Noch kein rechtes Konzept für das 21. Jahrhundert besitzen vier Endzwanziger im steirischen Ex-Braunkohleort Fohnsdorf. Das Ensemble des Grazer Theater im Bahnhof verwandelt Milleniumslaunen in eine kurzweilige satirische Revue…

Werbung

Ein Schmäh wird gerissen, der letzte für diesen Tag, im Wissen, dass ohnedies angeknüpft werden wird. Die Szene friert ein, ein Schleier legt sich darüber, der Filmframe mutiert zu einem Bilderrahmen – und es hängt ein Foto mehr an der Wand von „Charly’s Checkpoint“ im steirischen Fohnsdorf. In dieses Wirtshaus pendelt ein eher selbstgenügsames Quartett männlicher Spät-Twens in dichter Folge ein. Mit Floskeln und Bier mogeln sie sich über berufliche wie private Apathien und Fehlversuche hinweg – dazwischen reichlich Tragikomik in Wortwitz, Gestik und Referenzen, Fotoroman-Einlagen, Musical, Slapstick, Beziehungsmurks, Karaoke und Kabarett. Milieukenntnis in Verdichtung bescherte Gregor Stadlober 2001 den Carl-Mayer-Preis für das Drehbuch zu Kotsch, adaptiert nun im Wesentlichen vom jungen Ensemble des Grazer Theaters im Bahnhof (TiB) als Filmdebüt seines Leiters Helmut Köpping. Einst Österreichs tiefstes Kohlebergwerk, wurde Fohnsdorf in den 90er Jahren zu einem jener Krisenorte, in dem die Zeit eingefroren scheint. Neue (Lebens-)Strukturen wurden gutmeinend aufgepropft, von Adaptionsscheu jeglicher Art wird in lockerer, launiger Folge erzählt: Nörgelei, Dulderei, Realitätsflucht, Rückzug – die vier stehen für Spielarten davon, sich im Zweifel in Gedanken und Taten stets an Altes und als stabil Geltendes zu halten: Backgammon
und Schach, betagte Bezugspersonen und Pop-Mythen, Kindheitserinnerungen, Gedanken an Feen und Eigenheim, Mozart-Opern, Jobs in Trafiken oder der Security-Branche. Zeitweiliges ruppiges Aufwachen – einzeln oder kollektiv, konstruktiv oder grausam –  wechselt mit Zurückweichen, Lokalpatriotismus behält Oberhand, im Finale wird alles nicht mehr so eng gesehen.

Inhaltlich bietet Kotsch viel Alltagsweises und Lehrreiches – doch zu welcher Haltung lädt er ein? Robust und hochunterhaltsam ist Schadenfreude über all diese Kaskaden der Patschertheiten. Nähergelegt wird Mitgefühl: Die figurenorientierte, auf Sorgfalt im Eklektizismus bedachte Inszenierung agiert da recht heimelig, wo „unfertige“ Ecken und Kanten zweifelsohne „jünger“ wären. Etwas eingebettet wurde jener Standup-Comedy-Geist, der bei einer szenischen Lesung bei der Diagonale’03 in Graz überzeugte – auch Indiz, dass das TiB inzwischen saturierter wurde? Von Aufbruchsdynamik dank rauer Regie erzählt scchließlich, auf indirekte, beinah zynische Art, die Abschluss-Einstellung auf ein Wahlplakat von 1999: „Klima – auf den Kanzler kommt es an.“