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Bernhard Fleischmann – Pop Loops for Movies

Pop Loops for Movies

| Stephan Koroschetz |

Der umtriebige Wiener Elektronikmusiker Bernhard Fleischmann produziert seit einigen Jahren zusätzlich zu seinen Solowerken auch Musik für Filme. Neben diversen Arbeiten für den Dokumentarfilm hat sich die Kooperation mit dem Regisseur Jörg Kalt zu einer dauerhaften Arbeitsgemeinschaft entwickelt.

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Der musikalischen Laufbahn von B. Fleischmann haftet etwas Bilderbuchartiges an: Wie unzählige andere Musikbegeisterte versuchte sich der an Klavier und Schlagzeug Ausgebildete zuerst als Drummer in diversen Hardcorebands (Speed Is Essential, Sore!), um erst in den späten 90er Jahren sein Talent als Solo-Elektronikmusiker zu entdecken. Eher zufällig „stolperte“ er über die legendenumwobene Korg-Groovebox, mit der er bis vor kurzem als Instrumentarium sein Auslangen fand. Mittlerweile hat sich sein „Soundpark“ erweitert, etwa um den putzigen MicroKorg-Synthesizer und diverse Musikprogramme, die instrumentelle Basis seiner Arbeit bildet aber nach wie vor die seltsam altmodisch anmutende Groovebox.

„Entdeckt“ vom Wiener Musik-Faktotum Christof Kurzmann erschien Fleischmanns Solodebüt Pop Loops For Breakfest nach der Erstveröffentlichung auf Kurzmanns Label Charizma als Katalognummer 001 beim Berliner Label Morr Music als
Vinyl Release und fungierte als Katalysator für eine erkleckliche Anzahl an ähnlich gelagerten Veröffentlichungen auf diesem Label für tendenziell harmoniesüchtige Knusperelektronik. Mittlerweile tourt der Soundtüftler emsig als Solo-Act oder als Teil diverser Bandgefüge international und produziert mit stoischer Gelassenheit ein Solowerk nach dem anderen. Außerdem entstehen bereits seit 1999 mehrere avantgardistische Videos mit dem Schriftsteller und Multimediakünstler Paul Divjak.

Richtung Zukunft durch die Soundspur

Mit ähnlich spielerischer Leichtigkeit gestalten sich seit 2001 auch Fleischmanns Kontakte zu Filmproduzenten bzw. Regisseuren. Die ersten Bearbeitungen von Stücken für einen Spielfilm produziert Fleischmann für Jörg Kalts Richtung Zukunft durch die Nacht, einen surrealen, einstündigen Film ohne festgelegten Ort- und Zeitrahmen, der insbesondere durch die im zweiten Teil der Story rückwärts ablaufenden Handlungsstränge und Gespräche (!) zu überraschen wusste. Fleischmanns Soundbeiträge graben sich dabei zwischen bekannten Popsongs nur kurz – mal dezenter, dann wieder schriller – in die Gehörgänge der Kinobesucher. Anerkennung erfährt dieser originelle Wurf im Sonderpreis der Jury beim Max Ophüls Preis 2002. Zu einer Fortsetzung der fruchtbaren Kooperation kommt es bei Kalts etwas leichter verdaulichem Crash Test Dummies, ein, so Jörg Kalt, „Sozialdrama im weitesten Sinn“, das zugleich auch „komödiantisch angelegt“ ist.

Daneben arbeitet Fleischmann noch am Soundgerüst für diverse Dokumentar- und Kurzfilme, etwa für Bady Mincks Im Anfang war der Blick (Musik: Fleischmann, Dr. Nachtstrom, Sainkho Namtchylak), der 2003 in Cannes uraufgeführt wird. „Im Anfang war der Blick ist ein avantgardistisches Massakerspiel, das mithilfe einer Lawine an Ansichtskarten tief in Österreichs Klischeewelten eindringt – so tief, dass der Blick frei wird auf die dahinter verborgenen Schrecken“, befinden die renommierten Pariser Cahiers du Cinéma über Mincks 45-minütige filmische Forschungsarbeit. Erst vor zwei Monaten bei der Berlinale zur Uraufführung kommt die jüngste Filmmusikarbeit Fleischmanns: Jeder schweigt von etwas Anderem, ein Dokumentarfilm von Marc Bauder und Dörte Franke, der die Problematik inhaftierter und später „freigekaufter“ Staatsfeinde der DDR anhand des Beispiels dreier deutscher Familiengeschichten seziert.

