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Madeinusa

| Otto Reiter |

Ein junges Mädchen mit dem merkwürdigen Namen Madeinusa lebt in einem peruanischen Andendorf, bedroht von einem dominanten Vater, für den Inzest die natürlichste Form männlichen Herrschaftsanspruchs ist.

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„Tiempo Santo“. Die so genannte heilige Zeit zwischen Karfreitag und Ostersonntag, jene wenigen Stunden, in denen Christus nichts sehen kann, weil er noch nicht auferstanden ist, verführt ein Dorf in den peruanischen Anden zu einem karnevalesken Zirkus anarchistischer Begierden und selbstzerstörerischen Lebensmuts. Pittoresk, provokant, morbid und revolutionär feministisch erzählt die junge peruanische Regisseurin Claudia Llosa in ihrem Kinodebüt von Abgründen, Lebensfreuden, Tabuverletzungen, Niederlagen, aber auch von Hoffnungen einer lustvollen Welt, jenseits von religiösen oder traditionellen Verboten.

Magaly Solier spielt die Titelfigur Madeinusa, ein verwirrtes junges Mädchen, jungfräuliche Heilige, Hure der ersten Menschheitsgeschichtenstunde und Femme fatale, wie sie Hollywoods Film noir nie darstellen konnte. Im Verlauf des Films singt Madeinusa Lieder in der Sprache Quechua, die ihr Liebhaber aus der Hauptstadt Lima nicht einmal verstehen kann, im Gegensatz zu 80 Prozent der peruanischen Bevölkerung. Und trotzdem war seit Jahrzehnten in keinem peruanischen Film ein Wort in Quechua zu hören.

Mit ihrem Film hat sich Claudia Llosa aber zur Tabubrecherin gemacht, die Reaktionen von Teilen der peruanischen Öffentlichkeit waren erschütternd: Llosa solle sich bei der andinen Bevölkerung entschuldigen, Inzest wäre nur eine Erfindung ihrer perversen Fantasie und sie solle nicht die populärsten Vorurteile der peruanischen Gesellschaft ausbeuten. Weiters wäre sie ja mittlerweile eine Fremde, eine gringa, weil sie in Barcelona lebe und eigentlich profitiere sie nur von der Reputation ihres Onkels, des Schriftstellers Mario Vargas Llosa.

Madeinusa ist über solche Vor- und Nachurteile erhaben, weil Claudia Llosa keine Ethnografin, keine Angestellte des peruanischen Tourismus-Büros, keine Ausbeuterin von irgendetwas ist, sondern einfach nur Regisseurin  ihres mutigen Films samt seiner subjektiven Sichtweise. Diese bietet dann auch sehr berührende Momente, wie jene Szene, in der die Protagonistin am Hemdkragen eines Mannes aus Lima ihren Namen wiederzuerkennen glaubt: Made in USA. Für die Region übrigens etwas gar nicht so Ungewöhnliches, tragen doch viele lateinamerikanische Kinder Namen wie Usnavy, Maolenin, oder Maikel Chekson und sogar Hitler.