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Charles Wilp

Charles Wilp

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| Jörg Becker |

„Ich gebe den Menschen etwas, was sie vorher noch nicht kannten.“ – Charles Wilp war einer der bedeutendsten deutschen Fotografen und Werber der Sixties – und der erste ARTronaut der Weltraum- und Kunstgeschichte. Im September würde der vor zwei Jahren verstorbene Ausnahmekünstler seinen 75. Geburtstag feiern. Ein Porträt.

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So wie ich von meinem Vater – er war Saatguthändler – eine Art ‚Warenbewusstsein‘ geerbt habe, so verdanke ich meiner Mutter ein sehr spezielles Imaginationsvermögen und das Fehlen jeder Scheu vor ganz vordergründiger Virtuosität. Wenn sie als Klavierbegleiterin von Stummfilmen in den Filmstudios von Babelsberg nach drei Stunden unentwegten Spielens auf der Leinwand einen Eimer runterfallen sah, spielte sie eben prrrrrummm. Das ist also in mir drinnen genauso wie andere ästhetische Erfahrungen in meiner Biografie; wenn ich heute ins Weltall hinaushorche, höre ich immer noch diese kreischige Stimme in hochfrequenten Tönen, womit der Karajan mich wahnsinnig gemacht hat, als ich in seiner Zeit als Generalmusikdirektor in Aachen für ihn gearbeitet habe.“

Der Vater, Paul Max Wilp, war im Ölsaatengeschäft tätig und brachte den Raps nach Europa, schrieb Charles Wilp (die Geburtsurkunde in Witten, Westfalen, verzeichnet indes einen Dachdeckermeister als Vater); seine Mutter, Stummfilmpianistin, die Richard Tauber am Piano begleitet hat, bezeichnete Wilp als „Groupie“ der damaligen Raketenspezialisten und Weltraumpioniere wie Hermann Oberth (technischer Berater von Fritz Langs Frau im Mond) – Phantasien von Mond- und Sternenflügen seien seine Gute-Nacht-Geschichten gewesen. Auch wenn Charles Wilp hier einen Familienroman entworfen haben mag, verfolgte er die „Schicksalskoordinaten“ seiner Weltraumfaszination bis ins Vorbewusste zurück.

Nach Gymnasium und Besuch einer Jesuitenschule studierte Wilp Anfang der 50er Jahre an der Académie de la Grande Chaumière in Paris, danach in Aachen Synästhesie, Publizistik, Kunst und Wirkungspsychologie und fotografierte bereits als knapp 20-Jähriger für diverse Magazine. Der Schüler des Foto­grafen Man Ray („Bei ihm waren Stanley Kubrick und Alain Resnais meine Kommilitonen“) und des Designers Raymond Loewy (Schöpfer der Stromlinienform, der Cola-Flasche und des ersten Skylab) war beeinflusst vom so genannten „Copsy-Kreis“ des Max-Planck-Instituts, in dem man sich im München der 50er Jahre mit Biofeedback, Bioklimatik und Sexualwissenschaften befasste – und offenbar fasziniert von Forschungsergebnissen wie dem, dass die Elektrizität in Kniekehlen dieselbe sei wie jene, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. In Zeiten biederer Reklame gehörte Wilp zu den ersten Werbekünstlern, die das Produkt, das es zu präsentieren galt, in einen mythischen Kontext versetzten und das käufliche Objekt zum Ziel der Sehnsüchte aufluden. Damit konnte er sich selbst als metteur-en-scène aus der Anonymität dienstleistender Imagetechniker herauslösen. „Wodka macht hart. Puschkin macht härter“, lautet bereits 1953 sein erster markanter Slogan, mit dessen evidenter Ironie man sich anfreunden konnte – „für harte Männer“. In den Sechzigern bringen „Frank S. Thorn und sein Freund“ die Wodka-Kirsche mit dem Bären in Umlauf, neben der Erscheinung eines knallhart-narbigen Bodyguard-Typs von eiskalt-nordischer Blauäugigkeit.

