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Rule of Law – Justiz im Kosovo

| Sebastian Hofer |

Die österreichische Richterin Claudia Fenz soll für die UNO im Kosovo Recht sprechen. Und stößt dabei auf ein System, das nicht nur ihr zu denken gibt.

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Eigentlich ist es ja ganz einfach: Wer das Recht bricht, wird von unabhängigen Gerichten dafür bestraft. Schwieriger wird es, wenn unabhängige Gerichte erst um ihre Anerkennung ringen müssen und dabei nicht einmal die Frage, was „Recht“ denn eigentlich ist, immer unumstritten bleibt. Das muss Claudia Fenz schnell einsehen, als sie ihre Stelle als UNO-Richterin im Kosovo antritt. Ein halbes Jahr lang begleitete Susanne Brandstätter die österreichische Richterin bei ihren Bemühungen, unter prekärsten Umständen den eigenen Standards treu zu bleiben (was ihr, nur nebenbei, auf eindrucksvolle Weise auch gelingt). Im Zentrum steht dabei ein haarsträubender Fall: Während der antiserbischen Unruhen vom März 2004 ermordete ein aufgebrachter Mob zwei Serben, eine 70-jährige Frau und ihren 50-jährigen Sohn. Ermordete sie, in dem man die beiden so lange mit Ziegelsteinen bewarf, bis sie nicht mehr atmeten. Ein barbarischer Vorfall, „mittelalterlich“ nennt ihn Fenz, der noch unvorstellbarer wird, wenn man sieht, wo er sich zugetragen hat: Nicht in einer barbarischen, mittelalterlichen Mel-Gibson-Szenerie, sondern einer völlig normalen, modernen Straße, wie sie auch in Wien, Salzburg oder Attnang-Puchheim liegen könnte.

In dem Prozess, der sich über fünf Monate zieht, aber auch auf ihren Reisen durch die Region, hat Fenz nicht allein mit dem wild wuchernden Hass zu kämpfen, der die Region spaltet, sondern auch mit einem viel grundlegenderen Problem: Wie kann Gerechtigkeit gewährleistet werden, wenn die Grundlagen allen Rechts, nämlich Objektivität und eine neutrale Position, nicht zu haben sind? Wenn alles immer auch eine zweite Seite hat, die für sich den alleinigen Anspruch auf Allgemeingültigkeit stellt? Im Grunde bleibt die Kamera der einzig unverstrickte Teilnehmer in diesem zunehmend absurden Prozess, und Brandstätter ist klug genug, sich als Filmemacherin so weit zurückzunehmen, dass dieser Umstand voll zur Geltung kommt. So wird, zumindest im Film, aus dem Verfahren gegen die albanischen Steinewerfer auch eine Verhandlung über das Recht selbst. Mit Ergebnissen, die keineswegs so eindeutig sind, wie wir das gerne hätten, spätestens als klar wird, dass die ausgefeilte europäische Justiz auch von vermeintlichen Hinterwäldlern noch einiges lernen kann (etwa wenn es darum geht, Verbrechen nicht bloß zu bestrafen, sondern auch ihre Ursache zu beseitigen). Das gibt zu denken.