Wenn man sich auf deiner Website deine Discografie und deine laufenden Projekte ansieht, gewinnt man den Eindruck, dass du sehr aktiv bist. Da ist einerseits das neue Projekt Your Gorgeous Self, das B. Fleischmann-Quintett, das Duo 505 mit Herbert Weichselbaum, gelegentliche Zusammenarbeit mit dem Duo Villalog, und natürlich B. Fleischmann solo. Bist du ein manischer Arbeiter?
Das scheint vielleicht so, es gibt immer sehr intensive Monate, und dann gibt’s meistens dazwischen so ein, zwei Monate wo es ruhiger ist – obwohl, die waren jetzt länger nicht da. Ich glaube, ich mache schon sehr viel, aber es belastet mich nicht, weil das alles Dinge sind, die ich gern tue, weil es unterschiedliche und immer neue Dinge sind, also nicht eine Sache, die  dann beginnt, einem auf die Nerven zu gehen. Ein manischer Arbeiter bin ich aber sicher nicht.

Wie verlief deine musikalische Entwicklung? Anfangs warst du ja Schlagzeuger in Hardcorebands mit Hang zur Melodie, dann kam der radikale Schwenk zur Elektronik. Und plötzlich machst du dann auch Musik für Filmprojekte. Wie hat sich das ergeben?
Das hat sich automatisch so ergeben, ich hab durch Zufall diese Groovebox bei einer befreundeten Band im Proberaum entdeckt – damals hab ich noch bei Speed Is Essential gespielt – da hab ich mir gedacht, es wäre schön, mit so einem Instrument auch einmal was auszuprobieren. Ich hab dann damals einfach angefangen, und dann ist das alles plötzlich ziemlich losgegangen. Die ersten Kontakte zum Film sind dann über die Platte Pop Loops for Breakfest entstanden. Da haben mich einige Leute einfach angeschrieben oder haben angerufen und gefragt, ob sie bestehende Songs von mir für ihre Filmprojekte verwenden dürfen.

Da gibt es ja diese Geschichte, dass du dem Christof Kurzmann deine CD in die Hand gedrückt hast, sie ihm gut gefallen haben soll, und dann kam einfach eins zum anderen …
Ich weiß nicht, warum ich so ein Glück gehabt habe, aber es war wirklich so. Da ist es plötzlich dann dahingeflutscht.

Kommen wir wieder zurück zu deinen Filmmusikproduktionen. Wie unterscheidet sich der Produktionsprozess von Filmmusik vom Komponieren deiner „normalen“ Stücke? Wie gehst du das an?
Bei der Produktion von Songs für ein Album setzte ich mich einfach hin und probiere Sachen aus, ohne an etwas zu denken. Die Stücke kommen dann meistens an einen gewissen Punkt, an dem man sich wohl fühlt mit ihnen, und dann gehen sie so ihren eigenen Weg. Es gibt ein Gründgerüst, und dann fängt man an rundherum irgendwie aufzubauen. Ich denke da auch überhaupt nicht an die Rezeption. Die Songs bekommen dann im besten Fall ein Eigenleben. Ich bin zum Glück jemand, der wahrscheinlich schneller als viele andere sagt: „Okay, für mich ist das Stück jetzt in diesem Stadium fertig und kann so auf die CD.“ Ich kenne viele Freunde, die dann ewig an ihren Stücken weiterbasteln und immer sagen, nein, das ist noch nicht fertig.

Wie läuft bei den Produktionen für den Film die Zusammenarbeit ab?
Bei Richtung Zukunft durch die Nacht war es so, dass Jörg Kalt mich angerufen und gemeint hat, der Film sei eigentlich fertig, für ein paar Szenen fehle ihm aber noch die Musik, und er hätte gern, dass Musik von mir dazu verwendet wird. Damals war nur noch einen Monat Zeit. Er kam dann mit konkreten Stückvorschlägen für bestimmte Szenen, bei denen ich die Stücke aber noch speziell für diese bearbeiten sollte. Dann haben wir uns einfach noch ein paar Mal zusammengesetzt und geschaut, wie das in Kombination mit den Bildern funk–tioniert. Der Film war in diesem Stadium also schon sehr weit. Bei Bady Minck war es sehr ähnlich. Sie hat auch schon vier Jahre lang an dem Film gearbeitet, viele andere Leute hatten schon Musik dafür gemacht.

Bei Crash Test Dummies war es das erste Mal so, dass ich schon lange vorm Drehen das Drehbuch in der Hand gehabt habe, wir schon lange vorher über den Film gesprochen und Ideen ausgetauscht haben. Das ist dann natürlich ganz etwas anderes, als wenn man erst in einem späteren Stadium dazu stößt. Es ist auch das angenehmere Arbeiten, wenn man von Anfang an dabei ist und gewisse Entwicklungsstadien des Films miterleben kann. Dann reagiert man natürlich mit der Musik drauf.

