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Du bist nicht allein

| Günter Pscheider |

Warmherziges Sozialdrama im Plattenbaumilieu von Berlin.

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„Jetzt wird wieder alles gut, ich habe wieder Arbeit“, verkündet Frau Moll ihrem Mann Hans. Die Bewohner der Plattenbausiedlung irgendwo in der Nähe von Berlin suchen einen Job und wer bereits über 40 ist, muss froh sein, als unterbezahltes Wachpersonal eingestellt zu werden. Auch für Hans scheint wieder einmal die Sonne: Er hat sich in seine neue Nachbarin Jewgenia verliebt, bei der Renovierung ihrer Wohnung gibt es eine zarte Annäherung. Er kann gar nicht anders, als der Exilrussin mit dem Geld seiner Frau die dringend benötigte Waschmaschine zu schenken. Das Ensemble komplettiert ein in Trennung lebendes Ehepaar: Der ehemalige Physiker Wellinek driftet antriebslos durch den alkoholgeschwängerten Tag, und seine Ex-Frau hält sich als Sprecherin für zwielichtige Hotlines über Wasser. Während das anfangs in ihrer Beziehung sicher scheinende Ehepaar Moll sich unaufhaltsam auseinander zu bewegen scheint, kommen sich die Wellineks trotz aller Konflikte langsam wieder näher.

Der vor allem durch sensible Fernsehfilme bekannte Regisseur Bernd Böhlich versucht sich in diesem exzellent besetzten und gespielten Ensemblefilm auf den Spuren von Ken Loach. Die sozial unterprivilegierten Menschen werden mit all ihren Schwächen und Unzulänglichkeiten warmherzig als Helden des Alltags gezeichnet, die in einer Phase des Umbruchs wichtige Entscheidungen, die ihr Berufs– und Liebesleben für immer verändern könnten, treffen müssen. Was ihnen, leicht nachvollziehbar, schwer fällt, schließlich mag Hans seine Frau immer noch, auch wenn er bei
Jewgenia etwas Verlorenes wieder zu finden glaubt. In einer der schönsten Szenen des Films wird Hans von der versammelten russischen Community in Jewgenias kleiner Wohnung dazu genötigt, ihnen ein Lied vor zu tragen. Er stimmt nach langem Zaudern, ganz schüchtern und
leise, Du bist nicht allein, eine Edelschnulze von Roy Black, an. Man ist versucht, über die holprigen Gesangsversuche zu lachen, doch nach und nach wird seine Stimme lauter und fester, bis man am Schluss mit den begeisterten Russen applaudieren mag, und der kitschige Schlagertext über die Sehnsucht nach Liebe allein durch die Glaubwürdigkeit des Vortrags einen tieferen Sinn bekommt. Vielleicht hätte sich die Inszenierung ein wenig mehr auf die Figur von Hans konzentrieren sollen, der Einblick in den Mikrokosmos von kraftvoll kämpfenden Modernisierungsverlierern ist zwar gut beobachtet, die potenziellen Konflikte in der Liebesgeschichte werden aber zu beiläufig abgehandelt.