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„Frat Pack“-Komödien – Bubenspiele

Bubenspiele

| Joachim Schätz |

Die juvenilen Komödien des „Frat Pack“ um Ben Stiller, Owen Wilson und Will Ferrell sind eines der wenigen ökonomischen Erfolgsrezepte Hollywoods im neuen Jahrtausend. Ein Zwischenstand.

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Es ist vermutlich der auffälligste Fall von Networking in der jüngeren Geschichte des kommerziellen Kinos: Rund um das Zentralgestirn Ben Stiller hat sich in den letzten Jahren ein loses Ensemble von Komikern angesammelt, das in wechselnden Konstellationen die Leinwände und DVD-Rekorder mit locker gestricktem Nonsense-Humor bespielt. Neben dem dynamischen Nervenbündel Stiller und dem weggetretenen Schwerenöter Owen Wilson gehört zur Buberlpartie inzwischen das sarkastisch plappernde Babygesicht Vince Vaughn, das entfesselte Mannskind Will Ferrell und Owens Bruder Luke Wilson, Schoßhündchen und undankbar besetzter straight guy der „Frat Pack“ genannten Gruppe. (Langweiligere Rollen kriegen in ihren Filmen meist nur noch Frauen.)

Hierzulande ist in cinephilen Kreisen wohl Wes Andersons sublime Familientragikomödie The Royal Tenenbaums (2001, mit Stiller und den Wilsons) der bekannteste Film des Kinokomiker-Netzwerks. Andersons Œuvre ist dabei eine wesentliche Keimzelle des Geflechts (immerhin hat er die Wilson-Brüder für den Film „entdeckt“) und zugleich eine Anomalie darin: Das Gros der Frat Pack-Arbeiten sind nicht elaborierte ästhetische Konstrukte, sondern maßgeschneiderte Starvehikel, gedreht von Handwerkern wie Todd Phillips (Old School, 2003; Starsky & Hutch, 2004) oder David Dobkin (Wedding Crashers, 2005): unebene, bisweilen räudige Gebrauchsfilme, die sich und ihren Stars allerhand Spielraum für produktiven Unfug einräumen.

Oberflächenreize

„Frat Pack“: Diese inoffizielle Bezeichnung der gut eingespielten Komiker-Clique – in Anlehnung an das „Rat Pack“ um Dean Martin und Frank Sinatra oder das „Brat Pack“ der Achtziger um Emilio Estevez und Rob Lowe – ist Programm. Fraternities oder kurz frats, US-amerikanische Männer-Studentenverbin-dungen, sind der populärkulturelle Inbegriff dauerpubertärer Lausbubenmentalität – der Stoff, aus dem Frat Pack-Vehikel gesponnen sind: In Wedding Crashers schleichen sich zwei ewige Junggesellen (Vaughn und Owen Wilson) gewohnheitsmäßig auf Hochzeiten ein, weil Singlefrauen dort romantisch eingestimmt und also leichter rumzukriegen sind. Starsky & Hutch, der parodistische Aufguss der gleichnamigen 70er-Kultserie, führt in eine schöne, alte Retro-Welt der schnittigen Sportwagen und willigen Cheerleader – Männerspielzeug in rauen Mengen. Und in Old School, dem wohl krudesten aller Frat Pack-Schwänke, ziehen drei beziehungsfrustrierte Mittdreißiger (Ferrell, Vaughn, Luke Wilson) tatsächlich an den Campus zurück und gründen eine eigene Studentenverbindung, um sich fürderhin mit Gleitmittel-Ringkämpfen und Genital-Mutproben die Zeit zu vertreiben.

