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The Road to Guantanamo

The Road to Guantanamo

| Sebastian Hofer |

Vier junge Briten reisen im September 2001 nach Pakistan, dann weiter nach Afghanistan. Einer geht in den Kriegswirren verloren, drei finden sich als mutmaßliche Terroristen in Guantánamo wieder.

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Man kann diesem Film vieles vorwerfen, eines allerdings nicht: parteiisch zu sein. Denn natürlich ist dieser Film parteiisch. Das ist seine Arbeitsgrundlage, sein eigentlicher Ausgangspunkt: Michael Winterbottom und Mat Whitecross sind nicht daran interessiert, als objektive Beobachter aufzutreten, zu klären, was denn wirklich geschehen ist, in Afghanistan im Herbst 2001, in Guantanámo Bay in den zwei Jahren darauf, als Asif Iqbal, Ruhel Ahmed und Shafiq Rasul, die später (nach ihrer britischen Heimatstadt) so genannten „Tipton Three“, monatelang festgehalten und verhört wurden, unschuldig, offenbar. Sie treten vielmehr in eine Verhandlung ein, als Anwälte, die ihre Klienten die eigene, bis dato ungehörte  Geschichte erzählen lassen. In gewisser Weise ist The Road to Guantanamo ein Kriminalfilm, und er wird auch tatsächlich als solcher erzählt: Interviews und Spielszenen wechseln sich ab, mal wähnt man sich in einer C.S.I.-Episode, mal in einer Guido-Knopp-Dokumentation, brav ist das, und wenig aufregend. Wenn sich nicht immer wieder Bilder einschleichen würden, die dem Doku-Drama zu einer beinahe surrealen Qualität verhelfen: Wenn die Häftlinge in ihren Drahtkäfigen plötzlich rappen und beatboxen, oder mit Stroboskop und Heavy Metal traktiert werden und die Road to Guantanomo plötzlich zum Lost Highway wird.

Was The Road to Guantanamo vom Kriminalfilm unterscheidet, ist seine Prämisse, dass so etwas wie eine finale Aufklärung nicht mehr möglich ist. Die verbriefte Wahrheit, und damit muss man sich abfinden, gibt es hier nicht mehr. Was es gibt, sind Geschichten. Eine davon wird hier erzählt. The Road to Guantanamo handelt von einer Welt, in der Authentizität und Wahrheit längst abgedankt haben, und er erzählt von Status des Kinos in dieser Welt, als ein Medium, in dem das Verhältnis von Wahrheit, Wirklichkeit und Geschichte schon immer ein komplexes, und manchmal sogar ein prekäres war. Um dieses Verhältnis geht es hier, und nicht etwa um Meinungsbildung oder, Gott behüte, Propaganda. Denn die Meinungen sind in diesem Fall ja längst gebildet – dass das Lager von Guantánamo und die Art, in der mit seinen Insassen umgegangen wird, skandalös sind, kann als common sense vorausgesetzt werden. Was neu ist an The Road to Guantanamo, ist die Perspektive von innerhalb der Häftlingskutten, unterhalb ihrer blickdichten Kapuzen. Blickdicht, so wie dieser Film: Aufgeklärt, erhellt, wird hier nichts. Hier wird erzählt. Und verhandelt. Wie das in einer Demokratie so üblich ist.