Werbung und Nüchternheit

Ein VW-Käfer entfernt sich unaufhaltsam in Richtung Horizont, und Charles Wilp setzte 1962 darunter: „Er läuft und läuft und läuft“, als könnte das Wirtschaftwunder nie enden.  Zugleich scheint diese Reklamestrategie – entgegen dem beschleunigten Warenumsatz der Wegwerfproduktion – den Sinn für das Zeitlose, die bleibenden Werte zu entdecken. In der legendären Wilp-Kampagne mit dem Ei und dem VW-Käfer lautete der Slogan: „Es gibt Formen, die man nicht verbessern kann.“ Wilp: „Ich habe die Seele des Käfers sichtbar gemacht. Ein ehrliches Auto braucht natürliches Licht und keine Retusche: Das war das Geheimnis des Erfolgs.“ Ein nüchtern-dokumentarischer Zugang setzt sich in der Propagierung nüchterner Produkte durch, Ehrlichkeit wird Kult, auch in den Anzeigentexten: „Wir ändern diese Form nicht um des Änderns willen. Wenn wir aber einen Grund haben, den VW von innen heraus zu verbessern, dann tun wir das. Bis heute haben wir 2064 Gründe gefunden. So haben wir das Ei verbessert. Von innen heraus. Ohne es zu zerbrechen.“

Anders Wilps Idee zu „Martini on the Rocks“, einem Produkt, das eine jeunesse dorée anzieht, inszeniert in der Atmosphäre eines gepflegten coolen Chill-out, so würde man heute sagen, auf südlichen Dachgärten bei Cocktails und Bossa Nova. Wilp präsentierte 1969 nicht nur den ersten entblößten Busen der Werbegeschichte, auch „Pirelli – die Beine ihres Autos“ und der Sinnengenuss an heißem Wasser, der einem über die erotisch hauchende Stimme einer Nackten souffliert wird, gehen auf sein Konto. Mit dem „Sex sells“-Aspekt hatte er nie ein Problem, gleichzeitig suchte er einen Begriff vom Werbespot als griffige Umsetzung wissenschaftlicher Tatsachen, beschäftigte sich beispielsweise mit Formen körperlicher „Enthemmung durch niederfrequente elektrische Ströme“. Die Wirkkräfte zu analysieren und deren Reiz zu genießen schien für Wilp kein Widerspruch. Indessen füllten die Pop-Shots eines der bestbezahlten Werbefotografen der Welt die Titelseiten von Magazinen wie Stern oder Spiegel, konnte Wilp Models wie Angela Pringle oder Anouska Hemple engagieren. Bildermacher wie er waren die Futuristen des Pop Age, die Avantgarde an der PR-Front, Auratiker der Plastik-Dingwelt mit hohem Budget – unaufhörlich in Bewegung befindliche kreative Jetsetter. Mit seinem Anteil an der Ikonografie der Sixties rangiert Wilp auf einem Level mit David Bailey aus Swinging London, dem Vorbild für den Fotografen Thomas, gespielt von David Hemmings in Michelangelo Antonionis Blow Up.

Sinnliche Draperien

Als Wilp in Huntsville, Alabama, in die „Cryo Chamber“ blickte, ein Zelt, in dem Raketen in tiefgefrorenem Zustand inspiziert werden, war es ihm, als würde er Geister wahrnehmen, „ein Playmate, das durch den Raum schwimmt“. Durch vereiste Plastikfolien sah er eine auf- und zuklappende Spindtür mit dem Bild eines Pin-ups neben dem Produktnamen NASA. Es war der Geburtsmoment einer neuen Werbe-Idee. Der Sex-Appeal verklärt dreinblickender Nonnen mit Make-up und Lidstrich, heilig-sinnlich entrückter Schwestern, lasziv posierender Flower-Power-Girls, die sich bei Sphärenklängen hinter vereisten Scheiben von einer schwarzen Limonade anturnen lassen, machte eine Brause aus Deutschland zum Kultgetränk und Wilps Kampagne zur Legende: Sexuelle Befreiung, Pop Art, Psychedelik- und Raumfahrt-Ästhetik gerinnen zu einem Synonym des Zeitgeistes.