Trotz Spaß am unreifen Verhalten liegt der komödiantische Reiz der Frat Pack-Filme allerdings nur sehr bedingt im regressiven Ausagieren von Körperfunktionen nach dem Muster jüngerer Ekelkomödien wie American Pie oder Dumb and Dumber. (Was allerdings nicht ausschließt, dass in einem Film wie Dodgeball: A True Underdog Story (2004) schon mal Erbrochenes geschluckt und das Urintrinken propagiert wird.) Stattdessen dominiert meist eine Unsinns-Komik in der Tradition des Zucker-Abrahams-Zucker-Teams (Hot Shots!, 1991), die sich parodistisch an ohnehin ziemlich durchschaubaren Genres und Bildkulturen abarbeitet: an den Hochglanzbildern des Fashion-Zirkus und den Klischee-Stakkatos von MTV in Zoolander (2001, Regie: Ben Stiller), am Pathos der Sportkomödie und dem Körperfaschismus von Fitness-Videos in Dodgeball (mit Vaughn und Stiller), an Moden, Geschlechterbildern und Fernsehsendungen der Siebziger in Starsky & Hutch und Anchorman: The Legend of Ron Burgundy (2004, mit Ferrell, Vaughn, Stiller und Luke Wilson). Man muss nicht Karl Kraus sein, um aus diesen Bilderwelten das Lächerliche herauszukitzeln. Und dementsprechend geht es in den Frat-Pack-Filmen weniger um scharfsinnige satirische Analyse als um ein assoziatives Gleiten über vertraute Oberflächen der Medienwelt: halb nostalgische Nachahmung, halb pointierte Überspitzung.

Was diese Parodien für gewöhnlich vor der Wickie, Slime & Paiper-Ironiehölle rettet, sind gerade jene wunderbaren Augenblicke, in denen sie das verschmitzte Besserwisser-Grinsen ablegen und sich aufrichtig dem atemberaubenden Blödsinn der (visuellen und charakterlichen) Oberflächen überlassen: Etwa die Videoclips, mit denen sich in Zoolander die beiden konkurrierenden Supermodels Derek Zoolander (Stiller) und Hansel (Owen Wilson) bei den VH1-Fashion Awards präsentieren: ein Wirbelwind aus absurden Posen und verlogener Bescheidenheit. Oder jener zärtliche Moment, wenn das Nachrichtenteam aus Anchorman, dämliche Chauvinisten vom Scheitel bis zur Sohle, bei einem Gespräch über die Natur der Liebe plötzlich in eine A-Capella-Darbietung des anzüglichen Kuschelrock-Ohrwurms Afternoon Delight ausbricht. Oder jede einzelne Sekunde im sonst eher milde amüsanten Dahinplätschern von Dodgeball, die Ben Stiller mit seiner furchtlosen, hinreißenden Darstellung des unfassbar selbsteingenommenen Fitness-Halbgottes White Goodman aufmischt.

Schmähs bis in die letzte Ritze

Eine Prognose in der New Yorker Village Voice, wonach im Jahre 2008 bereits ein Viertel aller Hollywoodkomödien von Stiller und Co. bestritten würde, war wohl nicht ganz ernst gemeint, aber die Tendenz stimmt. Nach einem knappen Dutzend Gemeinschaftsarbeiten expandiert das Frat Pack-Unternehmen inzwischen weit über die Grenzen der derben broad comedy hinaus: A Night at the Museum (2006) mit Stiller und Owen Wilson ist der erste Frat Pack-Familienblockbuster, und Marc Forsters Komödie Stranger Than Fiction (2006; Rezension siehe Seite 68) macht mit Will Ferrell nun ausgerechnet den deftigsten, klamaukigsten aller Fratsters zum Helden einer selbstreflexiven Meta-Komödie nach dem Charlie Kaufman-Strickmuster (Being john Malkovich).

Die gemeinsamen Arbeiten des Frat Pack-Zirkels bilden weniger einen abgeschlossenen Korpus als einen dicht verlinkten Knotenpunkt im Zentrum des aktuellen Komödien-Mainstreams: Einzelne Verzweigungen führen direkt zu anderen Comedy-Zyklen wie dem Ben Stiller-Demütigungs-Lustspiel (Meet the Parents, Duplex) oder der Will Ferrell-Mannskind-Klamotte (Elf, Talladega Nights). Und rund um den engsten Kreis der Stars ließe sich ein erweitertes Frat Pack-Ensemble (semi-)prominenter NebendarstellerInnen wie Jack Black, Steve Carell oder Christine Taylor aufstellen: ein kleines Kompendium der gegenwärtigen Studiokomödie.

