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Habana Blues

| Ritchie Pettauer |

Das kontemporäre Kuba bietet die authentische Bühne für einen der spannensten Musikfilme der letzten Jahre: Leidenschaft, grandiose Musik und mikropolitische Sicht verbinden sich zu einem vielschichtigen, fantastischen MusikSpielFilmPorträt.

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Frauenheld Ruy und sein Freund Tito leben vorwiegend für, aber nicht von der Musik. Mit ihren Auftritten begeistern sie das einheimische Publikum – fürs eigene Überleben reichen die spärlichen Einnahmen aus dem künstlerischen Schaffen im wirtschaftlich desolaten Kuba allerdings kaum aus. Als spanische Produzenten ein Casting für ein großangelegtes Projekt, das in Welttournee und Sampler gipfeln soll, veranstalten, bietet sich den beiden nicht nur die lang ersehnte Chance, das Land auf sicherem Weg zu verlassen, sondern auch die Aussicht auf finanzielle Sicherheit. Die Hassliebe zum Land macht den Entschluss zum Umzug vorerst leicht, doch als Ruy erkennen muss, dass die Teilnahme eine Rückkehr in seine Heimat unmöglich macht, beginnt er zu zweifeln: denn die  Produzenten erhoffen ein enormes Marketingpotenzial durch politische Instrumentalisierung der kubanischen Musiker.

Während die Musiker proben, plant Ruys Fast-Ex-Ehefrau die gefährliche Flucht in die USA auf dem Wasserweg, bei der Jahr für Jahr hunderte Kubaner ums Leben kommen. Ihr Mann beginnt zugleich aber eine Affäre mit der spanischen Produzentin. Mit Tito kommt es schließlich zum Streit, als Ruy beschließt, auszusteigen und im Land zu bleiben. Schwierige, komplizierte Beziehungen und unklare, geradezu widersprüchliche Gefühle definieren den kleinen, persönlichen Mikrokosmos ebenso wie die politische Ebene – das macht Habana Blues zu einem semidokumentarischen Spielfilm und zugleich zur zeitlos gültigen Parabel.

Bleibt Kuba trotz oder gerade wegen politischer Restriktionen ein leidenschaftlicher Schmelztiegel expressiver Musiken, ein brodelndes Amalgam aus karibischen, lateinamerikanischen und spanischer Rhythmen und Harmonien? Derlei Fragen will Regisseur Zambrano stellen, nicht beantworten. Seine komplexe soziale und politische Sicht verwebt gekonnt verschiedene Handlungsstränge und schafft es so, ein faszinierendes und authentisch wirkendes Bild zu zeichnen, das den Hemmingway’schen Mythos der paradiesischen Insel nachhaltig zertrümmert. Souverän und glaubwürdig agierende Darsteller und beeindruckende Bilder gehören zu den Stärken des Films, Höhepunkte freilich bleiben die grandios inszenierten Konzertszenen: Kameraführung und Schnitt vermitteln ein erstaunliches Live-Gefühl, die Songs spiegeln eine unerwartet breite Palette kubanischer
Musikrichtungen wider. Wer dieses Meisterwerk gesehen hat, wird fürderhin den zugehörigen Sampler im Plattenregal nicht missen wollen.