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Das digitale Lichtspielhaus

| Carlo Hoffmann |

Teil 2 einer in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Serie über die digitale Revolution im Filmbereich befasst sich mit dem Vertrieb und der Projektion.

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Neben der digitalen Aufnahme ist auch die digitale Kinoprojektion ein Thema, das immer mehr öffentlich diskutiert und vermarktet wird. Hier muss jedoch sehr sorgfältig mit den Begriffen umgegangen werden: Unter D-Cinema – Digital Cinema – versteht man die digitale Distribution und Projektion von Spielfilmen durch den Einsatz hochwertiger digitaler Projektoren. Die Qualität soll dabei einer herkömmlichen 35mm-Projektion gleich kommen bzw. besser sein. E-Cinema – Electronic Cinema – hingegen meint die Präsentation alternativer Inhalte, also z. B. Kinowerbung, Live-Events, Konzerte und Firmenpräsentationen, die mittels digitalen Equipments gezeigt werden. Die Qualität der digitalen Projektion ist hier gegenüber dem D-Cinema deutlich vermindert. Die beiden Buchstaben vor dem Wort Cinema sind also wichtige Indizien für die Qualität der Vorführung. In Österreich werden im Moment 21, weltweit – laut www.dcinematoday.com – insgesamt 2236 D-Cinema-Projektoren (1658 davon alleine in den USA) mit einer 2k-Auflösung eingesetzt. Für die Zukunft kann durch 4k-Projektoren mit einem Qualitätssprung gerechnet werden, im Moment jedoch ist noch kein einziges Kino mit einem solchen Gerät ausgestattet. Dass weltweit nicht mehr Kinosäle digital ausgestattet werden, hat vor allem zwei Gründe. Erstens die enormen Kosten: Für die Umrüstung eines Kinos auf digitale Projektionstechnik muss man aktuell zwischen 120.000 und 150.000 Euro veranschlagen. Dazu kommen noch die Umschulungskosten für das Personal. Wer diese Kosten tragen soll, ist im Moment noch unklar und Gegenstand von Auseinandersetzungen. Außerdem gibt es noch zu wenig digitalen Content für das D-Cinema. Sämtliche Prozesse der digitalen Aufbereitung für das D-Cinema, der digitalen Distribution und Sicherheit sind zwar standardisiert, müssen jedoch noch in ihrer Realisierung ausgereift werden. Die übliche Vorgangsweise für die Kinofilmprojektion ist in Österreich im Moment eine Misch-Lösung. So werden die Werbung und die Trailer digital projiziert, der Hauptfilm jedoch zu einem großen Teil noch über den traditionellen 35mm-Filmprojektor abgespielt. Die großen Kinoketten wie beispielsweise Cineplexx, Hollywood Megaplex oder UCI-Kinowelt haben in Österreich teilweise ihre Säle auf einen 2k-Standard umgerüstet. Weiters sind durch die Docuzone Austria (www.docuzone.at) acht österreichische Programmkinos auf E-Cinema-Technik umgebaut worden.