Letztendlich sind die Frat-Pack-Spielfilme für ihre Stars wenig mehr als Durchgangspunkte in einem multimedialen Ganzen: Die relativ fixen Rollenbilder von Stiller, Vaughn etc. existieren und funktionieren auch abseits der eigenen Leinwand-Vehikel – in einer unüberschaubaren Menge an Gastauftritten in TV-Shows oder Filmen von Kollegen. Das strohdumme männliche Supermodel Derek Zoolander beispielsweise, Held des gleichnamigen Langspielfilms, wurde von Ben Stiller bereits 1996 und 1997 für zwei Sketches bei den VH1-Fashion Awards entwickelt, und auch die zahlreichen Promotion-Clips für den Film bestanden zum Großteil aus eigens gedrehten Comedy-Miniaturen.

So neu ist das freilich nicht: Spätestens seit Charlie Chaplin und Buster Keaton führen feststehende komödiantische Rollentypen des Kinos ein popkulturelles Eigenleben jenseits einzelner Filme. Aber der Eifer, mit dem Stiller und Konsorten jede Ritze im gegenwärtigen Medienverbund bespielen, ist tatsächlich ein Novum. Kaum jemand im kommerziellen Film hat beispielsweise die DVD und ihre Weiterverwertungs-Konventionen so gründlich genutzt wie das Frat Pack: Aus den nicht verwendeten Szenen und Subplots von Anchorman wurde für die DVD-Special Edition ein eigener, mehr oder minder kohärenter 93-minütiger Zwillingsfilm (Wake Up, Ron Burgundy: The Lost Movie) zusammengestellt. Selbst Standard-Features wie die „Hinter den Kulissen“-Doku und der Audio-kommentar werden regelmäßig zur Bühne komödiantischer Improvisation und Genreparodie: Für den flexibilisierten Filmkomiker von heute hört die Arbeit nie auf.

Pubertät als Produktivkraft

Dass mit Owen Wilson, Vaughn oder Ferrell ausgerechnet
einige der faulsten Säcke und unreifsten Kindsköpfe der gegenwärtigen Kinokomödie zu diesem emsigen Netzwerk gehören, mag auf den ersten Blick erstaunen. Aber genau das ist die Pointe am Zusammenspiel von Ben Stiller und Owen Wilson: Dass dem lässigen Neo-Hippie Wilson, der es mit den Regeln nicht so genau nimmt, alles viel müheloser von der Hand geht als dem nervösen Musterarbeiter Stiller, der sich mit seinem Übereifer eine Blamage nach der anderen einhandelt. Ob unter Models oder Polizisten – diese Filme handeln von der Überlegenheit flexibilisierter, entregelter Arbeit gegenüber sturem Dienst nach Vorschrift: Postfordismus zum Mitlachen.

Es ist leicht, sich vorzustellen, wie ein Film namens Wedding Crashers als Jim Carrey-Vehikel der Neunziger ausgesehen hätte: Carreys aggressives Riesenkind und ein dementer Sidekick geraten durch ein Missverständnis auf eine Luxushochzeit, urinieren in die Champagnerflaschen, schlagen ein Blumenmädchen bewusstlos und hinterlassen ein brennendes Trümmerfeld. Die Komik in der Wilson/Vaughn-Fassung dagegen besteht gerade darin, dass die beiden ewigen Teenager auf Frauenjagd die liebenswertesten, perfekten Hochzeitsgäste abgeben: Eben weil sie hormongesteuerte Lausbuben ohne Verantwortungsgefühl sind, können sie sich geschmeidig und wortflink in jedes soziale Gefüge eingliedern.

Die Pubertät in Permanenz, die das Frat Pack so verführerisch vorlebt, ist nicht mehr bloß zerstörerisch und subversiv, sondern im Gegenteil eine Produktivkraft, die es zu nutzen gilt. Und Owen Wilson ist – wie seine Nebenrolle in Meet the Parents nahe legt – der Slacker als idealer Schwiegersohn und Anlageberater. Am Ende der „Underdog-Story“ Dodgeball haben die defizienten Loser nicht nur ein Völkerball-Turnier gewonnen, sondern auch White Goodmans Fitnesskonzern übernommen. Was mit jenen Underdogs geschehen soll, deren Spleens sich nicht so ohne weiteres zu Geld machen lassen, darüber erfährt man freilich auch hier nichts.