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Summer of Love – Sergeant Pepper auf dem Dauertrip

Sergeant Pepper auf dem Dauertrip

| Andrea Winklbauer |

Die Revolution kommt ins Museum: Die Ausstellung „Summer of Love“ in der Kunsthalle Wien spürt dem viel beschworenen Geist der 60er Jahre nach.

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Es war am 19. April 1943 um 16.20 Uhr: Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann nahm eine kleine Menge einer von ihm und seinem Kollegen synthetisierten Substanz ein – und „schnitt“ damit den ersten LSD-Trip der Geschichte. Künstler wurden auf die neue Droge, die zunächst bei der Therapie von Geisteskrankheiten getestet wurde, durch Versuche der CIA
aufmerksam, für die sie sich als frei-willige Testpersonen zur Verfügung gestellt hatten. Für die Künstler, die sich seit langem für die faszinierenden Innenwelten interessierten, in denen Kreativität entstehen kann, bedeutete
die Droge den Weg ins Paradies: Wahnzustände, die so ungewöhnliche Kunstwerke wie die von Adolf Wölfli oder Friedrich Schröder Sonnenstern, um nur zwei Vertreter der Art Brut zu nennen, hervorgebracht hatten, konnten nun von gesunden Menschen künstlich und temporär hervorgerufen werden.

Der Traum von der Subversion

Noch dazu waren diese Zustände überwiegend schön. Von Fantasiegestalten ist die Rede, von mythischen Geschöpfen und satten, strahlenden, übernatürlich leuchtenden Farben. Die in den 60ern und 70ern entstandene psychedelische Kunst ist dementsprechend schrill und exzessiv. Im Lebensgefühl, das zur Psychedelik gehörte, verbanden sich Eskapismus, sexuelle Befreiung und eine politische Protesthaltung zu einem großen, bunten Bubble. Ihren Höhepunkt erreichte die Epoche im Summer of Love 1967. Fünf Jahre später war das meiste schon wieder vorbei. Die Nüchternheit kehrte zurück. Und verbannte das Überbordende in die Mottenkiste des Ungehörigen und Geschmacklosen. Die Träume von Subver-sion und Entgrenzung waren ausgeträumt. Und lassen sich auch durch eine Ausstellung, die nach Liverpool und Frankfurt nun auch in Wien Station macht, nicht wieder zum Leben erwecken. Soviel steht fest.

Davon abgesehen leistet diese Ausstellung in der Wiener Kunsthalle das Menschenmögliche, das Psychedelische zumindest visuell auferstehen zu lassen. An diesem Punkt scheint die letzte Station in der Frankfurter Schirn Kunsthalle gescheitert zu sein, berichteten jedenfalls die Rezensenten: dass der farbige, überbordende Modus einfach schlecht mit der musealen Ordnung eines White Cube in Einklang zu bringen war. In der Wiener Kunsthalle scheint das besser gelöst zu sein. Jedenfalls hat man als Besucher nicht unbedingt den Eindruck, sich in einer Ausstellung zu befinden. Man weiß natürlich, dass es so ist. Aber trotzdem kommt ein heimeliges Gefühl auf, das einen manchmal auf dem Flohmarkt befällt: Es ist eng, es ist voll unübersichtlichem Kram, nichts lässt sich rastern und schnell erfassen. Zu den vielen Plakaten, Plattencovers, Fotos, Skulpturen und Janis Joplins bunt bemaltem Porsche 356C Cabriolet, Baujahr 1965, gesellen sich Gemälde mit bunten Farbschlieren und fantastischen Blumenmustern von Isaac Abrams, Öyvind Fahlströms zweiteilige Arbeit, die das Logo von Esso in LSD umdeutet (1967), eine Installation von Yoyoi Kusama, der „Inifinity Mirrored Room Love Forever“ und zahlreiche weitere Kunstwerke, die ihren Formen- und Farbenreichtum der Vorliebe für das Psychedelische verdanken. Man kann nicht sagen, dass es an qualitätvollen Beispielen für die von den Ausstellungsmachern propagierte LSD-Kunst mangelt. Zu den teils gehängten, teils gestellten Werken kommen eine Reihe von begehbaren Installationen – dunkle Höhlen die einen, „erleuchtet“ die anderen. Hier ist es die Vierfachprojektion eines Films von Ronald Nameth über Andy Worhol’s Exploding Plastic Inevitable von 1966, der dem Besucher ein wenig vom Feeling des von allen
Seiten mit Bild und Ton Umgebenseins vermitteln soll, zu dessen voller Wirksamkeit allerdings das LSD, die Lautstärke und die Laune fehlen; dort ist es das Beschossenwerden mit Lichtblitzen im Nachbau von USCOs „Strobo Room“ von 1967; da ist es die gepolsterte, aus biomorphen Elementen geformte Wohnhöhle, die „Fantasy Landscape Visiona II“ (1970) von Verner Panton, die vor allem Kindern große Freude macht. Black Boxes sind mit Filmen von Andy Warhol (Chelsea Girls, 1966), Pat O’Neill (7362, 1965-67) oder Hy Hirsch (Come Closer, 1953) bestückt. Für das Erzeugen imaginärer Welten und Effekte eignet sich der Film ja bekanntlich besonders gut. Im für Wien extra hinzu kuratierten Österreich-Teil freut man sich, den in den letzten Jahren ohnehin in verschiedenen Ausstellungen zu Ehren gekommenen visionären Architekten/-Gruppen wie Hans Hollein, Klaus Pinter, Zünd-Up, Coop Himmelb(l)au und Haus-Rucker-Co oder Walter Pichlers „TV-Helm. Das tragbare Wohnzimmer“ von 1967 wieder zu begegnen, doch die hatten ohnehin zum Kreis der Verdächtigen für den Umgang mit dem Psychedelischen gezählt. Ungewohnter ist die Rezeption von Künstlern wie Arnulf Rainer, den Wiener Phantastischen Realisten oder des frühen Christian Ludwig Attersee in diesem Zusammenhang. Doch sowohl bei direkter Begutachtung als auch kurzer Überlegung passen diese
Künstler ziemlich gut ins Bild. Rainer und die Phantasten, weil sie vom Surrealismus ausgingen, der ein Interesse an den Wunderblumen des Irrationalen voraussetzt, Attersee, weil er in diesen Jahren die internationale Pop-Art rezipierte, in der psychedelische Effekte eine immense Rolle spielten. Auch die österreichische Kunst hatte also ihren „Summer of Love“.