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EU XXL Film – Transferieren in Krems

Transferieren in Krems

| Andreas Ungerböck |

Dieser Tage findet in Krems „EU XXL film“ statt – mit Round Tables, Diskussionen und einer Filmschau. Mercedes Echerer, Mastermind der Veranstaltung und offensive Proponentin einer europäischen Vernetzung, im Gespräch.

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Mercedes Echerer eine aktive Person zu nennen, wäre eine glatte Untertreibung. In diesen Tagen, die dem Festival vorangehen und daher entsprechend mit Arbeit erfüllt sind, scheint sie geradezu elektrisiert von der eigenen Veranstaltung, die sie seit nunmehr acht Monaten mit ihrem Team vorbereitet. Die charismatische Schauspielerin, die von 1999 bis 2004 für die Grünen im Europäischen Parlament saß, ohne der Partei je anzugehören, ließ sich auch vom – vorsichtig formuliert – mäßigen Erfolg der Filmschau EU XXL im Jahr 2005 nicht entmutigen. Sie setzt diesmal (noch) mehr als bei der letzten Veranstaltung auf die Vermittlung und die breite Diskussion der brennenden Fragen, die das europäische Filmschaffen beschäftigen – oder, besser gesagt, dringend beschäftigen sollten. EU XXL 07 („eine unabhängige Initiative im Interesse der europäischen Kreativen“) besteht also aus drei Elementen, Forum – Dialog – Filmschau, die zwar unabhängig voneinander existieren können, aber thematisch und inhaltlich eng miteinander verwoben sind.

Information ist alles

Ausgangspunkt von Echerers Überlegungen ist die Tatsache, dass der europäische Film, trotz aller Förderungen und aller gut gemeinten Initiativen, die in den letzten Jahren entstanden sind, in kommerzieller Hinsicht weit hinter seine Blütezeit der 60er und 70er Jahre zurückgefallen ist: „Wir produzieren pro Jahr 700 Filme, die Amerikaner nur 350, und trotzdem haben die mehr als 70% Marktanteil auf dem Weltmarkt; den Rest teilen wir uns mit den Asiaten“, spitzt Echerer die Problematik zu. Und sie glaubt, eine der Hauptursachen ausgemacht zu haben, eben jene, der sie mit EU XXL konsequent zu Leibe rücken will: „Es gibt unter den Kreativen noch immer zu wenig Austausch, zu wenig Kommunikation und zu wenig Wissen.“ Das Zauberwort heißt demnach auch „Wissenstransfer“, und es fällt öfter im Laufe dieses Gesprächs.

Österreich ist in Sachen Informationsdefizite keine Ausnahme, wobei Mercedes Echerer die Produzenten ausdrücklich in Schutz nimmt: „Da passiert sehr viel, die Produzenten sind sehr rührig. Bei anderen Berufsverbänden würde ich mir etwas mehr Interesse wünschen“, sagt sie und sieht die Veranstaltung in Krems als neuerliches Angebot an die Branche, die Wichtigkeit der europäischen Vernetzung zu erkennen und voranzutreiben: „Man kann von Künstlern nicht unbedingt verlangen, dass sie Gesetzestexte lesen und verstehen, genausowenig, wie ein Europarechtsexperte Opern singen können muss; aber man kann den Willen erwarten, sich zu informieren, vor allem mit Hilfe der eigenen Berufsvertretungen, die ja dazu da sind, ihre Mitglieder zu unterstützen. Denn Künstler können, wenn sie informiert sind und wenn sie sich zusammenschließen, die Politik sehr wohl beeinflussen. Das beweist ein Brief mehrerer europäischer Filmemacher, darunter die Brüder Dardenne, Bertrand Tavernier und Pedro Almodóvar, an das EU-Parlament. Da herrschte gleich helle Aufregung, und der Brief wurde sehr rasch auf die Agenda gesetzt.“

Im Forum (vom 26. bis 28. Februar, sozusagen die „Expertentagung“ von EU XXL) wird es genau um diese Fragen gehen, und eine große Anzahl europäischer Dachorganisationen (von FERA, der europäischen Föderation der Filmemacher, bis hin zu Imago, dem Dachverband der Kameraleute) werden dort vertreten sein. Echerer freut sich zudem über hochrangige Keynote Speakers: „Philippe Kern von KEA, einer Agentur, die im Auftrag der Europäischen Kommission und des Parlaments immer wieder aufschlussreiche Studien erstellt, wie etwa zum Digital Rights Management, eine der Kernfragen der nahen Zukunft; Peter Buckingham vom British Film Council, der ein völlig neues, spannendes Distributionsmodell für europäische Filme vorstellt; Cay Wesnigk von onlinefilm.org, der Dokumentarfilme erfolgreich übers Internet vertreibt; und Javier Vaca von der spanischen Initiative Egeda digital, die ein tolles Modell gefunden hat, aktuelle, aber auch ältere spanische Filme zu katalogisieren, die Rechte zu klären, was bekanntlich keine Kleinigkeit ist, die Filme zu digitalisieren, und unter die Leute zu bringen – mit großem Erfolg und ohne darauf zu warten, ob das vielleicht irgendjemand irgendwann fördert oder auch nicht.“

