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Film und Musik – Von Robin Hood bis Zappa

Von Robin Hood bis Zappa

| Mike Beilfuß :: Heinrich Deisl :: Barbara Wurm |

Drei Veranstaltungen im Wiener Konzerthaus widmen sich auf unterschiedliche Weise der Faszination von Film und Musik.

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Zeit ist Musik

Dem großen holländischen Musik-Dokumentarfilmer Frank Scheffer ist im Rahmen von „wien modern“ eine umfangreiche Retrospektive gewidmet.

Sein mit der Kamera eingefangenes Musikspektrum ist so breit wie bei praktisch keinem anderen: Egal ob Gustav Mahler oder Igor Strawinsky, ob zeitgenössische Komponisten wie John Cage, Edgard Varèse, Elliot Carter oder Karlheinz Stockhausen, ob Frank Zappa oder aktuelle elektronische Musik; nicht zu vergessen seine Kurz- und Experimentalfilme, eine Trilogie über Zappa und ein Langfilm über Carter, mit dem er seit 25 Jahren befreundet ist (A Labyrinth of Time, 2005): Scheffers Filme sind durchsetzt von kinematografischen Codes, die einen musikalischen Ursprung haben. Ähnlich wie Johan van der Keuken interessiert sich der 1956 im holländischen Venlo geborene Scheffer besonders für den soziokulturellen Hintergrund seiner Protagonisten. Neben diesem ist Scheffer übrigens der einzige Dokumentarfilmer, dessen Werk komplett vom Amsterdamer Filmmuseum übernommen wurde, 2001 fand beim Holland Festival eine Gesamtschau seiner Filme statt. „Der Plan war, Filmdokumentationen zu einem wichtigen Teil von wien modern zu machen“, so Kurator Berno Odo Polzer. „In der zeitgenössischen Musik ist das Hauptkommunikationsmedium nach wie vor Text. Es ging darum, die Grenzen zwischen Musik und Film einzureißen und mittels Film zu einem neuen oder Wieder-Hören zu gelangen. Scheffer mit seinem systematischen und historiografischen Ansatz zur Musik bot sich dafür an, schließlich wird an seinem Werk evident, wie nahe sich Film und Musik bei der Organisation von Zeit sind.“

Kaum verwunderlich, dass die frühen russischen Experimentalfilmer eine Initiation für Scheffer bildeten. „Über Eisensteins Essays über Montage kam ich dazu, kompositorische, strukturelle und narrative Elemente zwischen Musik und Film zu entwickeln. Als Musikfan seit frühester Jugend wollte ich mir die Resultate eines jahrhundertelangen Nachdenkens über Musik für meine Filme nutzbar machen. Später, in den 80ern, beeindruckte mich Cages Ansatz der zufälligen Komposition.“ Eine Methode, die seit den 60ern als random processing oder cut-ups in diversen Kunstsparten zwischen Brakhage und Burroughs erprobt wurde und zurzeit in der elektronischen Musik ihre differenzierteste Ausprägung findet. Cage, der als einer der Überväter dieser Musikgattung gilt, bezog diese Arbeitsweise aus dem antiken chinesischen Weisheitenbuch I-Ching, dessen zyklische Philosophien auch auf Scheffer als principle transformation starken Einfluss ausübten – ein Ausdruck, den er wiederum aus einem Buch von Wassily Kandinsky übernommen hatte. Ursprünglich wollte Scheffer eigentlich Maler werden, realisierte aber bald, dass er seine Begeisterung für Musik im Film wegen dessen Dynamik besser umsetzen konnte.

Gemeinsame Strukturen

Scheffer ist einer jener Grenzgänger entlang der audiovisuellen Fronten, bei dem sich Klänge zu Kadern und Einstellungen zu Partituren verdichten. Mögen die eingehenden Recherchen von biografischen und historischen bis zu Partiturstudien reichen: Scheffer transformiert diese musikalischen Prinzipien zu einer dokumentarfilmischen Semantik. „Ich nehme die Struktur und den Charakter der Musik, jene Methoden, mit denen der Komponist arbeitet. Das ist das Prinzip. Dieses wird durch den Blick des Dokumentaristen transformiert. Es geht nicht um eine Interpretation der Musik durch Film, sondern darum, den verbindenden Strukturen und Elementen habhaft zu werden.“

