ray Filmmagazin » Dokumentarfilm » La dignidad de los nadies

La dignidad de los nadies

| Verena Teissl |

Werbung

Altmeister Fernando Solanas verliert sich bei seinen Betrachtungen über das argentinische Volk in guten Absichten und miserabler Filmsprache.

Er ist in Argentinien der derzeit einzige, der das Medium Dokumentarfilm für Analysen und Betrachtungen des wohl erschütterndsten ökonomischen Niedergangs einer Nation in den letzten Jahren nützt: Fernando Solanas, dessen Name dank seiner Ko-Autorenschaft von La Hora De Los Hornos (1967) und seinen Spielfilmen Tangos – El Exilio Del Gardel (1985) und Sur (1987) der Filmgeschichte eingeschrieben ist, macht sich in einem groß angelegten Projekt aus mehreren Filmen zum Chronisten der argentinischen Staatspleite und ihrer Auswirkungen. War der erste Beitrag Memoria Del Saqueo noch ein zumindest informativer Beitrag über die Hintergründe und Drahtzieher des Staatsbankrottes, so ist La Dignidad De Los Nadies (Die Würde der Niemande) ein rundum gescheiterter Versuch, jenes sozialkritische Kino, das als „cine militante“ in den 1970er Jahren bekannt und anerkannt wurde, weiter zu führen. In seiner Montage aus Aufnahmen von Massendemonstrationen und individuellen Geschichten beabsichtigt Solanas, dem „Volk“ – die „Niemande“, wie der Titel des Films schon recht unglücklich mitteilt – Gesichter und Individualität zu verleihen. Wir lernen einen Motorrad fahrenden Schriftsteller kennen, der während einer Demonstration angeschossen wurde, eine Armenküche in den Vororten von Buenos Aires, eine Bäuerin, die gegen die Zwangsversteigerung ihrer Äcker mit dem Anstimmen der Landeshymne protestierte und über das Fernsehen zur lokalen Berühmtheit wurde und Arbeiter, die sich „ihre“ Fabrik zurückerobern. Jede einzelne Geschichte wäre es wert gewesen, sie mit jener Würde und analytischen Genauigkeit zu erzählen, die Solanas indes nur vorgibt. Ein „Kino der freien Verschmelzung, das sich neue Technologien zunutze macht“ sei ihm vorgeschwebt. Doch sein von ihm selbst gesprochener onkelhafter Kommentar veräußert mehr Pose als Interesse, die amateurhafte Kameraführung beleidigt des öfteren die interviewten Protagonisten durch fehlendes Maß an Augenhöhe und die verwackelte Handkamera bei den Demonstrationsszenen macht sich wie ein müdes Echo eines verpufften Aktivismus aus. Man möchte der Schweizer Koproduktionsfirma ebenso wie dem Verleih zurufen: „Bitte nicht mehr nach guten Absichten und groß klingenden Namen entscheiden! Nützt eure Augen und vertraut darauf, was ihr selber wissen wollt, denn in keinem Land auf dieser Erde ist das Volk so dumm, wie es von den Intellektuellen oft gehalten wird!“