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Filmgalerie Krems – „Chaplin tanzte in Wien Tango“

„Chaplin tanzte in Wien Tango“

| Andreas Ungerböck |

Christa Auderlitzky, gebürtige Ebenseerin und als solche der starken oberösterreichischen Fraktion in der Film- und Medienbranche des östlichen Österreich zuzurechnen, studierte Theaterwissenschaft sowie eine Fächerkombination aus Philosphie, Psychologie und Publizistik in Wien – mit einem starken Interesse für Film. Bald begann sie im Wiener Filmhaus Stöbergasse zu arbeiten, dessen Leitung sie 1993 übernahm. Von 1996 bis 2002 war sie beim Filmverleih Polyfilm beschäftigt. Daneben schrieb sie Aufsätze und Filmkritiken, gestaltete gemeinsam mit dem Medieninstitut Zone ein Porträt des Regisseurs Gustav Deutsch für die Kunststücke. Sie hat einen Lehrauftrag am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, stellte Filmschauen zusammen (unter anderen eine zum Thema Abtreibung), war Mitglied von Festivaljuries und Beiratsmitglied für innovative Filmförderung im Bundeskanzleramt. 2003 kam sie, zunächst als Programmgestalterin, an die Filmgalerie nach Krems, kuratierte 2005 das Spielfilmprogramm des Festivals EU-XXL und ist seit Februar 2006 künstlerische Leiterin der Filmgalerie. Sie ist verantwortlich auch für das Großprojekt Digitale Filmrestaurierung in Krems – und ab 6. Oktober ist sie Herrin über Österreichs einzigen permanenten Filmausstellungsraum. Eröffnet wird die Ausstellungshalle mit einer spektakulären Schau zum Leben und zum unsterblichen Werk Charlie Chaplins.

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Wie sehr profitiert die Filmgalerie eigentlich vom Campus der Donau-Universität, der ja gleich nebenan ist?

Nicht unmittelbar. An der Donau-Uni werden ja vor allem Postgraduate-Lehrgänge angeboten, die sehr komprimiert sind, sodass die Leute nie besonders lange in Krems sind – oder sie sind eben sehr eingespannt. Aber es gibt zwei Fachhochschulen, die eine am Campus, die andere gleich daneben, und die Studenten dort sind sehr eifrige Kinobesucher.

Wie schwierig oder wie einfach ist es, in Krems, einer Stadt mit 25.000 Einwohnern, ein Kino mit anspruchsvollem Programm zu betreiben?
Ich denke schon, dass ein Bedarf da ist. Das dauert halt seine Zeit, bis das wirklich etabliert ist. Am Anfang gab es da vielleicht Missverständnisse, weil viele dachten, das Kino sei am Campus, also quasi nur für Studenten. Das Einzugsgebiet reicht bis Horn, würde ich sagen. Wir hatten heuer auch zum ersten Mal Sommerkino, und das hat gut funktioniert.

Was wurde aus der viel diskutierten Konkurrenz zum Cinema Paradiso in St. Pölten?
Ich denke, beide Kinos haben ihr regionales Publikum, ich habe da kein Konkurrenzdenken, auch wenn wir manchmal Filme parallel spielen. Da hat für mich eher das Cinema Paradiso den Vorteil, weil es eben das Hauptstadt-Kino ist, und weil sie durchgehend spielen. Da hat man bei den Filmverleihern einfach bessere Karten, kann Filme gleich mit Wien mitstarten.

Ihr spielt ja vier Tage in der Woche…
Ja, früher drei Tage, jetzt vier… Donnerstag bis Sonntag.

Beschränkst du dich da auf Film?
Nein. Es gab zum Beispiel eine Kooperation mit dem Donaufestival, da haben wir experimentelle Musikvideos von österreichischen Filmemachern gezeigt, wir haben mit dem Karikaturmuseum zusammengearbeitet, das Fellini-Zeichnungen ausgestellt hat, als wir die Filme spielten. Demnächst werden wir mit „Kontraste“ zusammenarbeiten, einem avantgardistischen Musikfestival.

Kommen wir zur Ausstellungshalle. Das ist doch toll, dass es jetzt endlich einen Ort gibt, an dem permanent Filmausstellungen durchgeführt werden können?
Ja, das ist sehr erfreulich. Dadurch, dass Kino und Ausstellungsraum in einem Haus sind, hat man natürlich gestalterisch und inhaltlich sehr viele Möglichkeiten. Wir wollen das nützen und natürlich zu den Ausstellungen die dem entsprechenden Filme zeigen. So wird es bei Chaplin am ersten Wochenende sehr viele Filmvorstellungen geben. Und später auch immer wieder, vor allem am Wochenende.

Wie groß ist die Ausstellungshalle?
Etwas mehr als 400 Quadratmeter.

