Candy

| Ralph Umard |

In drei Kapiteln führt dieses erschütternde Suchtporträt die zunehmende soziale, psychische und physische Verelendung eines heroinabhängigen Liebespaares in Sydney vor Augen: Auf die Wonnen des Rausches folgt der Abstieg in den Drogenalltag.

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Candy, das englische Wort für Süßigkeiten, ist auch ein Slangausdruck für Rauschdrogen. Die gleichnamige Titelfigur dieser Beziehungstragödie ist eine süße Australierin, die heroinsüchtig wird. Zunächst dient ihr die Droge zum Ausbruch aus der schnöden Alltagswelt, dem spießigen Elternhaus, zur Steigerung von Lebens- und Liebeslust, zur Inspiration bei ihrer Malerei. Mit zunehmender Abhängigkeit verliert sie alle Ambitionen. Drogenbeschaffung und Rausch bestimmen ihr Leben mit Dan, einem verträumten Junkie, der antriebsschwach in den Tag hinein lebt – bis die Heroin-Hörigkeit die große Liebe der beiden zerstört.

Das beklemmende Suchtportrait basiert auf Luke Davies’ autobiografischem Roman Candy, einige Schlüsselszenen hat der Autor einst selber als Süchtiger erlebt. Eindringlich werden die Leiden von Vater und Mutter angesichts der Suchtkrankheit ihrer über alles geliebten Tochter dargestellt. Sie werden nicht eindimensional als bornierte Kleinbürger charakterisiert; sie sind ernsthaft, wenn auch vergeblich bemüht, ihrem gefallenen Engel zu helfen. Für Oscarpreisträger Geoffrey Rush wurde die Rolle des charmanten, schwulen Chemieprofessors Casper ausgebaut, ein väterlicher Freund, der Candy und Dan in Notlagen mit Geld und selbst hergestelltem Stoff versorgt. Rush spielt den Part nonchalant mit Humor und verhaltener Melancholie.

In mancherlei Hinsicht ist Candy vergleichbar mit Darren Aronofskys erschütterndem Drogen-Horrortrip Requiem For A Dream, auch wenn die Gestaltung inhaltlich weniger vielschichtig und visuell nicht so visionär ist. Zeitlupen, Unschärfen und Bildmetaphern wie ein rotierendes Karussell machen die im Rausch verzerrte Wahrnehmung deutlich. Der graduelle Farbtonwechsel von warmen Farben zu kühlen Blautönen deutet die zunehmende Gefühlskälte der Figuren an. Beide Filme führen drastisch die zunehmende soziale, psychische und physische Verelendung der Süchtigen vor Augen, die ihren Drogenbedarf durch Beschaffungskriminalität und Prostitution finanzieren. Der Abstieg ist in Kapiteln gegliedert: Himmel, Erde, Hölle in Candy, Sommer und Winter in Requiem For A Dream. Die Gier nach dem Gift gebiert Hass-Anfälle bei den Liebespaaren in beiden Filmen. Und beide sind bestens geeignet, jungen Leuten die Lust am Experimentieren mit harten Drogen zu vergraulen. „Wenn Du damit aufhören kannst, willst Du nicht“, erklärt Casper in einer Szene: „Wenn Du willst, kannst Du nicht.“