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Filmstars als Sänger – Julia Hummer im Gespräch

„Ich setze mich einfach hin und spiele“

| Tiziana Arico |

Dass man als Schauspielerin auch Musik macht, ist für Julia Hummer eine klare Sache. Die Berlinerin, auf der Leinwand so erfolgreich wie an der Gitarre, beeindruckt auf ihrem Debütalbum „Downtown Cocoluccia“ ebenso wie live beim Crossing Europe-Filmfestival in Linz.

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Auf deiner letzten CD Downtown Cocoluccia gibt es ein Lied mit dem Titel Desire Is Bigger Than Life Itself.
Ich bin zu Christian Petzolds Film Die Innere Sicherheit interviewt worden. Da kam die Frage: „Was, denkst du, ist die Message dieses Films?“ Und ich habe geantwortet: „Desire is bigger than life itself.“ Als ich das so gesagt habe, dachte ich: Stimmt. Es passieren manchmal Dinge im Leben aus Sehnsucht, die man gar nicht so wahrnimmt. Manchmal macht man etwas aus einer unbewussten Sehnsucht, die das Leben beeinflusst.

Du machst Musik und Schauspiel. Deine Karriere als Schauspielerin entsprang aber eher einem Zufall.
Stimmt. Ich bin von der Schule mit dem Ziel abgegangen, freie Kunst zu studieren und möglichst gar nichts zu werden, aber trotzdem viel zu lernen. Ich dachte, ich werde mal Künstlerin und mache einfach so rum. Zu dieser Zeit war ich etwa 17. Ich habe einen Job gesucht, aber irrsinnig jung ausgesehen. Ich konnte also in keinem Kaffeehaus, in keiner Kneipe arbeiten. So habe ich diverse Jobs gemacht wie Zettel verteilen. Irgendwann hat mich dann ein Fotograf angesprochen und wollte ein Foto für das Cover des mittlerweile eingestellten jetzt-Magazins der Süddeutschen. Für 50 Mark.

War das nicht ein bisschen wenig?
Das habe ich sehr gerne gemacht. Immerhin brauchte ich damals dringend Geld. Sebastian Schipper hat mich dann zufällig in einem Café gesehen, mich erkannt und für Absolute Giganten engagiert. Es waren also eine ganze Reihe absurder Verkettungen bei meiner Karriere im Spiel.

Seit Christian Petzolds Gespenster heißt es immer wieder, dass Julia Hummer eine schwere Jugend hatte. Was ist da dran?
Ich weiß nicht, ob das so interessant ist zu lesen. Aber wahrscheinlich schon. Ich bin oft umgezogen, auch umgezogen worden. Ich war auf 13 verschiedenen Schulen und bin sehr streng und auch sehr gläubig erzogen worden. Da hab ich dann sehr früh zu Hause die Kurve gekratzt.

Das heißt, du bist bald ausgezogen?
Ausgezogen, aber nicht abgehauen. Im Nachhinein war das die wertvollste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe. Alle haben gezittert und gesagt: „Mein Gott, du versaust dir dein Leben.“ Das ist aber überhaupt nicht eingetreten. Es war das Beste, was ich je gemacht habe.

Deine Band heißt Julia Hummer & Too Many Boys. Wie kommt das? Hast du zu viele Männer um dich?
Ich habe diesen Song Too Many Boys zu einer Zeit geschrieben, als ich wirklich ein paar Männer zu viel um mich herum hatte. Darum ging es aber bei der Band nicht, sondern einfach darum, einen Namen zu finden. Die anderen fanden ihn auch gut, und das war’s.

Deine Musik wird in die Rubrik Indie-Pop eingeordnet.
Das trifft es auch ganz gut.

Was willst Du in Zukunft machen? Musik oder Schauspiel?
Ich konzentriere mich eigentlich hauptsächlich aufs Machen an sich. Im Moment finde ich es gerade toll, solo zu spielen. Auch wenn das heute (bei Crossing Europe, Anm.) ohne Band eine Umstellung ist. Aber ich kann die Sachen so spielen, wie ich will. Es gibt keine Effekte, ich spiele meine Songs mit der Akustikgitarre. Ich werde jetzt mal alleine Musik schreiben. An die Karriere denke ich aber weniger. Ich will heuer jedenfalls noch eine zweite Platte aufnehmen, aber was da drauf sein wird, weiß ich noch nicht.

Wie kommst du auf deine Songs? Hast du eine spezielle Methode?
Ich setz mich einfach hin und spiele. Das ist mein bisschen Methode, denn dadurch kommen mir Ideen. Deswegen habe ich das Filmedrehen erst mal sein lassen, denn das hat mir den Saft für die Musik abgedreht. Ich sag zwar nicht, ich werde nie wieder Schauspielen, aber im Moment konzentriere ich mich lieber auf Musik. Auch wenn es nicht profitabel ist.

Inwiefern lenkt dich Schauspielen von Musik ab?
Vor allem das Rein und Raus in und aus einer Rolle dauert einfach eine Zeit. Ich bin ja keine gelernte Schauspielerin. Ich bin als Laie von der Straße zum Film. Im echten Leben bin ich eine total schlechte Schauspielerin, das ist mir schon oft zum Verhängnis geworden.

Hattest du keinen Schauspielcoach?
Nein, eigentlich nicht. Nach meiner ersten Hauptrolle in Die Innere Sicherheit war ich ganz drinnen in dem Charakter. Ich brauchte ganz lange, mich selbst da wieder rauszuholen. Es gab keine wirkliche Grenze mehr.

Wie ist dein Verhältnis zur Filmbranche?
Die diversen Branchen-Events habe ich von Anfang an instinktiv gemieden. Ich verstehe aber, dass Leute das brauchen. Manche Kollegen gehen ja teilweise über den roten Teppich, und das Jahr ist gerettet. Bei mir ist das nicht so.