Wenn der Film schon vorher fertig ist, schaust du dir ihn dann ohne Musik an und versuchst adäquate Sounds zu finden?
Bei den ersten Filmen hab ich tatsächlich live dazu gespielt weil mein Computer damals noch zu langsam war, um die Musik unter dem Film ablaufen zu lassen. Das sind einfach technische Gegebenheiten, die mich da eingeschränkt haben. Bei den späteren Sachen hab ich dann schon die einzelnen Passagen importiert und ziemlich genau die einzelnen Spuren dazu angelegt. Bei Jeder schweigt von etwas Anderem war ich ja auch seit einem Jahr mit dabei, und wir haben dann relativ viel nochmals umgestellt und einzelne Spuren noch mal leiser oder lauter gemacht beziehungsweise gekürzt. Es ist angenehm, wenn man lange bei einem Projekt dabei ist: Man gibt mit einem besseren Gewissen die Musik ab, weil sie wirklich ein paar Mal überarbeitet wurde.

Wie unterscheidet sich die Arbeit für einen Dokumentarfilm von der Arbeit für einen Spielfilm?
Beim Dokumentarfilm ist es wahrscheinlich schwieriger, durch die Musik keine Interpretation des Filmes zu suggerieren. Bei Jeder schweigt von etwas Anderem haben wir beim ersten Einstieg bemerkt, dass die Musik zu dramatisch ist. Das wird dann viel zu bedrohlich, die Musik suggeriert irgendwie Gefahr, und das sollte bei diesem Film überhaupt nicht sein. Bei so einem Film soll die Musik keinen erhobenen Zeigefinger ausdrücken. Beim Spielfilm hat man ein bisschen mehr Freiraum, weil eine fiktive Story erzählt wird. Da kann man vielleicht – ich mach das sowieso nicht so gern – dem Film mit der Musik auch einen gewissen Stempel aufdrücken. Das ist, glaube ich, beim Dokumentarfilm schwieriger.

Kann man sagen, dass die Musik für den Dokumentarfilm eher in Richtung Sounddesign tendiert?
Bei Jeder schweigt von etwas Anderem sind die Strecken mit Musik einfach als Erholungspausen für das, was man davor erzählt bekommen hat, eingesetzt. Man kann ja nicht achtzig Minuten nur Text hören, da steigt man als Zuschauer irgendwann aus. Deshalb ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass es dazwischen diese Blöcke mit Musik gibt.

Hörst du auch bewusst Filmmusik?
Also da bin ich echt noch – wie nennt man das? – zu „unerhört“. Prinzipiell mag ich Filmmusik, die sich nicht in den Vordergrund spielt. Wenn Filme musikalisch auf diese Weise aufgeladen sind, dann ist das für mich  ein Zeichen dafür, dass filmisch etwas nicht so gut funktioniert. Die Filmmusik sollte sich meines Erachtens auf jeden Fall im Hintergrund halten.

Bist du auch manchmal auch bei den Dreharbeiten dabei?
Bei Crash Test Dummies war ich bei den Dreharbeiten manchmal
dabei, etwa bei so einer klassisch österreichischen Film-Disko-szene. Da wollte ich, dass die Leute schon während des Drehens
zu der Musik tanzen, die ich mir überlegt hatte. Denn das sind Details, die mich als Musiker wahnsinnig machen: wenn ich etwa merke, dass die Leute zu einer vollkommen anderen Musik tanzen als zu der, die man jetzt gerade hört. Es kann nämlich nicht sein, dass sich in einem Raum neunzig Prozent der Leute gegen den Rhythmus bewegen. Da hat mich Jörg Kalt dann gefragt, ob ich nicht auch gleich den DJ machen will – ein Klassiker.

Letztlich ist es in dieser Szene dann doch ein anderes Stück geworden, aber ich hab zumindest die Geschwindigkeit genau gewusst, und den Beat dann angepasst. Aber bei den anderen Filmen war ich beim Drehen nicht dabei, weil ich immer erst relativ spät dazugekommen bin. Es gibt aber schon einen neuen Film von Jörg Kalt in Vorbereitung, das Drehbuch ist schon fertig, da werden wir voraussichtlich wieder zusammenarbeiten. Ich darf eigentlich noch nichts verraten, aber nur soviel: Es wird ein Horrorfilm, der geplante Titel ist Tiere, und es wird in einem Haus spielen, in dem sich allerlei Unheimliches zuträgt.