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The Clash Joe Strumme

Filmkritik

Joe Strummer – The Future is Unwritten

| Lina Dinkla |

All people of the world, this is London calling.

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Aus lauter Angst, es könne der Vorwurf der Pietätlosigkeit geäußert werden, verkommt die Sympathie fürs Objekt in posthumen Filmportraits oftmals zur kitschigen Heldenverklärung. Julien Temple, der schon als Musikdokuprofi gelten kann – neben dem Sex Pistols Film The Great Rock N Roll Swindle schuf er einige solide Videodokumentationen für Leute wie Janet Jackson, David Bowie oder die Scissor Sisters – verfehlt diesen Fettnapf nur knapp.

Als Sänger und Leadgitarrist von The Clash leis­tete Strummer mit dieser Band bekanntermaßen einen wesentlichen Beitrag zur Musikgeschichte. Songs wie London Calling oder Rock the Kasbah sind unauslöschlich ins popkulturelle Gedächtnis gemeißelt und mit der unverkennbaren Mischung aus Punk, R&B, Dub und Reggae hatten sie unermesslichen Einfluss auf viele andere Bands wie Red Hot Chili Peppers, Primal Scream oder auch U2. Sich weitestgehend an zeitlich aufeinander folgenen Ereignissen orientierend, wird das Leben des John Graham Mellor erzählt. Sein Weg zum Musiker wird als kausale Folge von Entwicklungen gezeichnet. Im Nachhinein lässt sich so etwas ja immer leicht als logisch zusammenhängendes Muster darlegen: harte Zeit im Internat, Kunsthochschule, Hausbesetzerszene, erste Punkbands und dann auch schon entdeckt von Bernie Rhodes, eigenwilliger Manager der ersten Stunde. Nach der Auflösung 1986 brauchte es ein paar Jahre, bis Strummer sich fangen, bei der Band The Mescaleros seinen Platz finden und an das anknüpfen konnte, wo er mit The Clash aufgehört hatte.

Tolle Konzertmitschnitte, Familienvideos und sonstiges Footage sind zu einem rasanten Zeitgeistzeugnis zusammenmontiert, dazu wurden Weggefährten, Freunde und andere Zeitgenossen vor der Kamera versammelt. Temples krampfhafter Versuch, Strummer dabei zu einem politischen Intellektuellen zu stilisieren und das wahllos wirkende Aufgebot an mehr oder weniger kompetenten Gesprächspartnern sind die einzigen Einwände gegen diese ansonsten großartigen Liebeserklärung. Bono mit seinen selbstgefälligen Plattitüden ist wirklich kaum zu ertragen, hat aber zumindest als Musikerkollege seine Redeberechtigung, doch der komplett sinnfreie Auftritt von Johnny Depp (zieht der sein Piratenkostüm eigentlich überhaupt nicht mehr aus?) lässt leider nur noch den Schluss zu, dass Temple die Kredibilität seines Films mit ordentlich Starpower – leider völlig kontraproduktiv – zu untermauern hoffte.