Digitale Aufbereitung und Datenversand

Bevor ein Kino überhaupt digital projizieren kann, muss natürlich die „Software“ dazu hergestellt werden. In den meisten Fällen ist die digitale Postproduktion eines Films heute ohnehin Standard. Wurde auf Filmmaterial gedreht, muss dieses in entsprechender Qualität (2k oder mehr) für die digitale Nachbearbeitung eingescannt werden; schon digital aufgenommene Daten stehen gleich für die Nachbearbeitung zur Verfügung. Auf digitaler Ebene können nun die Schnitt- und Tonbearbeitung, die Farbkorrektur, der Einsatz von Effekten usw. durchgeführt werden. In welcher Bildqualität diese Schritte erfolgen, hängt von den Ressourcen der Postproduktions-Firma ab. Ist die Postproduktion abgeschlossen und der Film in seiner endgültigen Version fertig,  liegt ein so genanntes DSM (Digital Source Master) vor, die Mutterdatei, wenn man so will, von der alle Kopien für verschiedene Auswertungen, wie Kino, TV, DVD usw. gemacht werden können. Wird für den Kino-Vertrieb eine Kopie vom DSM erstellt, spricht man vom DCDM (Digital Cinema Distribution Master). Das DCDM-File enthält Informationen über die Bild-, Audio-, und Untertitel-Struktur. Bevor dieses File endgültig verschickt wird, wird es noch komprimiert, verschlüsselt, verpackt, und schließlich als DCP (Digital Cinema Package) an die jeweiligen Empfänger (z. B. Filmverleih, Kino oder Play-Out Center) versendet. Für den Versand der DCPs gibt es verschiedene Möglichkeiten: Der eigentliche Transport erfolgt entweder über ein physikalisches Medium (z. B. DVD-R oder Festplatte) oder via Datenübertragung (z. B. über Satellit oder Breitbandkabel). Die Files werden zunächst beim Filmverleih in einer Filmdatenbank gelagert. Die Urheberrechte, Nutzungsrechte sowie die Verschlüsselung für die weitere Übertragung obliegen ebenfalls dem Verleih.
Es können aber auch so genannte Play-Out-Service-Center eingesetzt werden. Diese verwalten im Namen der Verleihfirma die Masterversionen der Filmdateien und erweitern diese um Sicherheits- und Lizenzangaben. So kann eine individuelle Adressierung an die jeweiligen Kinos erfolgen. Das heißt, das Play-Out-Service-Center übernimmt neben der Verwaltung und Administration auch die Vervielfältigung und den eigentlichen Versand bzw. die Übertragung des Films an die Kinos – im Namen des Verleihs. Erfolgt der Transport zum Kino über einen Datenträger, wird, wie bisher auch, ein spezialisierter Kurierdienst dafür eingesetzt. Der Datenträger wird im Namen des Verleihs individualisiert, das heißt, die Kopien für ein Kino werden um bestimmte Informationen und Codes erweitert, die eine eingeschränkte Nutzung der Datenträger gewährleisten sollen. So kann eine automatische Sperre nach einer bestimmten Anzahl an Vorführungen eingebaut werden. Wird die Filmdatei via Satellit oder Kabel zum jeweiligen Kino gesendet, geschieht dies über einen Distributionsserver, der vom Play-Out-Service-Center bereitgestellt wird. Den Übertragungsprozess der Daten übernehmen so genannte Intermediaries. Diese sind auch für die Verschlüsselung und Kompression der Daten während des Transportes zuständig.

Eine dritte Variante in der Übertragung der Filmdatei stellt das Streaming-Verfahren dar. Dabei wird für eine Vorführung die Kopie direkt vom Server des Play-Out-Service-Centers abgespielt und im Kino gezeigt. Das Kino besitzt somit kein DCP-File auf seinem lokalen Server. Der Vorteil für die Produzenten bei dieser Variante liegt in der Verschlüsselung und im Schutz vor Piraterie. Allerdings ist das Streaming in technischer Hinsicht riskant, da für eine störungsfreie Vorführung eine perfekte Datenübertragung gewährleistet sein muss.

Behind the Scenes:
Verbände & Organisationen

Um das Qualitätsniveau des digitalen Kinobildes zu gewährleisten, arbeiten seit Jahren verschiedenste Verbände und Organisationen weltweit daran, technisch einheitliche Standards zu entwickeln. Im folgenden sollen ein paar dieser Arbeitsgruppen vorgestellt werden.

SMPTE – Society of Motion Picture Television Engineers
Im Jahr 2000 wurde die Arbeitsgruppe DC28 der SMPTE gegründet, um in acht Study Groups den Sinn und Zweck einer Standardisierung des D-Cinemas zu diskutieren und dennoch die divergierenden Inter-essen unterschiedlichster Vertreter und Organisationen zu berücksichtigen. So wird die MPAA (Motion Picture Association of America), NATO (National Association of Theatre Owners), DCI (Digital Cinema Initiatives) und der ASC (American Society of Cinematography) in die laufende Diskussion miteinbezogen. Mitte 2003 wurden die acht Arbeitsgruppen des DC28 in drei große Gruppen neu gegliedert. DC28.10 befasst sich mit dem Arbeitsprozess des DSM zum DCDM, DC28.20 ist für den sicheren und schnellen Transport der Daten zuständig, DC28.30 beschäftigt sich mit der notwendigen  Entschlüsselung der Daten, aber auch mit der sicheren Übertragung der Filmdaten
von Kinoserver zu Projektor.

