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Viennale – Die (un-) gleichen Schwestern

Die (un-) gleichen Schwestern

| Daniela Sannwald |

Der Doppel-Tribute Sisters Act würdigt zwei noch lebende Diven aus der Goldenen Ära Hollywoods: Olivia de Havilland und Joan Fontaine.

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Keine strahlende Schönheit, keine glamouröse Verführerin, keine Frau, die Männer zu Torheiten hingerissen hätte, und dennoch: Olivia de Havilland hatte es in sich. In einer ihrer berühmtesten Rollen, Melanie in Gone with the Wind (1939), nötigt sie mit ihrer eisernen Disziplin, ihrer Treue und ihrem unumstößlichen Glauben an das Gute im Menschen selbst dem rabaukenhaften Kriegsgewinnler Rhett Butler (Clark Gable) Respekt und Ritterlichkeit ab. Zwar noch von der Geburt ihres Kindes geschwächt, aber mit einem Säbel bewaffnet, steht sie tapfer ihrer ewigen Widersacherin Scarlett zur Seite, als die beiden einsamen Frauen von einem Plünderer bedroht werden. Nachdem Scarlett ihn erschossen hat, beseitigen die Schwägerinnen gemeinsam dessen Leiche, ein Geheimnis, das sie für immer zusammenschweißt und dazu führt, dass Melanie auch noch zu Scarlett hält, als diese von allen anderen geächtet wird. Die Rolle brachte der 1916 in Tokyo geborenen de Havilland, die bis dahin eher passive Parts, oft an der Seite Errol Flynns, gespielt hatte, ihre erste von fünf Oscar-Nominierungen ein.

Zweimal gewann sie die begehrte Trophäe: 1946 für To Each His Own, einem zeittypischen women’s weepie, in dem sie die Geliebte eines Fliegerhelden im Ersten Weltkrieg und vor allem die liebende Mutter von dessen unehelichem, zur Adoption freigegebenem Sohn darstellt, dem sie im London des Zweiten Weltkriegs begegnet. Da war Olivia de Havilland erst 30, musste aber bereits eine weit ältere Frau spielen wie noch einige Male in ihrer Karriere; außerdem charakterisieren Bescheidenheit und bis zur Zähigkeit reichende Geduld ihre Rollen, etwa ihre großartige Performance in William Wylers Henry-James-Adaption The Heiress, für die sie 1949 einen zweiten Oscar erhielt. Die Titelheldin lebt mit ihrem verbitterten, aber sehr wohlhabenden Vater als alterndes Mädchen zusammen, beide scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass sie unverheiratet und damit bei ihm bleibt. Schließlich taucht – in Gestalt von Montgomery Clift – doch noch ein Bewerber um ihre Hand auf, aber der Vater verdächtigt ihn der Erbschleicherei, Catherine verzichtet. Olivia de Havilland, die der amerikanische Kritiker James Agee 1946 als „eine der hübschesten Schauspielerinnen seit langem“ bezeichnet hatte, spielte so linkisch und ungeschickt, dass sie sogar in der Rolle der unscheinbaren, alten Jungfer überzeugen konnte. Bereits 1948 hatte de Havilland in The Snake Pit als Insassin einer psychiatrischen Anstalt in England ihr Publikum so sehr erschüttert, dass britische Zensoren auf einem Vorspann bestanden, in dem die Fiktionalität der dargestellten Ereignisse nochmals betont wurde.

Streitbar und eigenwillig im wirklichen Leben, gewann de Havilland einen Musterprozess gegen Warner Brothers, bei denen sie ab 1935 unter Vertrag gestanden hatte, wanderte auf dem Höhepunkt ihrer Karriere erst zum Theater ab und zog 1955 sogar mit ihrem Ehemann Pierre Galante, dem Chefredakteur von Paris Match, nach Paris, wo sie bis 1978 lebte. Sporadisch spielte sie weiterhin in Filmen, damenhaft und dezent, so ist sie bis heute geblieben.

