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Wie ich das Ende der Welt erlebte

| Günter Pscheider |

Atmosphärisch dichtes Coming of age-Drama vor dem Hintergrund des Sturzes von Nicolae Ceausescu…

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Heranwachsende sind beliebte Protagonisten von Filmen, die sich mit diktatorischen Systemen auseinandersetzen. Einerseits, weil sie Hymnen leicht falsch singen können, ohne peinlich zu wirken, andererseits, weil ihr unschuldiger Blick einen harten Kontrast zu den Zwängen des Sys-tems bietet. Catalin Mitulescu schafft es mit einem Kunstgriff – nämlich dem, ein Geschwisterpaar mit einem Altersunterschied von zehn Jahren in den Mittelpunkt des Plots zu stellen – dass sich der Zuschauer mit dem wilden In-den-Tag-hinein-Leben eines Kindes und der Zerrissenheit der späten Pubertät zugleich identifizieren kann. Der Film ist nahezu ausschließlich aus den Perspektiven der rebellischen Eva (glänzend gespielt von Dorotheea Petre) und des ständig kranken, aber phantasiebegabten Lila erzählt. Eva ist ausgerechnet in den Sohn eines Geheimpolizisten verliebt. Als sie zustimmt, endlich mit ihm zu schlafen, zerstört er im Überschwang der Gefühle eine Ceausescu-Büste. Weil er zu feig ist, Eva beizustehen, als sie von der Schule verwiesen werden soll, distanziert sie sich von ihm. In einer Besserungsanstalt lernt sie Andrej kennen, der sich darauf vorbereitet, die eiskalte Donau zu überqueren und ein neues Leben in Europa zu beginnen. Er überredet sie, sich ihm anzuschließen, doch mitten im reißenden Fluss überlegt es sich Eva anders und kehrt zu ihrer Familie zurück. Der zweite Handlungsstrang widmet sich den teils bizarren Freuden und Leiden ihres siebenjährigen Bruders, der den Widerwillen gegen den verhassten Diktator scheinbar schon mit der Muttermilch aufgesogen hat und prompt ein Attentat plant, als er dazu auserwählt wird, ein Gedicht in Ceausescus Anwesenheit vorzutragen.

Doch die Handlung und die dramaturgische Umsetzung interessieren den Regisseur anscheinend nicht besonders. Ihm liegt viel mehr daran, eine Alltagswelt genau zu beschreiben, in der zwar geliebt und gestritten wird wie überall, wo jedoch ein straff organisiertes Spitzelwesen in jedes Detail des täglichen Lebens eingreift. Präzise führt die Inszenierung vor Augen, wie es sich anfühlt, nicht öffentlich sagen zu können, was man denkt, man aber, trotz Ablehnung des Regimes, doch gelegentlich die Hilfe staatlicher Organe in Anspruch nimmt. Die erste Stunde des atmosphärisch dichten Filmes bleibt durchwegs spannend, obwohl wenig passiert, dann aber verliert sich das Drehbuch zu sehr in Nebensächlichkeiten und belanglosen Episoden, um das Interesse bis zum allzu versöhnlichen Schluss aufrecht erhalten zu können.