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Christian Langhammer

Constantin-Film Österreich

Christian Langhammer im Gespräch

| Andreas Ungerböck |

Christian Langhammer ist der Big Boss der mittlerweile recht weit verzweigten Constantin-Film Unternehmensgruppe, deren Flaggschiff und markantester Bestandteil die Cineplexx Kinobetriebe sind. 1951 gegründet, ist das Unternehmen heute wieder zur Gänze in Familienbesitz, nachdem eine Zeit lang der Medienzar Leo Kirch überwiegende Anteile hielt. Die Geschichte der Constantin und ihrer Kinos (Langhammer ist auch ein sehr erfolgreicher Verleiher – legendär die über 2,2 Mio. Besucher für Der Schuh des Manitu im Jahr 2001) ist die einer ständigen Expansion. Lange Zeit fuhr man vor allem in Wien einen harten Konfrontationskurs mit der gemeindenahen KIBA. Ein Coup gelang mit der direkten Übernahme des Cineastentempels Urania Anfang der 90er Jahre.

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Als man beim Ausbau des Apollo-Kinos auf 12 Säle mit der  KIBA zusammenrückte, schien eine Fusion der beiden Giganten unausweichlich. Doch als die restlichen KIBA-Kinos 1999 privatisiert wurden, erlebten die Branche und die erfolgverwöhnte Constantin eine Überraschung: Die Kinos, darunter das Gartenbau, das Flotten, das Metro und das Elite, gingen an eine Gruppe rund um Filmladen-Chef Michael Stejskal und die Produzenten Danny Krausz und Helmut Grasser. Während aber die „City Cinemas“ getaufte Firma 2002 Konkurs anmelden musste (und mehrere der Kinos geschlossen wurden), hatte Langhammer längst auf massive Expansion via Multiplex-Bau und -Betrieb gesetzt. Seit der Übernahme der beiden Village Cinemas in Wien-Landstraße und in Wiener Neustadt 2006 besitzt die Constantin-Film Unternehmensgruppe 30 der 169 Kinohäuser in Österreich, 191 der 576 Säle (also ziemlich genau ein Drittel) und rund 39.000 der 103.000 Kinositzplätze (rund 38%). Einige wenige weitere Kinos werden außerdem von der Gruppe programmiert. 2004 betrug der Umsatzerlös allein der Cineplexx Kinobetriebe GmbH 57,8 Millionen Euro, im „Krisenjahr“ 2005 waren es immer noch 48,7 Millionen.

Langhammer, amikal im Gespräch, gilt als äußerst tougher Geschäftsmann. So handelte er sich 2002 eine Kartellrechtsklage gegen die Doppelfunktion als Kinobetreiber und Verleiher ein (weil die Constantin als Verleih konkurrierenden Kinos Filme verweigert bzw. „branchenübliche Konditionen“ gestellt habe), die 2005 zu einem Schuldspruch in Höhe von 150.000 Euro führte, der 2006 vom OLG Wien bestätigt wurde. Seinerseits klagte Langhammer Baumeister Lugner, weil dieser im Sommer 2006 beim Verkauf von Kinogutscheinen zusätzlich Gastronomiegutscheine angeboten habe und hatte vor Gericht Erfolg.

In einem seiner raren Interviews spricht Christian Langhammer über den Multiplex-Wildwuchs in Wien, über das Reanimieren von Kino-Kadavern, darüber, warum er in seinen eigenen Kinos nicht still sitzen kann und über die Zukunft des Kinos im Allgemeinen.

 

Wie beurteilen Sie denn die aktuelle Kinosituation in Österreich? Man hat das Gefühl als herrsche Friedhofsruhe nach der großen Aufregung 1999, als so viele Kinos, vor allem in Wien, gebaut wurden. Seither ist wenig passiert, und auch das mediale Interesse scheint erlahmt.
Die Medien stürzen sich gerne auf ein Thema, wenn es schlechte Nachrichten gibt, wie 2005, als die Kinobesuchszahlen einbrachen. Damals gab es die Filme nicht, die große Massen angelockt hätten, und der Sommer 2005 war sehr heiß. Darüber wurde viel geschrieben. Wir haben gezeigt, dass wir an das Kino glauben, haben Ende 2005 sehr viel investiert in elf digitale Kinosäle und haben 2006 in den einzelnen Kinos zwischen 10 und 15 Prozent Zuwachs hingelegt. Auch für 2007 bin ich sehr optimistisch.

