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Ich muss dir was sagen

| Günter Pscheider |

Die berührende Langzeitbeobachtung einer Familie mit vierjährigen Zwillingen, von denen einer von Geburt an taub ist.

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Oskar und Leo sind zwei aufgeweckte vierjährige Buben, die um Spielzeug streiten und sich an den Haaren ziehen, obwohl sie meistens zusammenhalten. Kinder, die die Welt mit den unzähligen neuen Herausforderungen der Kommunikation und des menschlichen Zusammenlebens eben erst entdecken. Erschwert und gleichzeitig bereichert wird das Leben der zweieiigen Zwillinge durch den Umstand, dass Oskar taub geboren wurde, während Leo, wie seine Eltern auch, hören kann. Alle Familienmitglieder waren gezwungen, die Gebärdensprache zu erlernen, um mit Oskar emotional und intellektuell befriedigend kommunizieren zu können.

Der junge Regisseur Martin Nguyen, selbst der Gebärdensprache mächtig, schafft es durch viele ruhige, genau kadrierte Szenen des Alltagslebens und einigen Interviews der Eltern vor allem, die ambivalenten Gefühle zu vermitteln, die eine solch außergewöhnliche Situation für alle Beteiligten mit sich bringt. Die Eltern thematisieren offen ihre anfängliche Trauer und ihre Ängste, als sie bald nach der Geburt erfuhren, dass eines ihrer Kinder taub auf die Welt kam. Der Vater hat noch immer Tränen in den Augen, als er von dieser schwierigen ersten Zeit erzählt, als sie beide jeden Tag oft unvermittelt geweint haben, weil sich ihre Vorstellungen und Hoffnungen von gesunden Kindern nicht erfüllt haben. Gleichzeitig zeigen die Bilder, wie stark diese Menschen einander lieben und wie Mittel und Wege gefunden wurden, die schwierige Ausnahmesituation in einen Alltag mit hoher Lebensqualität umzuwandeln.

Der Film beginnt und endet mit der dramatischen Frage, ob Oskar jemals mit Hilfe eines Implantats hören können wird oder nicht. Aber weder diese Frage, noch die für die Familie enorm wichtige Entscheidung, einer riskanten Operation am offenen Gehirn zuzustimmen, um Oskar eventuell das Hören zu ermöglichen, stehen im Mittelpunkt dieser Langzeitbeobachtung. In einer wunderschön gefilmten langen Fahrt auf einem Krankenhausbett durch endlose Gänge zum Untersuchungszimmer steht die Mutter mit ihren im Fahrtwind wehenden Haaren an der Seite ihres Kindes, an Hand von kleinen Gesten wird ihre Verbundenheit deutlich. Die Botschaft ist „Ich liebe dich so wie du bist“, auch wenn Oskar klar zu verstehen gibt, dass er sehr gern hören würde, spürt man, er wird auch so ein erfülltes Leben haben. Ich Muss Dir Was Sagen ist ein stimmiger Film über die Stille und die Liebe, über das Normale im Außergewöhnlichen und die Magie des Alltäglichen.