren in Hollywood anfing, war das System ziemlich veraltet und sehr rigide. Nur wenige hatten etwas zu sagen, an sie musste man sich wenden. Es war ein schlechtes System, aber man konnte trotzdem einen guten Film machen. Heute gehört alles großen Firmenkonglomeraten, die die Regeln der Geschäftswelt auf die Unterhaltungsindustrie anwenden. Vor einem Film gibt es Marktforschung, daraus werden ein paar Konzepte für ein bestimmtes Publikum entwickelt, und wenn es hinhaut, wird ein Drehbuch dran gepappt. Die Filme werden solange bearbeitet und geglättet, bis man ein homogenes Produkt erhält. Ich frage mich: Wo ist die Einzigartigkeit, die Idiosynkrasie, die Basis jeder Geschichte ist? Das ist der Tod des Kinos. Das System funktioniert nicht mehr, die nächste Änderung wird unvermeidlicherweise die letzten verbleibenden historischen Größen betreffen: die Kinos selbst.

Es ist klar, dass die großen Firmen das ganze System umstellen werden können, wenn es Ersparnisse, also Profit bedeutet, dass wir Filme nur noch daheim auf DVD und im Fernsehen sehen.

Howard Hawks und Sam Peckinpah haben Sie stark beeinflusst.
Ich arbeitete mit Peckinpah und bewunderte ihn sehr, auch wenn ich nie zu seiner Entourage gehörte. Er war ganz anders, als die Leute glauben: sehr lustig und sarkastisch. Ich verdanke ihm viel: Dank seines Erfolges mit The Getaway (1972) nach meinem Drehbuch durfte ich mit Hard Times (1975) zur Regie wechseln. Er hat mich  sehr ermutigt.

Hawks habe ich nie getroffen: Ich war am Set von Rio Lobo (1970) und wagte nicht, ihn anzusprechen. Doch ich habe mir seine Arbeitsweise angesehen: Er war sehr ruhig und achtete mehr aufs Equipment als auf die Darstellungen. Vorm Drehen sagte er immer „Camera!“ – wohl noch eine Gewohnheit aus der Stummfilmzeit. Ich kann nicht wirklich erklären, warum ich sein Kino so mag. Man sagt, meine Filme seien seinen ähnlich, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich denke, meine Filme handeln davon, wie Menschen einen Verhaltenskodex für ihr Leben entwickeln müssen.

Red River (1949) von Hawks sah ich mit zwölf Jahren, es ist noch immer der Western, auf den ich mich am öftesten beziehe. Für die meisten anderen Regisseure meiner Generation ist John Fords The Searchers (1956) der beste Western aller Zeiten, aber ich finde ihn verwirrt, darum ist er auch so populär. Es ist ein großer Film, aber keines von Fords Meisterwerken, My Darling Clementine (1946) ist mir lieber.

Sie sind immer dem Genrekino treu geblieben.
Meine Liebe zum klassischen Hollywoodkino ist die Basis für mein Interesse an Genres und ihren Kombinationen. Aber man kann nicht einfach hergehen und ein Remake machen, das Kino ist heute ganz anders: Die Schauspieler sprechen anders, die Produktions- und Distributionssysteme haben sich geändert. Es ist noch möglich, sich an dieses Kino anzuhängen, aber man muss ständig seinen Stil neu erfinden, etwa, indem man Genres kombiniert.

Einen Film kann man aus drei Gründen machen: fürs Publikum, für die Kritiker und für sich selbst. Regisseure, die fürs Publikum drehen, sind bewundernswert und sehr verständlich, aber mit einem guten Film hat man nicht immer Erfolg. Ich hatte glücklicherweise ein paar Erfolge, aber es wäre Energieverschwendung, nur fürs Publikum zu drehen. Die Lösung ist wohl, Filme für sich selbst zu machen.