Wie das? Im ersten Quartal verzeichneten die Kinos einen Besucherrückgang um fast 8,5% gegenüber dem auch nicht berühmten Jahr 2006.
Ja, aber inzwischen sind einige Riesen-Knüller gestartet, und es kommen noch weitere große Filme, die sehr viele Leute anlocken werden, ob das Transformers ist oder Ratatouille oder der Bully-Herbig-Animationsfilm Lissy und der Wilde Kaiser, den wir selbst im Verleih haben.

Ich habe aber zuvor eher Ihre Position als absoluter Marktführer angesprochen. Darüber gab es vor allem in den 90er Jahren sehr viel Aufregung, als Sie angefangen haben, Multiplexe zu bauen.
Das war keine leichte Zeit damals. Es war ganz klar, dass die Multiplexe auch in Österreich nicht aufzuhalten waren, und wir haben das rechtzeitig erkannt. Hätten wir das nicht getan, hätte es jemand anderer getan. In Graz z.B. hat sich gezeigt, dass das der absolut richtige Schritt war. Hätten wir uns nur auf unsere Innenstadt-Kinos verlassen, wären wir in Graz wahrscheinlich nicht mehr präsent.

Man sprach schon von einem „Monopol“, als Sie auch noch die Kinos der ehemals Gemeinde-Wien-nahen KIBA übernehmen wollten. Dass das – zur allgemeinen Überraschung – nicht geklappt hat, tut Ihnen das im Nachhinein noch Leid?
Nein. Ich meine, es wurde verhandelt, und die Stadt Wien hat entschieden, dass wir die traditionellen Häuser nicht bekommen, obwohl wir ein gutes Sanierungskonzept vorgelegt hatten. Dann hieß es, es dürfe in Wien nur ein Multiplex gebaut werden, um die alteingesessenen Kinos nicht zu gefährden, aber das hat man im Lauf der Zeit völlig vergessen. Man hat einen Multiplex-Wuchs zugelassen, der absolut nicht gesund war, wie sich gezeigt hat, und er ist es auch heute noch nicht. Das ist so wie in Berlin; in München hingegen hat man es geschafft, den Wildwuchs einzudämmen, und dort ist die Kinobranche gesund. In Wien hat die Politik versagt. Ich bin auch für die freie Marktwirtschaft, aber das, was hier passiert ist, war Unsinn.

Das hört sich komisch an aus dem Mund von jemandem, der in Wien ja mehr als nur federführend ist.
Nochmals: Es hieß damals von Seiten des Bürgermeisters Dr. Zilk: Es wird nur ein Multiplex geben, das Apollo, dann vielleicht noch ein zweites, und dann ist Schluss. Aber man hat sich nicht dran gehalten. Planungsstadtrat Görg hat nicht regulierend eingegriffen …

Ja, der sprach immer vom „freien Spiel der Kräfte“ …
… und darum ist die Situation heute, wie sie ist. Aber wir haben uns dem angepasst und das Beste daraus gemacht. Einige ausländische Investoren haben das völlig falsch eingeschätzt, ob das Hoyts war, Cinestar Odeon, Village, alle haben die Erde verbrannt und die Immobilieneigentümer mit den leeren Kinos sitzen lassen. Jetzt müssen wir das als österreichische Firma wieder in Ordnung bringen.

Aber gerade Sie haben doch mehrere solche „Leichen“ eingesammelt, am Wienerberg, am Auhof und zuletzt die Village-Kinos in Wien und Wiener Neustadt. Was treibt Sie dazu? Warum haben Sie nicht einfach gesagt: Okay, dann gehen die eben nicht?
Leichen, das klingt sehr böse. Man hat dort sehr hohe Mieten verlangt, das war nicht zu machen. Wir zahlen jetzt den Gegebenheiten angepasste Mieten, und so funktioniert das. Die Standorte an sich sind ja nicht schlecht, im Gegenteil. Aber man hat da mit irrwitzigen Zahlen kalkuliert, mit 800.000, 900.000 Besuchern pro Jahr und Standort, das ist nicht möglich. In Australien oder den USA gehen die Leute im Schnitt sechs Mal jährlich ins Kino, bei uns gehen sie gerade zwei Mal.

Trotzdem ist es unglaublich, dass z.B. das Kino am Wienerberg, das ein großes Einzugsgebiet hat, in dem es sonst kaum Unterhaltung gibt, nicht funktioniert hat.
Heute tut es das, das ist ein Spitzenkino geworden, mit einem sehr guten Publikum, und das, obwohl es nicht öffentlich erreichbar ist. Man muss mit dem Auto hinfahren.

Das ist ein eigenes Kapitel der Wiener Stadtplanung …
Ja. Ich hätte nichts dagegen, wenn die U-Bahn dorthin gebaut würde. Aber das werde ich nicht mehr erleben.

