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Hallam Foe

| Michael Ranze |

Alfred Hitchcock lässt grüßen: Ein heranwachsender Junge verliebt sich in eine fröhliche Blondine, die seiner toten Mutter aufs Haar gleicht.

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Hallam (Jamie Bell) ist ein eigenwilliger Kauz. Wenn er nicht gerade mit übergezogenem Dachsfell durch den nahe gelegenen Wald streunt, beobachtet er von seinem Baumhaus aus die Umgebung. Wie James Stewart in Alfred Hitchcocks Rear Window zoomt der Junge die Menschen auf dem Landsitz seines Vaters zu sich heran, vor allem seine schöne, verführerische Stiefmutter Verity (Claire Forlani). Hallam ist felsenfest davon überzeugt, dass sie beim Ertrinken seiner Mutter nachgeholfen hat. Trotzdem fühlt er sich von der vermeintlichen Mörderin eigenartig angezogen. Als sie allerdings mit unlauteren Absichten das Baumhaus hochklettert, ergreift Hallam die Flucht nach Edinburgh. Bis dahin zeichnet Regisseur und Drehbuchautor David Mackenzie (Young Adam) seinen Titelhelden als vielschichtigen Charakter. Spinner, Spanner oder einfach ein ganz normal verwirrter Teenager – das muss jeder Zuschauer letztlich selbst entscheiden.

In Edinburgh nimmt der Film eine Wendung, die an einen weiteren Hitchcock-Klassiker, Vertigo, erinnert. Hallam läuft der lebensfreudigen Kate (Sophia Myles) nach, die seiner Mutter zum Verwechseln ähnelt. Kurzerhand bewirbt er sich in jenem Hotel, in dem die junge Dame als Personal-Direktorin arbeitet. Auch sie beobachtet er eingehend, aus der Distanz mit dem Fernrohr, dann wieder ganz nah vom Dachfenster aus, wo er sich – kaum ist er in ihrem Bett gelandet – selbst zuwinkt.

Eigenartige Dinge geschehen in diesem Film, der sich jeder Genre-Zuordnung verweigert. Er beginnt als Märchen im einsamen Landhaus mit böser Stiefmutter, setzt sich als Krimi, in dem es um die Lösung eines Mordfalles gehen könnte, fort und endet schließlich als obsessive Liebesgeschichte, der aber die Tragik des berühmten Vorbilds Vertigo fehlt. Denn Hallam Foe ist auch eine Komödie voll frecher Dialoge und ironischer Übertreibungen. Zur Unbeschwertheit des Films trägt auch die Musik der schottischen Band Franz Ferdinand bei, die auf der diesjährigen Berlinale einen Silbernen Bären gewann. Im Gegensatz dazu fängt Kameramann Giles Nuttgens die nächtliche Silhouette Edinburghs schemenhaft und bedrohlich ein. Die Dachfirste erscheinen wie ein Gewirr aus Mauern und Winkeln, in denen man sich verlieren kann. Als Zuflucht bleibt Hallam da nur noch seine Wohnstatt hinter der Turmuhr des Hotels, ein surreal wirkender Platz, der aus Terry Gilliams Brazil stammen könnte.