1968 im Afri-Cola-Rausch: Die Psychedelik-Trockeneisscheibe, hinter der etwa Marsha Hunt im Afro-Look posierte, verdankte sich jener Impression aus dem Raketenzentrum in Huntsville. Die künstliche Vereisung, die Wilp der Kooperation mit Wissenschaftlern verdankte, entstand durch Verwendung eines Gemischs aus flüssigem Helium, Sauerstoff und tiefgefrorener Kohlensäure – ein Kältelabor für Pop, Space, Sex und die Faszination technischer Zeichen. Neben Op-Art-Motiven und farbigen Lichtorgien gab „Deep Space Black“ den Hintergrund sinnlicher Draperien. Zu sehen waren auch Vietcong-Kämpfer, die dem Betrachter gut gelaunt zuprosten. Charles Wilp nutzte unter anderem The Doors, The Who und Arnold Schönberg als Jingles für insgesamt 214 Afri-Cola-Spots und vertonte sie im Meistersaal-Studio an der Köthener Straße, im ehemaligen Berlin (West) in unmittelbarer Nähe der Mauer und des Potsdamer Platzes. Neben Marsha Hunt, die als Model und Sängerin im Musical Hair in London begann und die Inspiration für den Rolling Stones-Titel Brown Sugar gewesen sein soll, baute Wilp die Pop-Ikone Donna Summer, die 1968 in der deutschen  Hair-Aufführung in München auftrat und zur Disco Queen avancierte (Love To Love You Baby), mit ein.

„Werbung gehört zum Produkt wie der elektrische Strom zur Glühbirne.“ Mit dieser schmissigen Gleichung sprach der radikale Selbstvermarkter über die unabdingbare Animation eines Produkts, dessen Warenfetisch gleichsam zum Strahlen gebracht wird. Der Innovator gab aber auch den futuristischen Barbaren, zu dessen Programm gehört, radikal Ballast abzuwerfen: Es sei an der Zeit, Teile der Kunst der letzten 500 Jahre in die rosarote Tonne zu entsorgen, denn im Weltraum, der unser aller Zukunft sei, habe die traditionelle Kunst ohnehin keinen Stellenwert mehr. „Die neue Kunst entsteht immer da, wo man sie nicht vermutet“, zitierte er Robert Musil, und  verbreitete so undurchsichtige Wortschöpfungen wie „Beliebigkeitshöhle“. Es ging darum, „die Flimmerfrequenz der orgastischen Manschette zu steigern“ – derart abenteuerliche Terminologie verdankte Wilp zum Beispiel einem Sexualwissenschaftler, mit dem er in frühen Jahren in seinem Atelier Drogenexperimente gemacht und dokumentiert hatte. Wilp hatte auch Rudi Dutschke für die Afri-Cola-Kampagne gewinnen wollen, der jedoch zeigte weniger PR-Ambitionen als die Kommune-I-Ikonen Uschi Obermeier und Rainer Langhans. Das Porträt Dutschkes für die Titelseite der Finanzzeitschrift Kapital im April 68 war noch von Wilp fotografiert worden.

Psychedelik und Mondlandung

Über magische Formeln wie „Die Erde ist ein Paradies mit Afri-Cola“ oder „Sex über den Wolken“ haben Psychedelik und sphärische Klänge die Regeln der Werbung verändert. Es war Charles Wilp, der Joseph Beuys in Äquatornähe am Strand von Diani in Kenia fotografierte, wo der Künstler, ohne Hut, große Zeichen der Unendlichkeit in den Sand malte, die einzig in diesen Fotos aufbewahrt sind – Dokumente einer Kunst des Ephemeren. Wilp zählte sich zur Künstlergruppe des Nouveau Réalisme um Arman und Yves Klein, der ihn 1960 zum „Prince de l’espace“ ernannte. Wilp ließ von Arman seinen weißen Sportwagen – die „weiße Orchidee“ –, einen 58er MG, in die Luft jagen und ins Museum hängen. Fast vierzig Jahre später stellte Wilp innerhalb der Jahrtausendausstellung „7 Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts“ (Berlin, 2000) in der Abteilung Weltraum seine Skulptur „Die Tränen der Ariane“ (1996/97) aus, geschweißt aus den Trümmern der kurz nach dem Start abgestürzten europäischen Sonde. Elektroschrott, der aus den Sümpfen Guyanas geborgen wurde. Seit 1985 benutzte Wilp für seine Objekte nur noch Weltraum-Materialien wie Stycast, einen High-Tech-Kleber – bei Kälte hart, bei Hitze weich –, der nach dem Challenger-Unfall zur Kabelisolierung von Raumsonden entwickelt wurde. Wilp machte daraus gefrorenen Sternenstaub, in dem sich das Licht reflektiert. Er nutzte goldbedampfte Satellitenfolie ebenso wie im Labor hergestelltes ‚schmutziges Eis‘.

