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No Name City

| Michael Pekler |

Florian Flickers sorgsam inszenierter Dokumentarfilm über eine Westernstadt in Niederösterreich ist  ein weiterer gelungener Beitrag des Regisseurs zum Thema Sein und Schein…

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1. Die grundsätzliche Affinität zwischen der Welt des Kinos und des Themenparks liegt daran, dass ersteres aus zweitem entstammt. Am Anfang waren der Jahrmarkt, die Buden – und die arbeitende Klasse als Publikum auf der Suche nach Zerstreuung. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Themenpark immer wieder gerne selbst zum Schauplatz, und neben einschlägigen fiktiven US-Beispielen mit Westmännern, Dinosauriern o. ä. hat sich auch schon der Dokumentarfilm – etwa Ulrich Seidl mit Spass ohne Grenzen – für das Faszinosum Erlebniswelt interessiert.

2. Der Themenpark ist eine Welt der Illusion an sich und definiert sich durch seine Grenze, zumal er als historische Kulisse eingerichtet ist. Gegen Ende des Films lässt Florian Flicker die Menschen, mit denen er zuvor vier Wochen lang in der niederösterreichischen Westernstadt gelebt hat und deren Teil er geworden ist (der Regisseur taucht immer wieder selbst im Bild auf), in einem Heißluftballon ihre kleine Welt von oben betrachten. Als Zuschauer bekommen wir diese zu Recht nicht zu sehen, denn die Illusion wäre durch den Anblick jedweder Form eines Außen zerstört.

3. Für den experimentierfreudigen Autodidakten Flicker bedeutet No Name City nach Arbeiten wie Suzie Washington und Der Überfall eine konsequente Fortsetzung seines Umgangs mit – vor allem in den Köpfen der Betrachter – vorgefertigten Bildern. Flicker hat in allen seinen bisherigen Filmen mehr (Halbe Welt) oder weniger deutlich (Der Überfall) ‚falsche’ Bilder und gesellschaftliche Rollen hinterfragt, ohne je aufklärerisch sein zu wollen. Das ist auch einer der größten Vorzüge von No Name City: Die Welt des Scheins wird von der Kamera weder entblößt noch bekräftigt. Alles ist echt und unecht zugleich, die Duelle zwischen Sheriff und Banditen auf der Main Street ebenso wie der Gabelstapler, der geholt wird, um die Western-Lokomotive zu reparieren. Das Leben in der Westernstadt ist als solches ein (Abzieh-)Bild einer Welt, die es in dieser Form nie gab.

4. Die Westernstadt ist ein Soziotop. Hier finden wie im richtigen Leben Kämpfe um Vorrechte und Territorien statt (Die Mehrzahl der Pächter ist mit dem Manager unzufrieden, die Situation scheint ausweglos verfahren). „Im Wilden Westen war es genauso wie hier – was das Personal angeht, funktioniert diese Stadt wunderbar. Jeder ist auf der Suche nach Gold und möchte dem anderen den Skalp nehmen“, sagt der, der es am besten wissen muss: „Und immer ist der Indianer der Blöde.“