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Das Leben der Anderen

| Alexandra Seitz |

Ost-Berlin, 1984. Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler erhält den Auftrag, den Vorzeige-Dramatiker Georg Dreyman und dessen Schauspieler-Freundin Christa-Maria Sieland zu überwachen. Der vermeintlich routinemäßige OV (= „operativer Vorgang“) entwickelt sich rasch zum Prüfstein, an dem des Spitzels Panzer schließlich zerbricht.

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Das Leben der Anderen ist ein doppeldeutiger Titel. Er bezeichnet nicht nur das Leben der Künstler, das der Stasi-Bürokrat zunehmend fasziniert beobachtet, und dessen Leidenschaftlichkeit ihn schließlich aus seiner emotionalen wie moralischen Erstarrung reißt. Das Leben der Anderen, das meint auch ganz allgemein das Leben der „Brüder und Schwestern im Osten“, die lange genug hinter dem Eisernen Vorhang weggesperrt waren, um nach dem Fall der Mauer wie Unbekannte und anhaltend fremd zu wirken. Natürlich gab es dafür die Erklärung, dass die Neu-BRDler in der DDR jahrzehntelang in einem totalitären Überwachungsstaat gelebt hatten, dessen Ministerium für Staatssicherheit ein an Monstrosität kaum zu überbietendes Instrument der Bürgerbespitzelung darstellte. Was die Existenz des MfS und seiner zahllosen, als Denunzianten tätigen IMs (inoffizielle Mitarbeiter) für den Einzelnen konkret bedeutete und wie sich permanentes Misstrauen und allgegenwärtiger Verrat auswirkten aufs geistige Klima im Land und die Beziehungen der Menschen untereinander, davon hat der gemeine west-sozialisierte Mensch jedoch nach wie vor kaum eine Ahnung.

Nichts weniger als schockierend wirkt daher gleich die erste Szene dieses hochkonzentrierten Films, in der Wiesler kalt und nüchtern einen Vortrag über Verhörtechnik hält. „Die Feinde der Republik sind arrogant“, schärft er den Studenten ein. Dabei läßt sich auch lernen, dass Wiesler ein zutiefst überzeugter Bürger und Diener seines Staates ist. Warum und wie es dazu kam, bleibt wiederum unerklärt, der Stasi-Mann wird nicht an wohlfeile, Verständnis heischende Klischees ausgeliefert. Und es ist eben seine Loyalität, die ihn aus dem Ruder laufen lässt, als er das wahre Motiv für den Einsatz gegen das Künstlerpaar erkennt: Machtmissbrauch. Kulturminister Bruno Hempf will den Dramatiker aus dem Weg haben, um sich an die Schauspielerin heranmachen zu können.

In der Folge wird es hochdramatisch, sehr bewegend und immer wieder furchtbar spannend, denn Das Leben der Anderen auch ein hervorragend inszenierter und gespielter Kinofilm, der eine gute Geschichte zu erzählen hat. Doch vor allem Ulrich Mühes präzises Wiesler-Porträt gewinnt vor dem Hintergrund, dass dessen eigene Frau seinerzeit dem MfS Informationen über ihren Mann geliefert hat, eine beunruhigende Vielschichtigkeit. Die deutsch-deutschen Verhältnisse sind kompliziert, es ist Donnersmarcks unschätzbares Verdienst, dass er es sich mit den Gründen dafür nicht einfach gemacht hat.