ray Filmmagazin » Drama » Die Zeit die bleibt

Die Zeit die bleibt

| Roman Scheiber |

François Ozons „Trilogie über die Trauer“ umkreist die beiden Pole des Lebens: Sex und Tod.

Werbung

Sous le sable könnte als zweiter Teil einer „Trilogie über das weibliche Begehren“ gelten (mit dem Kurzfilm Regarde la mer davor und dem genialen Kreativprozess-Krimi Swimming Pool danach). Von François Ozon selbst angelegt ist Sous le sable als erster Teil einer „Trilogie über die Trauer“. Deren zweiter Teil heißt nun Le temps qui reste. Ozon mischt regelmäßig die Genres auf, oszilliert zwischen Farce und, wie hier, introspektivem Charakterstück. Vor allem aber verweist er in seinen Spielfilmen fortgesetzt auf eigene frühere Arbeiten – und umkreist permanent die beiden Pole des Lebens: Sexualität und Tod.

In Sous le sable kann sich eine Frau nicht von ihrem im Meer verschollenen Ehemann lösen. In Le temps qui reste löst sich ein junger Mann am Meer von seinem Leben. Von der Nachricht des baldigen Todes bis zum Schluss begleitet die Kamera den Modefotografen Romain (Melvil Poupaud), nimmt konsequent seine Perspektive ein und verlässt ihn nie. Statt den Tumor behandeln zu lassen, verschweigt Romain die Diagnose, lässt sich in die Einsamkeit treiben. Der einzige Mensch, dem er sich, in der Schlüsselszene des Films, anvertraut, ist seine Großmutter (Jeanne Moreau). Romains Entwicklung, eigentümlich kühl und dabei im Cinemascope-Format inszeniert, spiegelt sich in seinem Blick auf die Welt: anfangs ruhelos, wütend, gegen Ende klar und gelassen. Das Verlangen, mit den Menschen seiner nächsten Umgebung Frieden zu schließen, keimt schwach. Umso stärker Romains Bedürfnis, Spuren zu hinterlassen. Statt Modefotos macht er nur noch persönliche Momentaufnahmen. Als Katalysator für Ozons Requiem erweist sich nicht (wie für andere seiner Filme) das, was Henry Miller „the bloody machinery of sex“ genannt hat. Stattdessen ein dramaturgischer Kunstgriff: Eine schüchterne Kellnerin (Valeria Bruni-Tedeschi) will sich von Romain schwängern lassen, weil ihr Mann kein Kind zeugen kann. Das bietet Ozon die Gelegenheit, zärtlich eine Ménage à trois in den Film einzubetten, und lässt Romain erkennen: Ein Kind ist das Stärkste, was er von sich auf der Welt zurück lassen kann.

In Isabel Coixets My Life Without Me schreibt die bald Sterbende eine Liste mit Dingen, die für ihre Familie zu erledigen sind. Romain dagegen will mit sich und der Welt ins Reine kommen. Am Ende liegt er am Meer, und wir sehen, wie sich der Strand in der Dämmerung entvölkert. Bis nur noch er da liegt, klein und allein. Zum Abschluss der Trilogie, sagt Ozon, will er sich mit dem Tod eines Kindes beschäftigen.