Wie sich derartige Verschränkungen ausgehen können und dabei syntaktisch neue Inhalte kreieren, zeigt Wagner’s Ring (1987), ein von Cage initiierter Film, in dem Scheffer den Ring des Nibelungen zu einer dreieinhalbminütigen Bild- und Tonkaskade montierte. Weniger radikal fiel Conducting Mahler (1996) aus – nichtsdestotrotz avantgardistisch, weil hier nur Dirigenten in Close-Ups zu sehen sind, wie sie Eisenstein nicht besser organisiert hätte. Und auch bei einem seiner bekanntesten Filme, Time is Music (1987), in dem Cage und Carter miteinander verschränkt montiert werden, sehen wir Einstellungen, die dem expressionistischen Film entlehnt scheinen und mit langläufigem, personen- und eventorientiertem Abfilmen gar nichts zu tun haben. Diesen Film umgibt eine berührende Intimität, wenn die Kamera ins tägliche Komponieren mit all dem Frust und der Lust daran hineinzoomt.

Ende der 90er Jahre gelangte Scheffer zur elektronischen Musik, eine Entwicklung, die durch seine Biografie und in der avancierteren Beschäftigung mit aktueller Musik nur konsequent scheint, deren theoretisches Unterfutter aber erst langsam entsteht. „Ich war immer schon ein großer Zappa-Fan. Durch ihn kam ich zu Varèse. Und von dort zur Elektronik.“ In der Serie Sonic Acts (1998), Chromosonic (2000) und Chessonic (2001) wird mittels Interview-Takes mit den Pionieren Pierre Henry und Stockhausen, mit DJ Spooky oder Merzbow jenen Prozessen nachgegangen, „die der Paradigmenwechsel vom Analogen zum Digitalen zeitigte. Materialhaftigkeit und soziale Prozesse gestalten sich fragmentierter. Davon sind Postproduktion und Schnitt am offensichtlichsten betroffen. Ich habe jetzt, ähnlich wie Mahler, die Möglichkeit, meine Filme immer wieder zu ändern und Umgestaltungen als einen organischen Prozess zu sehen. Aber das hat Walter Murch in meinem Interview schon 1980 vorgeschlagen.“

Wien – Asien

Für Scheffer kommt die Retrospektive in Wien genau zur richtigen Zeit. Schließlich hat er sich eingehend mit der „Zweiten Wiener Schule“ Schönbergs, Weberns und eben Mahlers auseinander gesetzt. „Webern interessiert mich nach wie vor, obwohl ich mich seit einiger Zeit intensiv mit der Musik im Iran und in China und dem interkulturellen Dialog beschäftige. Die Dokumentation Tea über die chinesische Tee-Zeremonie mit Kompositionen von Tan Dun von 2005 und der noch fertig zu stellende Film über den iranischen Komponisten Nader Mashayekhi, der 25 Jahre in Wien gearbeitet und mit seinem Teheran Symphonie Orchester eine der für mich besten Zappa-Interpretationen gemacht hat, führen in diese Richtung. Was kommt näher an die Natur der Dinge als Musik? Sie ist eine Sprache ohne Grenzen, ein globales Phänomen. Darin sehe ich eine der fundamentalen Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts.“

Als Spielstätte für die Scheffer-Retrospektive wurde nach langer Suche auf den Neuen Saal des Wiener Konzerthauses zurückgegriffen, wodurch die Filminhalte zu ihrem sozusagen angestammten Platz zurückkehren. Denn ein Großteil der Werke jener Musiker, die in Scheffers Filmen auftauchen, könnte dort ungeniert konzertant aufgeführt werden – was bei einigen ja auch der Fall war. Vorteil: eine Kinosituation mit endlich einmal adäquatem Sound. Für die 18 von Scheffer mit Andreas Lewin, dem Kurator des Doku.Arts-Festivals, zusammengestellten Programme wurden sämtliche Filme auf Beta kopiert und zwei Filme exklusiv angefertigt, Scheffer wird an einem Abend ein Musikstück live visualisieren. Vier Tage lang gibt es statt Konzerten nur Filme und Installationen wie Music for Airports (1999) über den Ambient-Musiker Brian Eno zu sehen. Eine Retrospektive als Experiment, das der liaison dangereuse zwischen Musik und Film neuen diskursiven Brennstoff verpasst. Heinrich Deisl

Funknachrichten vom Roten Planeten

„Film + Musik live“ präsentiert eine absolute Rarität des sowjetischen Kinos: Aelita, ein Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1924.

