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Fussball-WM – Als ob der Gegner nicht da wäre

Als ob der Gegner nicht da wäre

| Reinhard Krennhuber |

Eine neue DVD erklärt uns, wieso die Blau-Gelben den Weltfußball beherrschen.

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Die brasilianische Nationalmannschaft wird am 9. Juli in Berlin im WM-Endspiel stehen und dieses auch gewinnen.Robert Seeger und Kollegen werden in Endlosschleifen ihre ewig gleichen Phrasen von „Sambatänzern“, „Zuckerhutkickern“ und „Zauberfußball“ vom Stapel lassen und die Fans der Blau-Gelben mit unzähligen Gloryhunters den sechsten WM-Titel der Seleçao feiern.

Soweit die Mainstream-Prognose. Die Gründe für die Dominanz des brasilianischen Fußballs versucht die rechtzeitig vor der WM in den Handel gelangte Dokumentation Ginga zu erklären, deren Titel als Synonym für die Kunst der Bewegung und allgemein brasilianisches Lebensgefühl steht. „Das große Geheimnis, warum Brasilien den Weltfußball beherrscht, ist gar kein Geheimnis. Die brasilianischen Spieler haben Ginga – ein besonderes Talent, zu dribbeln, zu passen und Tore zu schießen, als ob der Gegner gar nicht vorhanden wäre“, heißt es im Vorspann. Esoterik-Zusatz: „Die Brasilianer werden mit Ginga geboren und das erlaubt ihnen die größten Träume.“

Die vom Sportartikelriesen Nike und Fernando Meirelles (City of God, The Constant Gardener) mitproduzierte Doku zeigt zehn dieser Träume, die bei weitem nicht alle in Erfüllung gehen, und hat neben Plattitüden wie der genannten auch noch bessere Erklärungsmuster in petto. Schnell und in stetem Einklang mit der omnipräsenten Musik geschnitten, bringt Ginga vor allem eines rüber: die Begeisterung, die dem Sport in Brasilien entgegen gebracht wird. Unter gänzlichem Verzicht auf einen Off-Kommentar erzählen die Kicker selbst ihre Geschichten und präsentieren ihre Moves. Organisiert und unorganisiert, auf staubigen Bolzplätzen und engen Innenhöfen, wo Technik und Spielwitz ebenso angesagt sind wie in den Futsal-Hallen, in den sich ein Spieler wie Falcao am wohlsten fühlt. Wenn der ehemals beste Hallenfußballer der Welt meint, dass Kinder zu ihm kommen und sagen: „Ich kann dein Dribbling, das Falcao-Dribbling“, kommt man Ginga viel näher als beim Ronaldo-Kurzinterview („Wir haben Ginga im Blut“) im Bonusteil der DVD. Auch Robinho, der zweite Star in Ginga, hat seine Karriere mit Hallenfußball begonnen, im zarten Alter von fünf. Die Filmemacher erwischten den nunmehr in Diensten von Real Madrid stehenden Superdribbler noch beim FC Santos. Einfangen konnten sie dort neben einem Hauch brasilianischer Fankultur auch Robinhos Bonmot vom Fußball als „ernsten Spaß“.

Ein Spaß, der sich für einen weiteren Protagonisten von Ginga fast aufgehört hätte. Wescley hatte ein Probetraining beim Renommierklub Vasco da Gama in Rio de Janeiro vor Augen, als er von einem Auto niedergefahren wurde. Er verlor ein Bein, kickt seither auf Krücken gestützt und träumt von einer Entsendung zu den Paralympics. In seinem Eingangsstatement witzelt er, er sei dreifacher brasilianischer Meister und habe zwei Mal die Copa do Brasil gewonnen, und lacht dazu. Klarer wird das Ginga-Geheimnis in keinem anderen Moment des Films.

Reinhard Krennhuber ist Chefredakteur des Fußballmagazins ballesterer.