Und warum jetzt auch noch die Village-Kinos? Um dem Herrn Lugner eins auszuwischen, der sich auch darum bemüht hat?
So etwas habe ich zum letzten Mal im Kindergarten getan. Ich übernehme kein Kino, um jemandem eins auszuwischen.

Aber haben Sie es wirklich gebraucht?
Das sind gute Kinos mit einer Tradition für anspruchsvollere Filme, von denen wir immer wieder welche haben. Am Ende des Tages werden wir dort Geld verdienen, und das ist unser Ziel, egal, wie das Kino heißt und wo es sich befindet.

Das Village in Wiener Neustadt wurde in Cineplexx umbenannt. Wie sieht es mit dem Village in Wien aus?
Nein, das soll auf absehbare Zeit das Village Kino bleiben. Village ist eine eingeführte Marke mit einem guten Namen, und da wir dort ein bisschen ein anderes Programm spielen, ist es ganz gut, wenn sich der Name von den Cineplexxen unterscheidet. Dort verkehrt auch ein etwas anderes Publikum.

Haben Sie noch Ausbaupläne, oder ist der Markt in Österreich gesättigt?
Ich denke, der ist jetzt mal gesättigt.

Nun haben Sie aber ein paar kleinere Städte anvisiert und betreiben dort mittelgroße Center, in Leoben oder Wörgl. Haben Sie die gebaut oder übernommen?
Leoben haben wir übernommen, wie am Wienerberg von der deutschen Cinestar. Wörgl war ein sehr gutes Konzept mit sehr schönen Kinos und guter Gastronomie, mit dem wir ein großes Einzugsgebiet abdecken, zum Teil auch die Fremdenverkehrsorte, das Zillertal, das Brixental. Das wird sehr gut angenommen. Dort gibt es überdurchschnittliche Steigerungsraten.

Und Wels?
Wels haben wir übernommen. Dort werden wir nochmals vier bis sechs Leinwände dazubauen, da gibt es demnächst eine Baugenehmigung.

Gibt es – im Rückblick – einen Standort, mit dem Sie nicht glücklich sind, von dem Sie meinen, dass Sie ihn vielleicht nicht hätten machen sollen?
Am ehesten das Cineplexx an der Reichsbrücke, aber das liegt eben an dieser Wahnsinns-Achse mit Donauplex und UCI Millennium City, die Lassallestraße war ja schon zuvor gescheitert. Aber dadurch, dass wir hier Minopolis vor eineinhalb Jahren integriert haben, das bisher 300.000 Besucher pro Jahr hatte, ändern sich die Dinge zum Besseren. Wir bekommen jetzt viele Familien dorthin, und mit dem neuen 3D-Kino „Cinemagnum“ wird das noch weiter zunehmen.

Als die Multiplexe gebaut wurden, nicht nur in Österreich, hieß es, das Rundherum, die Geschäfte, Lokale, Shops würden die nötige Frequenz bringen. Das scheint aber nicht ganz so zu sein, zumindest kann man in Wien nach wie vor nachmittags mutterseelenallein in einem großen Saal sitzen.
Das kommt vor, aber es gibt auch leere Flugzeuge. Nein, ich habe an diesen Ansatz nie geglaubt, dass jemand shoppen geht und dann ins Kino, eher ist es so, dass die Leute am Freitag einkaufen gehen und am Samstag wiederkommen, um ins  Kino zu gehen. Das ist nicht überall so, aber im Wesentlichen funktioniert das. Und Lokale sind sehr wichtig, wenn man vorher etwas trinken oder essen will oder nachher.

Gehen Sie selbst in Multiplex-Kinos?
Schwierig. Im eigenen Kino kann ich mir kaum einen Film anschauen, weil ich immer unruhig bin.

Wieso sind Sie unruhig?
Weil ich immer etwas sehe und mir etwas einfällt, was man machen könnte. Meine Frau geht nicht gerne mit mir ins Kino, weil ich fünf Mal aufspringe und keine Ruhe gebe.

Finden Sie auch Grund zu Beanstandungen?
Immer. Ich finde immer etwas. Aber das macht nichts. Dazu gibt es ja Quality Management, damit man Dinge verbessern kann. Wir versuchen, das Niveau hoch zu halten, auch in puncto Personal. Schließlich sind wir ein Dienstleistungsbetrieb, der von der Zufriedenheit der Konsumenten abhängt.

Stimmt es eigentlich, das ein einziger Vorführer ein ganzes Multiplex betreut?
Das kommt auf die Größe des Kinos an. In den größeren sind schon zwei, drei Vorführer im Einsatz.