Ihre nur ein Jahr jüngere Schwester Joan Fontaine, 1917 wie Olivia in Tokyo geboren, änderte später ihren Namen nach dem zweiten Mann der Mutter, auch sie eine Schauspielerin, die kurz nach Joans Geburt von ihrem Mann geschieden worden und mit den Mädchen in die USA gegangen war. Als Teenager besuchte Joan ihren Vater in Tokyo, und als sie zurückkam, war Olivia Schauspielerin geworden; Joan trat unverzüglich in ihre Fußstapfen, der Erfolg ließ jedoch, anders als bei Olivia, auf sich warten. Sie tingelte über mehrere Bühnen, hatte immer wieder Probeaufnahmen, spielte 1937 Hauptrollen in zwei Musicals, in einem davon, Damsel in Distress, immerhin als Partnerin von Fred Astaire.

Sie war jedoch kein Kassenmagnet und fristete ihr Dasein in den späten Dreißigern in B-Pictures der Firma RKO. Angeblich soll sie sogar für die Scarlett O’Hara in Gone with the Wind gecastet worden sein; und sie dachte schon daran, ihre Karriere an den Nagel zu hängen, ehe sie eine Rolle bekam, mit der ihr 1940 endlich der Durchbruch gelang: als Laurence Oliviers unscheinbare, unterwürfige Frau in Rebecca, dem ersten ihrer beiden Hitchcock-Filme. In einem unwirtlichen, düsteren Haus lässt sie sich vom Phantom ihrer Vorgängerin terrorisieren, und auch neben Cary Grant in dem kurz darauf gedrehten Suspicion hat sie kein glücklicheres Leben, muss sie doch fürchten, von ihrem hallodrihaften Mann vergiftet zu werden. Mit dieser Rolle gewann sie den Oscar, für den sie ein Jahr vorher mit Rebecca bereits nominiert worden war.
Fontaine wollte jedoch weg vom mausgrauen Hausfrauen-Image, lehnte, ähnlich streitbar wie ihre Schwester, immer wieder Rollen ab, und überwarf sich mit ihrem Produzenten David O. Selznick.

1946 spielte sie jedoch wiederum eine Mustergattin, die sich zusammen mit ihrem Mann an die ersten Jahre ihrer Ehe zur Zeit der Großen Depression erinnert; gleich darauf verkörperte sie mehrere historische Rollen, eine davon in Max Ophüls’ nachträglich gefeierter Stefan-Zweig-Verfilmung Letter from an Unknown Woman (1948). Diese Geschichte einer Edelprostituierten, die nie von dem egozentrischen Mann, den sie liebt, überhaupt nur wiedererkannt wird, scheint ein wenig an Joan Fontaines eigene berufliche Biografie zu erinnern: Ihre Rollen sind sehr unterschiedlich, sie ließ sich nicht auf einen Typ festlegen, wie das im zeitgenössischen Hollywood üblich war, und sie konnte deswegen das an diese Strategien gewöhnte Publikum nicht dauerhaft für sich einnehmen.

Sie versuchte es in Nicholas Rays Born to Be Bad (1950) mit der sehr interessanten Rolle einer bösen, berechnenden Frau, die zwei Männer, Robert Ryan und Zachary Scott, an der Nase herumführt; 1953 war sie dann, zusammen mit ihrer Regisseurin Ida Lupino, eine von zwei Frauen des eher biederen Titelhelden in The Bigamist. Bis in die Sechziger hinein war Joan Fontaine noch ab und zu auf der Leinwand zu sehen, 1978 veröffentlichte sie ihre Memoiren.

Die beiden gar nicht einmal so ungleichen Schwestern, die privat und beruflich in ständiger Konkurrenz zueinander standen, direkt zu vergleichen, ermöglicht jetzt die Zusammenschau ihrer Filme bei der Viennale.