Tango tanzen in Norwegen

Die Expertentagung in Krems soll – nach ausführlichen Debatten gerade über die vielfältigen rechtlichen Fragen (darunter die Leistungsschutzrechte von Autoren, Schauspielern und anderen Kreativen) – letztendlich eine Resolution ausarbeiten, die an die Ratspräsidentschaft, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament übergeben wird. EU XXL wird zudem eine Möglichkeit bieten, die europäische Fernsehrichtlinie zu diskutieren, die dieser Tage beschlossen wird. „Der Umgang zwischen Fernsehen und Film, das ist ein weiteres brennendes Thema: Wie kann man die TV-Anstalten dazu bringen, sich aufs Senden von europäischen Filmen zu konzentrieren, und nicht bloß darauf, Rechte zu horten, die dem Produzenten dann bitter fehlen, z. B. in der Zweitverwertung eines Films? In Frankreich etwa wird ein neues Modell diskutiert, wonach nur Filme gefördert werden, die – wenn auch in ferner Zukunft – eine Zusage für eine TV-Ausstrahlung nachweisen können.“ Und: „Es werde immer klarer, dass Investement in europäische Filme sich auch wirtschaftlich rechnen muss, nur das Warten auf eine öffentliche Förderung ist in Zukunft bestimmt zu wenig.“

Die zweite Säule von EU XXL nennt sich Dialog und ist, im Unterschied zum Forum, öffentlich und kostenlos für alle Interessierten zugänglich. Man hat diesen Bereich in drei einzelne Tage (von 1. bis 3. März) gegliedert, die jeweils ein Kernthema haben: Fernsehen, Dokumentarfilm und – unter dem Titel „Faces for Europe“ – die Situation der Schauspieler in den verschiedenen europäischen Ländern. Auch an diesen drei Tagen stehen das Kennenlernen, der Austausch von Informationen und das Miteinander-Reden im Vordergrund. Dass die Schauspieler der Schauspielerin Mercedes Echerer besonders am Herzen liegen, ist nachvollziehbar. „Sie sind so wichtig für die europäische Filmproduktion“, sagt sie, „und es ist für sie wichtig, dass sie in Europa eine Chance bekommen, auch außerhalb ihrer Landesgrenzen.“ Genau deshalb wird in Krems e-talenta vorgestellt, eine zentrale europäische Datenbank, in die sich jede Schauspielerin und jeder Schauspieler selbst einbringen kann, ob mit Agentur oder ohne – mit seinen speziellen Fähigkeiten und (Sprach-)Kenntnissen. „Angenommen, ein norwegischer Regisseur sucht für einen Film eine slowenische Immigrantin unter 30, die Tango tanzen kann – hier wird er fündig.“ Die nationalen Schauspielerverbände kommen alle nach Krems, „und man kann schauen, wie geht es den Schauspielern, in Litauen zum Beispiel. Kann man dort überleben als Filmschauspieler, oder muss man nebenbei am Theater arbeiten, bzw. wie groß ist überhaupt die Filmproduktion dort?“ Wissenstransfer eben.

Wurde bei EU XXL 2005 die beste europäische Koproduktion ausgezeichnet (Hostage von Constantine Giannaris, Griechenland/Türkei), so werden diesmal zwei Schauspieler mit einem Preis bedacht, die auch außerhalb ihres eigenen Landes reüssiert haben: der Däne Nicolas Bro (ihm zu Ehren läuft der Film Dark Horse des isländischen Regisseurs Dagur Kári) und die serbische Schauspielerin Mirjana Karanovic, die Hauptdarstellerin aus Grbavica, die in Krems in Das Fräulein von Andrea Štraka zu sehen ist. Als Eröffnungsfilm der kleinen Filmschau ist Tony Gatlifs Transylvania zu sehen – 2006 immerhin der offizielle Abschlussfilm beim Filmfestival in Cannes. „Nicht nur ist das ein europäischer Film, wie er im Buche steht, sondern auch eine Hommage an das neue EU-Land Rumänien.“ Ein Tribute ist dem österreichischen Dokumentarfilmer und Kameramann Joerg Th. Burger gewidmet.