Jocelyn Saab schuf eine Hymne an das weibliche Begehren und die arabische Liebespoesie.

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Kairo in der Gegenwart: Dunia will in die Fußstapfen ihrer Mutter, einer berühmten Bauchtänzerin, treten und über die Erotik in der arabischen Literatur dissertierten. Ihr Mentor Beshir fordert sie auf sensible Weise heraus, zwischen den beiden entwickelt sich eine zärtliche Beziehung, während Dunias Verlobter auf rasche Heirat drängt. Die harte Arbeit am verführerischen Tanz, der Sog sinnlicher Literatur und das Kräftemessen zwischen patriarchaler Inbesitznahme und weiblicher Selbstbestimmung, das Dunia in der Beziehung zu ihrem Verlobten erfährt, sind äußerst reizvolle Gegenüberstellungen. Zensur und weibliche Genitalverstümmlung bilden den gesellschaftspolitischen Hintergrund. Zwar wirkt der Film aus europäischer Perspektive in seinem kritischen Realismus unentschlossener als in der Lust, weibliches Begehren schön auf die Leinwand zu bringen. Doch in Ägypten provozierte Dunia heftige Kontroversen, ein Kritiker forderte gar den Tod von Jocelyn Saab wegen „Besudelung der ägyptischen Reputation“.

Von Beginn an war die Produktion von Widerständen gekennzeichnet: Ein ursprünglich geplanter Dokumentarfilm, basierend auf einer von Saab durchgeführten Studie über die Sexualität ägyptischer Jugendlicher, scheiterte an der Verweigerung der potentiellen Protagonistinnen. Erst als Saab die arabische Literatur als Erbe von Freiheit und Liebe, Leben und Tod entdeckte – „Lust ist ein kleiner Tod“ stammt aus einem arabischen Gedicht des 14. Jahrhunderts –, verdichtete sie ihre Erkenntnisse aus jener Studie zum Drehbuch für Dunia. Saab erkämpfte sich eine Drehgenehmigung in Kairo, konnte zwei Stars des ägyptischen Kinos trotz deren Bedenken engagieren, das Projekt könne ihre Reputation gefährden, meisterte auch Finanzierungsprobleme nach dem Rückzug arabischer Geldgeber.

Jocelyn Saab, seit dreißig Jahren eine zentrale Regisseurin des arabischsprachigen Kinos, wuchs im „Dolce Vita“-Beirut der 1950er Jahre auf, studierte in Paris, war als Kriegsreporterin eine der ersten Regisseurinnen, die den Bürgerkrieg in Beirut in TV-Dokumentationen festhielt. 1981 wirkte sie als Assistentin an Schlöndorffs Die Fälschung mit, zu ihren bekanntesten Werken als Regisseurin zählen die Spielfilme Une vie suspendue (1984) und Il était une fois … Beyrouth (1994). Nach der intensiven Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg in Beirut markiert Dunia eine thematische Konzentration auf das Leben der Frauen im arabischen Kulturkreis.