„Die Werbeagenturen arbeiten nach Statistiken, nicht wie ich nach Eingebungen.“ Oder: „Man muss den Leuten etwas vorsetzen, das sie nicht verstehen.“ Der auch als „Beuys der Werbung“ Bezeichnete brachte 1972 sein Metier unter der Rubrik „Konsumrealismus“ zur Documenta 5 nach Kassel: „Kunst ist Werbung für ein immaterielles Nahrungsmittel, das nicht durch die Speiseröhre geht. Ein Nahrungsmittel, das die Menschen am Leben erhält.“ Wilp erscheint als Prophet einer mentalen Bedürfnisproduktion, weil er begriffen hatte, dass in einer Warengesellschaft, in welcher der unbedingte Zwang zum Wachstum die Basislogik des Wirtschaftslebens bildet, die Bedarfsschöpfung stets der Wertschöpfung vorausgeht und einen beständig zunehmenden Anteil an den Produktionskosten beanspruchen wird. „Ich gebe den Menschen etwas, was sie vorher noch nicht kannten.“

Im Rausch der Schwerelosigkeit

„Meine Aufgabe war, im Leben nicht Werbung zu machen, sondern Schwereloses darzustellen. (…) Die Erfahrung der Schwerelosigkeit wird die Menschheit weiterbringen, oder doch zumindest junge Kunststudenten, die sonst auf der Akademiecouch liegen, denen vom Vereinsleben ergraute Professoren mit diktatorischen Manieren beibringen wollen, wie ein Körper aussehen muss, mit hängenden Haaren und fallenden Augenlidern. Wenn aber so ein Körper in der Schwerelosigkeit fliegt, heißt das, er fliegt in der Vollschönheit des Körpers. Es steht alles, es fällt nichts.“

Mit dem Enthusiasmus eines hauptamtlichen PR-Strategen der Weltraumindustrie ging Wilp into deep space, erarbeitete Image-Skulpturen der Raumfahrt. Wilp schien überzeugt vom Abheben, dem Lift-off und stellte dabei unmittelbaren Kontakt zum Pop Age der Sixties her. Als einer der öffentlichen Agenten dieser Ära knüpfte er die Erfahrung von Schwerelosigkeit an Rauschzustände, die die Horizonte ausdehnten. Er selbst versicherte, aus sich heraus „Natur-stoned“ zu sein; unnatürlich erzeugter Rausch sei nie sein Ding gewesen.

Die Wissenschaftseuphorie aus dem ersten Weltraum-Jahrzehnt durchzog als eine bejahende, neofuturistische Haltung die Kunst der Gegenwart. Berauscht vom Lebensgefühl des Fortschritts war Wilp ein Zeit-Designer, der utilitaristisch in Kommerz und Advertisement schwamm wie ein Fisch im Wasser, zu einer Zeit vor Anti-Atomkraftbewegung, Strahlenschutz und „Risikofolgenabschätzung“. Entgegen jenem aufkommenden „Alarmismus“, der inzwischen als Medienprodukt die politische Klasse erreicht hat, knüpfte Wilp in den 90er Jahren erneut an den Aufbruchsgeist und die Technikeuphorie an – als „Space Artist“, dem es gefiel, sich beim medizinischen Check der NASA auf Weltraumtauglichkeit (den er bestand) fotografieren zu lassen, angeschlossen an ein Gewirr von Messgeräte-Kabeln wie ein Versuchstier im Labor. Im Overall, seinem Markenzeichen – den früheren knallgelben Strahlenschutzanzug hatte er gegen einen hellblauen Astronautenoverall eingetauscht –, wollte er der erste ARTronaut der Weltraum- und Kunstgeschichte sein. Das raummedizinische Zertifikat wurde öffentliches Dokument des Körperzustands des Künstlers: Blutzucker, Cholesterin, Harnsäure – alles mit Messwerten dokumentiert, die innerhalb der vorgegebenen Spanne liegen – mithin ein Kunstgegenstand.