Wie kommt man zu so einer Ausstellung wie der Chaplin-Schau? Hast du dich international umgesehen, was es gerade so gibt?
Ja. Wir waren etwas unter Zeitdruck. Das Konzept ist ja schon, dass man später, mit der entsprechenden Vorlaufzeit schon Ausstellungen selbst konzipiert, das war jetzt nicht möglich. Also haben wir uns umgeschaut und sind bald auf diese Chaplin-Schau gestoßen, und ich finde das einen sehr schönen Auftakt für die Halle. Chaplin ist schließlich eine der zentralen Figuren der Filmgeschichte. Es ist auch die erste Chaplin-Ausstellung überhaupt. Sie wurde von Sam Stourze, einem Fotohistoriker, zusammen mit der Chaplin Association kuratiert. Es ist sehr viel Fotomaterial dabei, das bisher noch nie zu sehen war, nicht nur von Dreharbeiten. Die Ausstellung ist so konzipiert, dass der Film stark im Vordergrund steht, was aber nicht heißt, dass es nicht auch um den Menschen Chaplin geht.

Chaplin ist vermutlich auch ein guter Einstieg für Leute ohne spezifisches Filmwissen…
Genau. Wir müssen da schon einen etwas breiteren Zugang berücksichtigen. Diese Ausstellung ist ein Glücksfall: Sie ist anspruchsvoll, aber doch auch populär.

Hast du die Ausstellung 1:1 übernommen oder wurde sie adaptiert?
Sie war zuerst im Jeu de Paume in Paris, dann in Rotterdam, dann in Hamburg, Lausanne… Nachdem unsere Halle etwas kleiner ist, haben wir schon ein wenig reduziert. Andererseits wollte ich einen lokalen Fokus haben, und deswegen ist ein Schwerpunkt bei uns der dreitägige Wien-Besuch Chaplins im März 1931. Nachdem es da einiges Material gibt, wollte ich das natürlich gerne einbauen.

Der Rummel um Chaplin in Wien soll ja gigantisch gewesen sein, auch ohne Internet und Fernsehen.
Ja. Es war seine zweite Europareise nach 1921, diesmal kam er, um den Film City Lights zu promoten, der in Amerika schon gestartet worden war. Er war ja gegen den Tonfilm, der gerade aufkam, also nicht generell, sondern was seine Figur des Tramp betraf. Die sollte einfach nicht sprechen. Schon in London wurde Chaplin enthusiastisch empfangen, dann fuhr er nach Berlin. Er hat ja nie gesagt, wann er abreist, ist auch aus Berlin bei Nacht und Nebel verschwunden, weil er auch einmal ein bisschen Ruhe wollte. Er schickte vom Schlafwagen aus ein Telegramm nach Wien ans Hotel Imperial, und binnen Stunden war die Hölle los. Die Massen stürmten den Franz-Josefs-Bahnhof und trugen Chaplin auf den Schultern zum Auto. Dazu gibt es einen sehr schönen Wochenschaubericht, den wir auch in der Ausstellung zeigen.

Wie kam es denn, dass Chaplin nach Wien reiste?
Curtis Melnitz, ehemals Direktor der Terra-Film in Wien, und Repräsentant von United Artists in Wien, war ein enger  Vertrauter Chaplins und begleitete ihn auch auf dieser Europareise. Chaplin wohnte also in den Fürstenappartements im Imperial, mit seinem Sekretär und seinem Koch. Am Abend war er im Bürgertheater, da gibt es ein Foto mit der ganzen Belegschaft, und mit der Schauspielerin Irene Palasthy, so heißt es, sei er nachher Tango tanzen gegangen. Er hat den Burgschauspieler Alexander Moissi und den Komponisten Oscar Straus getroffen, und die Volksschauspielerin Hansi Niese. Er war mit Melnitz im Prater und dachte, die Leute würden ihn nicht erkennen, aber der Ansturm war so groß, dass die beiden aufs Riesenrad flüchten mussten.

Was gibt es da noch zu sehen?
Zeitungsberichte, Ausschnitte, Programmhefte, Einladungen, da gibt es schon recht viel. Was ich auch sehr schön finde, ist ein Foto von einem Straßenbahnwaggon, auf dem für City Lights Reklame gemacht wird – fast wie heute. Es gab auch einen Chaplin-Imitator, der ins Hotel Imperial vordringen wollte. Es war auf jeden Fall ein ziemlich turbulenter Aufenthalt.

Erwartest du Gäste zur Eröffnung?
Wir haben natürlich Geraldine Chaplin eingeladen, die sich auch sehr gefreut hat, aber leider gerade einen Film dreht, dann Dolores Chaplin, seine Enkelin, die gerade mit Stefan Ruzowitzky gearbeitet hat und möglicherweise kommt, vielleicht auch Charly Sistovaris, Chaplins Enkel, der auch bei der Chaplin Association tätig ist, und auch Sam Stourze soll natürlich kommen.

Was wird das nächste Ausstellungsprojekt sein?
Das will ich jetzt noch nicht verraten, das ist jetzt gerade erst einmal zugesagt worden, aber auch das wird auf jeden Fall etwas sehr Schönes und Opulentes.

Wie sieht denn die Finanzierung der Ausstellungshalle aus?
Derzeit kommen rund zwei Drittel vom Land Niederösterreich und ein Drittel vom Bund.