Chiko

Filmkritik

Chiko

| Ralph Umard |

Zwei junge Männer versuchen mit aller Gewalt, Karriere als Rauschgifthändler im Hamburger Milieu zu machen.

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Chiko und Tibet träumen von Reichtum, tollen Autos und Frauen. Aggressiv drängen sie in die Hamburger Drogenszene, verkaufen Cannabis und Kokain für den Großdealer Brownie. Die Beziehung der zwei Türken erinnert an jene, von Harvey Keitel und  Robert De Niro in Scorseses Klassiker Mean Streets gespielten Charaktere: Chiko ist smarter als Tibet, er muss dem impulsiven Freund immer wieder aus der Patsche helfen. Tatsächlich ist der deutsch-türkische Regisseur Özgür Yildirim ein erklärter Fan von Martin Scorseses frühen Filmen. Wenn Tibet seinen Kopf rasiert, so deutet das, wie in Taxi Driver, einen Wandel zum radikalen Gewalttäter an, daneben weist Chiko auch noch andere bekannte Bildmotive und Zitate auf. Ohne sozialpädagogischen Anstrich oder Sentimentalität, aber mit Sinn für Melodramatik, zeigt Yilderims gelungenes Kinodebüt schnörkellos den Aufstieg und Fall ehrgeiziger Möchtegern-Gangster.

Wenn zu Beginn mit derben Dialogen in den sprachlichen Codes der Szene der soziale Hintergrund und die Wesensart der beiden Halbstarken skizziert werden, die zunächst respektvoll vor Tibets Mutter kuschen, wirkt das noch komisch. Doch die Stimmung kippt schnell, als  Chiko rabiat ein Revier für den Marihuana-Handel beansprucht und Tibet heimlich auf
eigene Rechnung mit Brownies Drogen dealt. Um seine Autorität zu wahren, straft Brownie den Betrüger schmerzhaft ab, und Chiko muss sich zwischen Loyalität zu seinem Boss und Solidarität mit seinem besten Freund entscheiden.

Chiko zeichnet sich durch eine naturalistische Milieuschilderung und facettenreiche Charakterdarstellung aus, Yildirims Mentor und Produzent Fatih Akin half bei der Drehbuchentwicklung. Moritz Bleibtreu als Obergangster beispielsweise ist einerseits ein durchaus sympathischer Chef und fürsorglicher Ehemann, andererseits ein brutaler Gewalttäter. Regisseur Yildirim ist in Hamburg-Dulsberg, dem Hauptschauplatz des Films, als Sohn eines Taxifahrers und einer Schneiderin aufgewachsen und deshalb mit der dortigen Szene bestens vertraut. Er stellt in Chiko neben Geldgier vor allem Geltungsdrang als beherrschende Triebkraft heraus, immer wieder ist von Ehre und Respekt die Rede. Doch „wenn man sich Respekt mit Gewalt holt, dann gibt es irgendwann einen, der dir den Respekt wieder wegnimmt“, betont Yildirim. „Ich bin jemand, der absolut gegen Gewalt ist, auch wenn manche, die den Film sehen, meinen, er sei Gewalt verherrlichend.“