„Statt Kunst verwende ich lieber das Wort ARTRO, das einfach gar nichts aussagt, sondern für eine neue Zeitrechung steht.“ 1993 flogen erstmalig Kunstblätter während der D2-Mission mit ins All. Das Neue in der Kunst waren bald Weltall-Reliquien, während der Testflüge signiert. Die leichte Hand mit dem Zeichenstift wird unter Schwerelosigkeitsbedingungen noch leichter, so Wilp. Die Künstler der Gegenwart gehörten für ihn an die Seite der Astronauten, traditionell hätten sie immer schon die großen Entdeckungsreisen begleitet – „Die Astronauten sind Wissenschaftler und Denker; ich bin ein Gucker.“

Sein Urerlebnis der ARTronautik hatte Wilp am 25. April 1995, als er an einem Parabelflug teilnahm, der die Passagiere für 25 Sekunden in Schwerelosigkeit versetzte; seitdem fertigte er Collagen und Objekte, die die Raumfahrt verherrlichen. Er schwebte durchs Flugzeug und fotografierte. Immer wieder flog Wilp mit der Orbitic Zero G, einem Trainingsflugzeug für Astronauten der Europäischen Weltraumbehörde ESA, in die Stratosphäre auf 40.000 Fuß Höhe und erlebte dort die „Schwerelosigkeit als die Triebkraft der Kreativität“ am eigenen Leib. Sein kulturelles Reisegepäck, die „Wilp Papers“, erhielt hier die kosmischen Weihen. Die Erfahrung von „Gravitation Zero“ brachte Wilp auf Michelangelo, für ihn ein Vorläufer von Jurij Gagarin, der jenen Zustand ganzkörperlich erlebt hatte. „Die Erde ist blau, das All ist schwarz.“ In den schwebenden Menschen an Bord entdeckte er Ähnlichkeit mit Figuren aus Michelangelos Guidizio universale der Sixtinischen Kapelle. „Michelangelo, auf dem Rücken liegend in die Sixtinische Kapelle sehend, Purpur und Gold in den nassen Kalk fließend – Fresko – ist der Schwerelosigkeit am nächsten gekommen. Fließend, scheinbar immateriell formte er fast körperlos seine amorphen Engel- und Gottvaterfiguren in das ‚Weltgewölbe‘.“

Im Charles Wilp-Nachlass, der in der Deutschen Kinemathek Berlin lagert, befinden sich unter anderem Filmmaterialien aus den Jahren 1963/64 über den Verpackungskünstler Christo, über Lucio Fontana („Concetto Spaziale“) aus Mailand und Armans „Weiße Orchidee“, ein mit Dynamit gesprengtes ­Auto. Joseph Beuys (1974/75) und Wilp selbst sind bei der Arbeit dokumentiert. Wilps Dokumentarfilm Im Jahr Drei (After Oil) befasst sich mit Kuwait (1976), Die Bewusstseins-GmbH (1978) mit Meditation und Yogatechniken in Indien, und ein experimenteller Kurzfilm kreist um den tödlichen Unfall des Rennfahrers Jim Clark 1968 am Hockenheimring. Die Liste der Auftraggeber für die Werbespots, die Wilp neben seinem ‚Hauptwerk‘ für Afri-Cola produzierte – Hostalen und Neff für den Haushalt, Erdal und Elefanten fürs Schuhwerk, Triumph- und Felina-Miederwaren, Bluna-Limonade und Balle-Rum, Bisquit-Cognac und Schinkenhäger, Puschkin-Wodka und Isenbeck-Pils für die flüssige Ernährung –, diese Liste liest sich wie ein Markenkatalog des Massenkonsums aus der Zeit eines ungebremsten konjunkturellen Wachstums, das Mitte der 70er Jahre einbrach. Da die Filme allerdings nur als Arbeitskopie-Unikate auf 16- bzw. 35mm-Material vorliegen, die noch nicht überspielt und gesichert worden sind, hat das Film­archiv jede Sichtung bis auf weiteres ausgeschlossen.

 

Zitate von Charles Wilp aus
Charles Wilp: „Es steht alles – es fällt nichts.“ In: Bodo-Michael Baumunk und Ralf Bütow (Hg.): 7 Hügel – Bilder und Zeichen des 21. Jahrhunderts. Bd. III.; Weltraum. Sonnen. Monde. Galaxien. Aufbruch ins Unbekannte. Henschel Verlag / Berliner Festspiele, Berlin 2000, S. 10–12.
Charles Wilp: „Die Weltraumfahrt macht es möglich …“ In: Raumfahrt Concret 5/2000, S. 3 ff. sowie aus einem Gespräch des Autors mit Charles Wilp am 6. Juli 2002 in Berlin.