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Leonardo DiCaprio Der Mann, der niemals lebte / Body of Lies

Body of Lies

Der Harte und der Zarte

| Jan Pehrke |

In Ridley Scotts „Body of Lies“ streiten Leonardo DiCaprio und Russell Crowe über die richtige Strategie im „Kampf gegen den Terror“.

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Gehören wir da überhaupt hin?“, kommt der CIA-Mann Ed Hoffman (Russell Crowe) einmal mit seinem Außendienst-Mitarbeiter Roger Ferris (Leonardo DiCaprio) über die Aktionen im Nahen und Mittleren Osten ins Grübeln. Er bringt sich aber flugs selber wieder zur Räson. „Es spielt keine Rolle, welche Antwort du darauf gibst, weil wir nun einmal da sind“, so Hoffman. Und genau diese Perspektive macht sich Body of Lies zu eigen: Der „War on Terror“ läuft nun mal, ob es Alternativen gab, steht hier nicht mehr zur Debatte – jetzt geht es nur noch darum, ihn zu gewinnen.

Da bleiben nur noch Strategie-Fragen übrig, und solchen widmet sich Body of Lies auch in ganzer Breitwand-Breite. Zwischen Hoffman und Ferris entspinnt sich nämlich ein Methodenstreit: Hoffman setzt auf avancierte Technik, betreibt den „War on Terror“ gut vernetzt in Heimarbeit von seinem Wohnsitz aus und ist in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich. Ferris hingegen entfaltet vor Ort Basis-Aktivitäten, spricht Arabisch und legt Wert auf ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Geheimdiensten der Verbündeten. Noch dazu hält er sich an das Gebot „Du sollst nicht soviel töten“ und zeigt sich auch sonst dem Moralischen gegenüber nicht unaufgeschlossen.

Mission Impossible

Bei den durch Aufklärungssatelliten und modernen Kommunikationsmitteln koordinierten Einsätzen brechen daher immer wieder Konflikte aus. So weigert sich Hoffman strikt, einen von Ferris’ Informanten, der um sein Leben fürchtet, aus dem Irak auszufliegen. Der Mann fügt sich in sein Schicksal und wird schließlich auf offener Straße verschleppt. Der tödliche Schuss kommt dann allerdings aus der Waffe von Ferris: Wenn der Informant nicht mehr zu schützen ist, dann gilt es wenigstens, seine Informationen zu schützen. An seinem nächsten Arbeitsplatz Jordanien bezieht der CIAler gnädigerweise den dortigen Geheimdienst-Chef Hani in die Pläne der USA ein und zeigt sich sogar bereit, dessen Mahnung „Lügen Sie mich nie an“ Folge zu leisten. Aber Hoffman startet hinter dem Rücken der beiden schon eine Parallelaktion und wartet bei einem Lokaltermin überdies mit so viel Arroganz der Macht auf, dass die gerade erst geschmiedete „Achse des Guten“ unter dem titelgebenden Body of Lies zusammenbricht.

Als der Agent per Kidnapping in die Fänge der Gegenseite gerät, versagt auch der ganze technische Schnickschnack. Die Entführer machen einen Zwischenstopp in der Wüste, entfachen mit ihren Autos einen veritablen Schirokko, um der CIA-Kamera Sand in die Augen zu streuen, und stieben daraus in vier Richtungen hervor. Der Kontrollraum im fernen Amerika konstatiert Kontrollverlust und gibt die Ortung auf. Herausboxen muss Ferris schließlich der Kollege Hani, der allerdings inzwischen auch so seine Geheimnisse hat. „So klappt das hier nicht“, lautet Ferris’ Resümee am Schluss. Er demissioniert und bleibt bei seinem love interest in Amman. Das allgegenwärtige CIA-Auge hält seinen Schützling noch eine Weile im Blick und zoomt dann in die unendlichen Weiten des Luftraums weg.

Politik ohne Besinnung

Und damit überlässt ihn auch Ridley Scott sich selbst. Der Regisseur identifiziert sich zwar mit Ferris‘ aufrichtiger „small is beautiful“-Haltung, aber ästhetisch hält er es mit dem Großen Bruder, weil da mehr eye candy abfällt. Nur allzu gern zeigt der technoide Filmemacher die riesigen Monitorwände der CIA her und betreibt mit seinem High Definition-Videogerät Aufklärung von der Luft aus. Wie ein Raubvogel stürzt es virtuell aus der Höhe herab und dringt bis in die kleinsten Winkel einer Stadt vor. Wenn Scott in eine Menschenmenge hält, fahndet man automatisch nach finsteren islamistischen Gesellen oder erwartet die nächste Explosion, als wär’s ein Stück aus einer Überwachungskamera. Einzelwesen vermag diese unter den Arabern nicht zu identifizieren, und als Einzelwesen wird auch Ferris in Amman nicht wahrgenommen. „Wer ist der Jude?“, fragt einmal eine Café-Besucherin ihre Nachbarin. Nur der iranischen Krankenschwester Aisha gewährt Body of Lies mehr Raum – schließlich kann ein Leonardo DiCaprio nicht ohne weiblichen Anhang bleiben. Aber sie enthält sich auch brav jeglichen Kommentars zur US-amerikanischen Politik, und ihre kleinen Neffen hat der Westen via McDonald’s und Spaghetti schon fest im Griff.

Geografisch dreht der Film ebenfalls am großen Rad. Im imperialen Gestus durchmisst er ganze Kontinente. Er beginnt in Manchester mit einem Selbstmordanschlag, um allen noch einmal das „Why we fight“ in Erinnerung zu rufen, und verfolgt via Irak, Quatar, Jordanien, Amsterdam, Türkei und Dubai die Spuren des Befehlshabers Al-Saleem. Zumindest auf dem Papier, denn den Nahen und Mittleren Osten rekonstruierte Scott in Marokko, was in dem Unwillen, sich näher auf die Lebenswirklichkeit der betreffenden Länder einzulassen, genau der Arbeitshaltung von Ferris’ Antipoden Hoffman entspricht. Vor zwei Jahren legte Syriana von Stephen Gaghan eine ähnlich umfangreiche Reiseroute zurück und schaute auch gern aus der geheimdienstlichen Vogelperspektive auf die Dinge. Aber der auf den Memoiren eines CIA-Agenten basierende Film schuf ein komplexes, multiperspektivisches Bild von den politischen und wirtschaftlichen Hintergründen des „Krieges gegen den Terror“. Body of Lies hingegen steigt irgendwo ins laufende Kriegsgeschehen ein, eilt ohne Besinnung von Schlachtfeld zu Schlachtfeld und bricht alles auf die moralische Geschichte von „Gute Agenten, schlechte Agenten“ herunter. Sogar mit einem Happy End wagt Ridley Scott aufzuwarten, zwar nicht für Roger Ferris, aber doch für die Sache: Mit der Verhaftung Al-Saleems vermeldet er am Schluss einen Etappensieg über den islamistischen Feind.