Die Radio-Ingenieure Loss und Spiridonov – zwei vom Kosmos begeisterte und ein Raumschiff bastelnde Helden des „ersten“ russischen Science-Fiction-Films AelitaQueen of Mars (1924) – hätten vermutlich ihre Freude gehabt: Mit technologischem Experimentiergeist sorgen Dennis James und Mark Goldstein am 25. November im Wiener Konzerthaus kompositorisch und als Performer dafür, dass Aelita auch zu jenem multimedialen Ereignis wird, als das dieses konstruktivistischste und futuristischste aller russisch-avantgardistischen Stummfilm-Spektakel bereits angelegt ist. Denn James/Goldstein greifen auf drei unkonventionelle geräusch- und klanggenerierende Instrumente zurück, deren Ursprünge genau jene geografisch-zeitliche Brücke von den sowjetischen 20er Jahren bis zum kalifornischen Heute nachzeichnen, die auch die Wiener Aufführung auszeichnet: auf das „Theremin“ (auch bekannt als „Aetherphone“ bzw. „Thereminvox“), ausgeheckt um 1920 vom Leningrader Professor für Physikalische Technik Lew Sergejewitsch Termen (später Leon Theremin), ein kongeniales Elektronik-Teil, welches dadurch in Stimmung (und Schwingung) kommt, dass sich Musikerhände in konkreten räumlichen Entfernungen zu den Antennen des Instruments bewegen; auf das „Buchla Lightning“, ein nach dem Amerikaner Don Buchla benanntes optisches Infrarot-Gerät aus dem Jahr 1990, das Positionierung und Bewegung von Körpern in MIDI-Signale verwandelt; sowie schließlich auf den dazugehörigen „Buchla Thunder“, ein oberfläch-sensitives Kontroll-Board, mit dem man Signale durch Fingerberührung steuern kann.

Technikbegeisterung

Diese postmoderne Variante der musikalischen Real-Time-Begleitung wird schließlich durch den Einsatz der großen Orgel des altehrwürdigen Saals komplettiert – und auch das muss als völlig stimmiger Reflex auf den Film selbst verstanden werden. Denn war Aelita über Jahrzehnte hinweg für die einen die ewig unentdeckte Perle des russischen Kinos, Vorbild nicht nur für die eigene, innersowjetische SciFi-Tradition, sondern auch für internationale Meilensteine des frühen Massen- und Techno-Kinos wie etwa für Fritz Langs Metropolis, so waren gerade die Reaktionen der sowjetischen Kritik stets eher verhalten (und insbesondere in den ersten Jahren auch ziemlich polemisch). Und dies – um auf die musikalische Alt-Neu-Kombination zurückzukommen – könnte genau daran liegen, dass sich in Aelita eben revolutionäre Fortschrittsgläubigkeit mit klassischen (und mehr noch: romantischen) Attributen vermischt, die insbesondere in den Charakterzügen und inneren Motivationen der Protagonisten zum Vorschein kommen.

Kein anderer Regisseur als Jakov Protazanov – der seit 1907 an die 80 vorrevolutionäre Filme gedreht hatte – konnte die Widersprüche und die gerade für die Lenin’schen NEP-Jahre so bezeichnende Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen derart präzise und scharf fassen, kein anderer war selbst so tief mit dem zeitspezifischen Schicksal des „bürgerlichen Spezialisten“ verhaftet. Beißende Ironie, stellenweise aber auch einen Hauch Nostalgie hat der Altmeister hier für seine vielen Helden übrig, die – ob auf der Erde oder auf dem Mars – hin- und hergerissen sind zwischen bourgeoisen Liebesträumen, experimentellem Forschen und proletarischem Massenaufstand.

