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Filmkritik

10 Fragen an den Dalai Lama

| Bettina Schuler |

Ein ungewöhnliches Interview mit dem im Exil lebenden Oberhaupt Tibets.

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„Ich gelobe, mich darin zu üben, nichts zu nehmen, was nicht freiwillig gegeben wird“, lautet eine der fünf sittlichen Regeln des Buddhismus. Eine harte Auflage für ein Volk, dessen Land vor 50 Jahren gewaltsam annektiert wurde und noch immer unter der Knute der chinesischen Besatzer steht. Doch trotz allem hält der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, an seinem Credo des gewaltlosen Widerstandes fest und ruft seine Landsleute, die immer häufiger zu Gewalttätigkeiten gegenüber den Chinesen neigen, dazu auf, weiter an einer friedlichen Lösung des Konflikts zu arbeiten. Doch wer ist eigentlich dieser schelmische alte Herr, der nicht müde wird, in Sachen Tibet die ganze Welt zu bereisen? Und der, obwohl selbst aus seiner Heimat vertrieben, seinen Glauben an die Menschheit nicht verliert? Dieser Frage versucht Rick Ray in seiner Dokumentation nachzugehen. Im Mittelpunkt steht dabei eine 45-minütige Audienz bei dem Dalai Lama, wobei Ray gestattet wurde, zehn Fragen an seine Heiligkeit zu richten, und die der Regisseur zum Anlass nimmt, um dem Zuschauer die Geschichte Tibets näher zu bringen. Anhand von Archivaufnahmen und Interviews, die Ray im Verlauf seiner Reise nach Lhasa, der Hauptstadt Tibets, führte, gelingt es ihm, ein Bild dieses unterdrückten Landes zu zeichnen und dem Zuschauer zugleich den Menschen hinter dem Amt des Dalai Lama ein wenig näher zu bringen. So erfährt man nicht nur, dass seine Heiligkeit überaus geschickt im Reparieren von Uhren ist, sondern auch, dass er nichts langweiliger findet, als langwierige Festzeremonien, die er durch außerplanmäßige Abweichung vom Protokoll gerne durcheinander bringt.

Leider ist dem Film jedoch auch die wachsende Bewunderung, die Rick Ray dem Dalai Lama entgegenbringt, deutlich anzumerken, und so wirkt der Regisseur streckenweise mehr wie ein Fan denn ein Dokumentarist. Nur zaghaft stellt er dem tibetischen Oberhaupt kritische Fragen über das feudalistische System, das vor der chinesischen Invasion in Tibet herrschte. Obwohl dessen Antworten für das Verständnis des chinesisch-tibetischen Konflikts überaus interessant sind, wird doch deutlich, dass er ein strikter Gegner dieses veralteten Klassengesellschaftsmodells ist. Doch wenn man dem schelmischen jungenhaften Mann in seinem roten Gewand bei seinen Ausführungen über die scheinbar simplen Lösungen für die Konflikte dieser Welt zuhört, kann man verstehen, dass der Regisseur dem Charisma dieses  Mannes verfallen ist.