Wie werden Sie denn in Richtung Digitalisierung weitermachen?
Wie gesagt, wir hatten elf digitale Säle, jetzt sind es 14. Das ist ein Trend, der nicht aufzuhalten ist. Hollywood macht jetzt wirklich Ernst, und ich schätze, dass in etwa zwei Jahren 50% unserer Säle digital ausgerüstet sein werden.

Wie ist denn für Sie als Kinobesitzer das Verhältnis zu den Filmverleihern? Früher gab es ja oft Ärger wegen der hohen Leihmieten, die die Verleiher verlangt haben.
Ich finde, das hat sich in den letzten Jahren eingependelt, die Verleiher haben sich da etwas eingebremst.

Was ist so der Standardsatz?
Der Höchstsatz bei wirklich großen Filmen ist 50,1% für den Verleiher … Das wahre Problem ist ja, dass wir mittlerweile in den ersten drei, vier Wochen praktisch das ganze Geschäft machen müssen, dann ist der Film durch. Und das ist natürlich die Zeit, wo man die hohe Leihmiete zahlt. Das lange Ausspielen, neunte, zehnte Woche, das es früher gab, ist vorbei. Ein Film wie Babel ist da eine Ausnahme, bei ihm haben wir mit den Wochen immer mehr Kopien benötigt.

Wie geht es Ihnen als Verleiher? Da ist ja in den letzten Jahren einiges weggebrochen, die Filme von Senator, von Concorde haben Sie ja nicht mehr …
Doch, den Mainstream von Concorde haben wir noch, und Senator hat in den letzten Jahren nur Verluste gebaut. Ob das besser wird, wenn sie die Filme jetzt selbst in Österreich vertreiben, wage ich zu bezweifeln. Aber unser Verleihergebnis war sehr schön, Das Parfum hatte über 600.000 Zuschauer, damit kann ich leben. Und von der deutschen Constantin, die ja viele Projekte mitproduziert, wird auch in Zukunft einiges kommen, was gut laufen wird.

Kommen wir nochmals zu den Wiener Kinos. Mich überrascht, dass Sie vergleichsweise wenige Ihrer Kinos geschlossen haben, was ich Ihnen damals durchaus unterstellt hätte.
Es sind schon Kinos in Wien geschlossen worden, aber die, die wir noch haben, schreiben schwarze Zahlen, das Artis, auch das Actors Studio. Das Tuchlauben ist von den Filmen abhängig, es gibt eine ganz eigene Klientel dort für Filme wie Mitten ins Herz, Besser geht’s nicht oder auch Babel. Das sind Leute, die nicht ins Multiplex wollen, also brauche ich dort auch keinen Spider-Man zu spielen. Das wäre unsinnig. Und die Urania haben wir ja auch, ein Vorzeigekino.

Das bislang letzte Kino, das in Wien eröffnet wurde, war die Lugner Kino City. Irgendein Kommentar dazu?
Ich denke, das ist ein Kino, das niemand gebraucht hätte. Die Zahlen, die kolportiert werden, sind so weit unter dem, was prognostiziert wurde, dass ich nur froh bin, dass wir das nicht gemacht haben. Wir hatten das Projekt mehrmals auf dem Tisch liegen. Aber die Zahlen sind noch unter den niedrigen Erwartungen, die wir hatten.

Außer Ihren eigenen – wie viele Kinos programmieren Sie darüber hinaus?
Wir programmieren die fünf Diesel-Kinos in der Steiermark, noch zwei, drei kleine private, aber sonst nichts mehr. Wir haben uns da etwas zurückgezogen.

Ich habe mir Ihre Bilanzen des Jahres 2005 angeschaut: Was genau bedeutet eine Fremdkapitalquote von 82%?
Ganz einfach: Dass wir, wie sehr viele große Firmen, zu einem Teil fremdfinanziert sind.

Von der Bank?
Ja, sicher. Ich habe keinen reichen Onkel in Amerika.

Nur ist der Bau schon ein Weilchen her …
Es gibt auch langfristige Finanzierungen.

Aber Sie schlafen trotzdem gut?
Absolut.

Wie sehen Sie denn die viel zitierte Zukunft des Kinos – im Vergleich zum Heimkino?
Ich glaube, Kino als sozialen Ort in der Form, wie wir es kennen, wird es immer geben. Das Angebot wird sich noch mehr zuspitzen auf einige wenige Blockbuster, die B- und C-Ware, die wir jetzt oft mitschleppen, wird im Kino auf lange Sicht   keine Chance mehr haben. Es wird mehr Service geben müssen, neue Ideen in Sachen Kartenverkauf, da sind wir am Nachdenken, aber das Kino an sich wird es immer geben.