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„Jeder hat doch manchmal dieses Bäh-Gefühl” – Kerry Washington im Gespräch

„Jeder hat doch manchmal dieses Bäh-Gefühl" – Kerry Washington im Gespräch

| Thomas Abeltshauser |

Kerry Washington wurde 1977 in der Bronx, New York, geboren. Sie studierte Theater an der George Washington University und war zunächst vor allem im Fernsehen zu sehen. In Our Song (2000) von Jim McKay spielte sie ihre erste Film-Hauptrolle. Sie wurde schnell zu einer gefragten Darstellerin, unter anderem in Joel Schumachers Bad Company, in Robert Bentons Philip-Roth-Verfilmung The Human Stain und in Spike Lees She Hate Me. Der Durchbruch gelang ihr an der Seite von Jamie Foxx in der Musiker-Biografie Ray. Zuletzt war sie im großartigen Idi-Amin-Film The Last King of Scotland zu sehen, im Sommer startet der zweite Teil der Fantastic-Four-Verfilmungen, The Rise of the Silver Surfer. Ein Gespräch mit Kerry Washington beim Filmfestival in Cannes.

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Sie sind demnächst in der Fortsetzung der Fantastic Four zu sehen. Welche Richtung nimmt das Sequel?
Diesmal geht es um den Silver Surfer, was alle Comicfans freuen wird, weil er eine der klassischen Comicfiguren ist. Daneben lernen wir mehr und mehr das Leben und den Alltag der Fantastic Four kennen. Im ersten Teil ging es ja vor allem darum, wie sie zu Superhelden wurden, diesmal mehr um die Herausforderung, ein Superheld zu sein. Und natürlich lernen wir auch Alicia Masters besser kennen, die blinde Künstlerin, die ich darstelle. Ich spiele eine etwas größere Rolle als im ersten Teil.

Beim ersten Teil gab es Vorbehalte von einigen Comicfans, weil Alicia ursprünglich eine blonde, blauäugige Frau war. Hat Sie diese Reaktion überrascht?
Ich fand es toll, dass das Studio gewillt war, ein solches Risiko einzugehen. Das Aussehen der Figur hatte ja viel mit der Zeit zu tun, in der der Comic erschien. Damals wurde die menschliche und kulturelle Vielfalt noch nicht so gefeiert, wie wir es heute tun. Und ich fand es wichtig und richtig, dem Comic ein Update zu verpassen und ihn an die heutige Gesellschaft anzugleichen. Mich begeistert besonders, dass Alicia in den neuen Comics, die jetzt erscheinen, Afroamerikanerin ist. Es macht mich stolz, damit einen Einfluss auf junge Leute zu haben und sie zu toleranterem Denken zu bewegen.

Aber handelten Superheldencomics nicht immer von Outsidern und Leuten, die anders waren? Offensichtlich durfte nur die Hautfarbe nie ein Thema sein.
Deshalb waren Comics ja so wichtig, weil sie zu einer Zeit, in der man in den USA und auch in weiten Teilen der restlichen Welt Vielfalt nicht in Bezug auf die ethnische Herkunft feiern durfte, diese Vielfalt einfach auf die Superkräfte der Helden bezogen haben und das Anderssein auf fantastische Art dargestellt haben. Und mittlerweile sind die Kids, die damals diese Comics gelesen haben, erwachsene Menschen, für die es völlig okay ist, anders zu sein. Sie haben die Metapher mit den Superkräften verstanden und auf alles Mögliche in ihrem eigenen Leben und ihrem Umfeld übertragen: auf Religion, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung …

Auch Hollywood hat sich in den letzten Jahren geöffnet, was schwarze Schauspieler betrifft. Jamie Foxx und Halle Berry haben Oscars gewonnen. Bemerken Sie den Wandel auch persönlich?
Für mich ist es schwierig, diese Frage zu beantworten, weil ich noch nicht so lange im Geschäft bin, aber ich habe schon den Eindruck, dass es sich zum Besseren entwickelt. Wir sind immer noch weit davon entfernt, dass das Kino unser Dasein in dieser Welt in all seiner Fülle und Größe widerspiegelt, aber wir sind auf einem guten Weg. Sehen Sie sich ein Festival wie hier in Cannes an, auf dem man cineastische Eindrücke aus unzähligen Ländern erhält und Filmemachern und Schauspielern aus der ganzen Welt begegnet. Ich finde das wichtig. Für uns in den USA ist Film der größte Exportschlager, aber wir sollten nicht vergessen, dass das Kino uns alle repräsentiert.