MPEG (Moving Pictures Experts Group)
JPEG (Joint Photographic Experts Group)
MPEG ist eine Standardisierungsgruppe, die sich primär mit der Kodierung von Videosignalen beschäftigt. In der Vergangenheit wurden durch MPEG viele Komprimierungsverfahren entwickelt. So lag es nahe, diese Gruppierung auch mit einem neuen Bildkomprimierungsverfahren für das digitale Kino zu beauftragen. Nachdem die ersten vorgeschlagenen Verfahren von vielen Experten zurückgewiesen wurden, und sich auch neue Versuche als nicht geeignet erwiesen, wurde dieser Arbeitsprozess ohne Erfolg abgebrochen. JPEG konnte indes mit dem neuen Verfahren JPEG 2000 punkten, das, basierend auf der Wavelet-Kodierung, die gewünschte Bildqualität sicherte.

ITU – International Telecommunications Union
Für die Standardisierung des E-Cinemas hat sich vor allem die ITU mit ihren Abteilungen ITU-R (Rundfunk) und ITU-T (Telekommunikation) etabliert. Durch ihre jahrelange Erfahrung auf dem Standardisierungssektor für HDTV wurden ihre Aufgaben auf das E-Cinema ausgeweitet, die die Ad-hoc Gruppe Taskgroup 6/9 ab September 2001 übernahm.

DCI – Digital Cinema Initiative, LLC
Um eine gefestigte Position im Rahmen der SMPTE zu haben, gründeten die sieben größten Hollywood-Studios (Disney, Fox, MGM, Paramount, Sony Pictures, Universal und Warner Bros.) im März 2002 eine Joint Venture unter dem Namen Digital Cinema Initiative (DCI). „DCI’s primary purpose is to establish and document voluntary specifications for an open architecture for digital cinema that ensures a uniform and high level of technical performance, reliability and quality control. DCI will also facilitate the development of business plans and strategies to help spur deployment of digital cinema systems in movie theatres.” Im Juli 2005 wurde das erste Spezifikations-Dokument der DCI vorgestellt, das seither immer wieder aktualisiert und verbessert wird. Spezielle Anforderungen für das digitale Kino wurden damit festgelegt. So werden Themen wie File-Format, Farbraum, Auflösung, Verschlüsselung, Kompression, usw. behandelt. Es handelt sich hierbei allerdings nicht so sehr um Standards, die vorgeschrieben werden, sondern eher um Empfehlungen.

EDCF – European Digital Cinema Forum
Das EDCF wurde 2001 in Stockholm gegründet. Interessens- und Arbeitsgruppierungen aus Schweden, England und Frankreich schafften es, ein Netzwerk zwischen Telekom-Netzbetreibern und der Geräte-industrie zu generieren, um im Bereich D- und E-Cinema tätig zu werden. Ziel der European Digital Cinema Forum ist es, zusammen mit anderen Institutionen einen weltweiten D- und E-Cinema
Standard voranzutreiben und zu etablieren, bei der Umsetzung der D-Cinema Einrichtung unterstützend tätig zu sein – beispielsweise wurde von der EDCF das Dokument „Early Adopters Guide“ herausgegeben, das alle notwendigen Informationen für Kinobesitzer bezüglich einer vorzeitigen digitalen Umstellung beinhaltet und relevante Forschungs- und Entwicklungsergebnisse auf dem Gebiet des D- und E-Cinemas für europäische Projekte zusammenträgt und koordiniert.

CinemaNet Europe – Docuzone Austria
Ausgangspunkt von CinemaNet Europe war das holländische Projekt Docuzone, das 2002 von Kees Ryninks vom Nederlands Fonds voor de Film gegründet wurde. Dadurch konnten Programmkinos mit Dokumentarfilmen auf DVD bespielt werden. Seit 2004 versucht Ryninks mit seinem neuen Partner, Björn Koll von der Salzgeber & Co. Medien GmbH, dieses Projekt in größerem Stil zu verwirklichen. Cinemanet Europe realisiert in acht europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, England, Spanien, Holland, Schottland, Frankreich und Slowakei) ein Netzwerk digitaler Kinos, die mittels einheitlicher Serverstruktur von zentraler Stelle per Satellit mit Filmdaten versorgt werden. Die Kinos werden mit digitalen Systemen ausgerüstet, bestehend aus Projektor, Server mit entsprechender IT-Struktur und Satellitenempfangsanlage. Österreichischer Partner von CinemaNet Europe ist Docuzone Austria. So wurde es möglich, acht Programmkinos mit E-Cinema-Technik auszustatten: Top-Kino (Wien), Filmgalerie (Krems), Elmo-Kino (Salzburg), Spielboden (Dornbirn), Schubert-Kino (Graz), Rechbauer-Kino (Graz), Lichtspieltheater (Lambach), Stadtkino (Eisenstadt).