In der Adaption des Romans von Aleksej Tolstoj werden die zwei Planeten dramaturgisch hochkomplex als mis-en-abyme verschachtelt: Während der (von seiner anderswertig frivol turtelnden Geliebten zunehmend entfremdete) Erfinder Loss sich in seinen Tagträumen auf den Mars begibt, hat die dortige Herrscherin Aelita – verkörpert von der einzigartigen Julija Solntschewa, gekleidet in einzigartige konstruktivistische Kostüme, entworfen von der einzigartigen Aleksandra Ekster – mit dem eigentlichen Regieren so wenig zu tun, dass sie sich oft nur der Erotik des Blicks (auf die Erde und die Erdlinge) hingibt, und zwar in einem buchstäblichen und technoiden Fern-Sehen – inklusive Kontrollkamera-Faktor. So bespiegelt man sich gegenseitig in mentalen und virtuellen Bildern und kommt sich am Ende (doch wieder nur) naturgemäß nahe, in der körperlichen Anziehung mindestens ebenso wie in der ideologischen Ablehnung. (Dass in Loss’ Umarmungen aus Aelita durchaus mal Natascha, die Erd-Geliebte, wird, macht die Sache nur noch komplizierter und führt vor allem in den Mögliche-Welten-Diskussionen der SciFi-Forscher zu ungelösten Problemen.)

Ob der Harmonika spielende Bolschewik Gusev oder der mit amateurhaften Methoden operierende Detektiv Krawtschow (Loss’ Reisebegleiter bei der ‚nun wirklich’ stattfindenden Raumschiff-Exkursion zum Roten Planeten), ob der edle Marsianer Gor, der emigrierende Technicus Spiridonov oder der aristokratische Betrüger Erlich – ihre knappe Zeichnung ist so nachhaltig, dass auch die opulenten Massentumulte in den untermarsianischen Höhlen und die vielen Roboter-Männchen (ausstaffiert mit kantigem Karton) sie nicht weg-spielen bzw. -spülen können. Ein Glanzstück der postrevolutionären Wirren, ein Meisterwerk des pointierten Erzählens und eine Sternstunde der Technik- und Medienbegeisterung (und -horror). Schließlich führt die als Dechiffrierungsjagd eines seltsamen „Radiogramms“ vom Mars einsetzende Story über Energiequellen zur Überwindung der Erdanziehungskraft auch an den unterdrückten Marsproletariern vorbei – und die, zumindest „ein Drittel dieser lebendigen Kraft“, werden auf Beschluss des Ältestenrats in Kühlkammern gelagert. Barbara Wurm

Oper ohne Gesang

Mit einer Hommage an Erich Wolfgang Korngold bestreitet die Reihe „Hollywood in Vienna“ ihren Auftakt.

„Mein Ziel war stets, für den Film eine Musik zu schreiben, die seiner Handlung und Psychologie gerecht wird und die sich trotzdem – losgelöst vom Bild – im Konzertsaal behaupten kann.“ (Erich Wolfgang Korngold)

Der 1897 in Brünn als Sohn eines Musikkritikers geborene Erich Wolfgang Korngold war das Klassik-Wunderkind des beginnenden 20. Jahrhunderts, er war bis in die 30er Jahre der – neben Richard Strauss – meistgespielte Opernkomponist im deutschsprachigen Raum. Die bereits in Berlin begonnene Zusammenarbeit mit dem Theaterregisseur Max Reinhardt brachte ihn schließlich nach Hollywood, wo Reinhardt für Warner Bros. A Midsummer Night’s Dream inszenieren sollte. Für Korngold bedeutete diese Arbeit den Start in eine zweite Karriere a ls Filmkomponist. Zunächst lehnte er einen festen Vertrag ab und pendelte zwischen Hollywood und Wien hin und her. Erst 1938, gezwungen durch den „Anschluss“, emigrierte er für elf Jahre in die USA. In der Zeit zwischen 1935 und 1947 schuf Korngold insgesamt 18 Filmmusiken.