Auf eine Art scheinen auch Ihre Filme unzählige Facetten Ihrer schauspielerischen Persönlichkeit zu repräsentieren. Sie sind in sehr unterschiedlichen Filmen zu sehen: politisches Kino wie Last King of Scotland, das Biopic Ray, aber auch anspruchslose Komödien wie Little Man oder eben Fantastic Four. Wonach suchen Sie Ihre Rollen aus?
Das Wichtigste ist das Skript. Ich muss es gern lesen, und es muss mich fesseln. Und ich wähle Projekte aus, die mich wachsen lassen, an denen ich reife, als Mensch und als Künstler. Es muss mich auch herausfordern.

Was ist der größte Unterschied zwischen Independent-Filmen wie Last King of Scotland und einem Blockbuster wie
Fantastic Four?
Beide erfordern unglaubliche Konzentration, aber aus unterschiedlichen Gründen. Bei Last King ist die dramatische und psychologische Entwicklung sehr wichtig, und man muss sich sehr gut vorbereiten und darauf konzentrieren. Bei Fantastic Four muss man eben in erster Linie auf technische Dinge wie Helikopter und Windmaschinen achten. Du versuchst, deine Szene zu spielen und dauernd schreit dich jemand an: „Duck dich! Lauf los! Spring!“ Ich mag diese Abwechslung.

Müssen Sie sich auch physisch auf diese Rollen vorbereiten?
Am meisten bei Mr and Mrs Smith, weil ich dort viele Stunts machen musste. Hier spiele ich ein blindes Mädchen, da muss ich nicht so viel trainieren.

Hat Ihnen eigentlich Jamie Foxx dabei geholfen?
Sehr. Als wir Ray drehten, trug er meistens eine Prothese über den Augen. Er konnte also tatsächlich nichts sehen. Er meinte, ich sollte mit einer Augenbinde trainieren, weil man nur so herausfindet, wo man überall anstoßen kann, wenn man das erste Mal einen Raum betritt.

Wenn Sie selbst eine Superheldin wären, welche Kraft würden Sie gern besitzen?
Die Kraft, mich selbst zu lieben.

Gibt es denn Momente, in denen Sie sich selbst nicht mögen?
Klar, jeder hat doch manchmal dieses Bäh-Gefühl, wenn man sich einfach nicht mag.

Was tun Sie dagegen?
Ich habe einen sehr guten Therapeuten. Und du musst dir immer wieder in Erinnerung rufen, dass du als Mensch im Grunde perfekt bist. Wir sind perfekt geboren, aber wir verlieren uns immer wieder in der falschen Annahme, dass wir es nicht wären. Doch wir sind gut genug, wir müssen uns das nur immer wieder klar machen. Und manchmal brauche ich auch einfach bloß ein Nickerchen.

Was ist Ihre Definition von Schönheit?
Schönheit kann nicht definiert werden, weil Schönheit etwas Persönliches ist. Ich denke, es hat vor allem damit zu tun, geliebt zu werden und selbst zu lieben. Wenn wir uns gut fühlen, sehen wir auch gut aus. Und dann sehen wir auch eher das Gute und Schöne in anderen.

Äußere Schönheit hilft allerdings, in Hollywood oder den Medien allgemein Karriere zu machen …
Wahrscheinlich, ja. Aber am Anfang meiner Karriere, als ich mein Aussehen noch nicht so bewusst wahrgenommen habe, habe ich meine eigene Schönheit kaum betont. Da bekam ich bei Castings oft zu hören, ich sei für diese Rolle nicht sexy oder nicht hübsch genug. Heute ist es genau umgekehrt: Ich bekomme Absagen, weil ich für bestimmte Rollen angeblich zu glamourös bin. Aber ich will ja schauspielern, ich will nicht dauernd vor der Kamera stehen und ich selbst sein.

Sie sind neben Gong Li, Penelope Crúz, Aishawarya Rai und Andie MacDowell eine der L’Oréal-Botschafterinnen. Warum haben Sie sich eigentlich entschieden, einen Kosmetikkonzern zu repräsentieren?
Nach dem Erfolg von Ray kamen etliche Kosmetikfirmen auf mich zu und wollten, dass ich sie repräsentiere, aber ich wollte sicher sein, dass ich mit einer Firma zusammenarbeite, die Frauen für etwas Besonderes hält. Mir hat außerdem gefallen, dass das Unternehmen zum Großteil von Frauen geleitet wird und Frauen in der Wissenschaft und anderswo aktiv unterstützt.