Was ihm in dieser Zeit gelang, war nicht weniger als eine Revolution. Er komponierte Filmmusik nicht auf die bisher etablierte Art, bei der getreu des mickey mousing „mit jeder Veränderung der Kameraeinstellung auch die musikalische Stimmung wechselte“ (Hugo Friedhofer, Korngolds langjähriger Orchestrator), sondern er sah die Musik als integralen Bestandteil des Gesamtkunstwerks Film – als eine Art „Oper ohne Gesang“. Seine Musik war die erste in Hollywood, die in weitschweifigen Bögen und übergreifenden dramaturgischen Linien einen Film kommentierte. Eine unterstützende Methode Korngolds war es, die Höhenlage der Musik dicht unter die Stimmlagen der Schauspieler zu legen oder gar manchmal deren Tonfall oder Stimmrhythmus zu imitieren – was den Dialogen einen ganz eigenen, manchmal beinahe arienhaften Touch gab. Mit dieser Herangehensweise prägte Korngold die nachfolgenden Komponistengenerationen nachhaltig. Zudem wurde er der bestbezahlteste Filmkomponist in Hollywood, und sogar die Autorenrechte an seiner Musik blieben bei ihm – ein absolutes Novum. Die bekanntesten von ihm vertonten Filme sind die Abenteuer- und Swashbuckler-Filme mit Errol Flynn. 1935/36 komponierte Korngold die Musik zu Captain Blood, jener Seeräuberfilm, mit dem auch Flynn über Nacht zum Kinostar wurde. 1937 gewann er seinen ersten Oscar für Anthony Adverse, 1938 schuf er mit der Musik zu The Adventures of Robin Hood eines der zentralen Werke der Filmmusikgeschichte und wurde erneut mit dem Oscar ausgezeichnet.

Einflussreich bis heute

Diese Musik steht auch im Mittelpunkt einer Filmmusik-Gala am 29. November im Wiener Konzerthaus. Die Veranstaltung mit dem Radio Symphonie Orchester Wien unter dem Dirigat des Filmmusik-Experten John Mauceri ist gleichzeitig Auftakt zu einer Reihe von Filmmusik-Konzerten unter dem Titel „Hollywood in Vienna“. Dass der Schwerpunkt diesmal bei Korngold liegt, ist nicht nur seiner Wiener Herkunft geschuldet, sondern auch dem Datum des Aufführungstages, denn es ist Korngolds 50. Todestag. Die Würdigung, die der Komponist in den letzten Jahrzehnten erfährt, ist dabei keineswegs selbstverständlich, denn Korngolds Versuch, nach seinen Hollywood-Jahren wieder Fuß als „klassischer“ Komponist zu fassen, misslang gründlich: Das Publikum nahm seine Werke zwar äußerst wohlwollend auf, Kritik und Presse aber verrissen die Musik und brandmarkten sie als „zu tonal“. Korngold wurde zum Opfer eines elitären musikalischen Fortschrittgedankens, der ausschließlich die serielle Zwölftonkomposition als musikalische Sprache zuließ. Zudem war Korngold mit dem „Makel“ des Filmkomponisten behaftet; Filmmusik galt in Europa damals als niedere Kunstform. Das Gesamtwerk Korngolds verschwand in der Versenkung, um erst in den Siebzigern allmählich eine Renaissance zu erfahren.

Der Einfluss, den Korngold bis heute in Hollywood hat, lässt sich auch am Konzertprogramm ablesen: John Williams etwa gilt als einer der größten derzeitigen Hollywood-Filmmusiker, der seit Jahrzehnten einen Stil mit konzertanten Ambitionen pflegt. Die Musiken von Steven Spielbergs Stammkomponisten liegen groß und breit über den Filmen und sind stark thematisch gearbeitet. Seit Jahren schon ist Williams zu Gast in den Konzerthäusern der Welt – nicht zuletzt seiner Musik zu Star Wars ist es auch zu verdanken, dass die große orchestrale und hochromantische Filmmusik wieder Einzug gehalten hat in Hollywood. Dieses ausgeprägte melodische Gespür, das auch schon Korngold auszeichnete, teilt Williams mit Jerry Goldsmith, der mit seinem Thema aus Star Trek ebenfalls zu hören sein wird. Dass die feinen Nuancen der Kompositionen herausgearbeitet werden und auch der typisch schwelgerische hollywoodsche Bogenstrich nicht fehlt, dafür wird Dirigent John Mauceri sorgen. Der enge Freund und Wegbegleiter Leonard Bernsteins gilt als ausgewiesener Korngold-Experte und ist maßgeblich an der Verbreitung des Werkes von Korngold beteiligt. Mike Beilfuß