ray Filmmagazin » Filmkritiken » Räuber Kneissl

Räuber Kneissl

| Alexandra Seitz |

Verklärung des Wilderers und Strauchdiebs Mathias Kneißl, der um die vorletzte Jahrhundertwende das Dachauer Land unsicher machte.

Werbung

Eine halbe Hundertschaft Polizisten marschierte im März 1901 vor dem Aumacheranwesen im bayrischen Geisenhofen auf, um sich des berühmt-berüchtigten Räubers Kneißl zu bemächtigen, der sich dort versteckt hielt. Es kam zu einer Schießerei, bei der Kneißl schwer verletzt wurde. Anschließend stellte man ihn soweit wieder her, dass ihm der Prozess gemacht und er im Februar 1902 hingerichtet werden konnte. Die Aktion in Geisenhofen inszeniert Marcus H. Rosenmüller in seinem Film Räuber Kneissl als veritablen Western-Shootout; aus dem Aumacheranwesen ist eine malerisch heruntergekommene, auf freiem Feld stehende Scheune geworden, und auch des Räubers Liebchen muss schluchzend Zeugin der Tragödie werden. Dichterische Freiheit eben, wie sie im Umgang mit Volkslegenden gang und gäbe ist.

Mathias Kneißl, 1875 geboren, gerät früh schon auf die schiefe Bahn. Mit 16 wird er das erste Mal eingesperrt, mit 17 verliert er den Vater bei einem Polizeieinsatz, mit 18 wird er zu fünf Jahren Haft verurteilt. Weil er nach seiner Entlassung keine Arbeit mehr findet, geht er auf Raubzüge. Zum Verhängnis wird ihm schließlich, dass er im November 1900 auf der Flucht zwei Polizisten tödlich verletzt, woraufhin ihn die geballte Rachsucht der Staatsmacht trifft. Zu einer Art Volksheld wurde Mathias Kneißl, weil es ihm, zum Gaudium der bäuerlichen Bevölkerung, immer wieder gelang, die Obrigkeit an der Nase herumzuführen. Und weil er nicht bereit war, sich zu ducken.

Es ist diese romantisierende Sicht auf die Dinge eines verkorksten Lebens, die Rosenmüller mit seinem Film verteidigt. Denn am Kneißl-Stoff interessiert ihn weniger die Möglichkeit, ein realistisches Bild der damaligen gesellschaftlichen Strukturen auf dem Land zu zeichnen, oder gar einen kritischen Blick auf Machtmissbrauch und Ausgrenzung zu werfen, als vielmehr die Kreuzung der beiden Genres Heimatfilm und Western. Die Idee leuchtet ein, ist doch der Western nichts anderes als die US-amerikanische Variante des Heimatfilms. Auch kennt die bayrische Folklore zahlreiche Gestalten, deren Leben sich für eine filmische Hymne auf Outlaw, Freiheit und Abenteuer eignen würde. Und doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Rosenmüller zugunsten seines sentimentalischen Entwurfs die Entwicklung ignoriert, die der amerikanische Western in den vergangenen zwei Jahrzehnten genommen hat: hin zur schonungslosen Abrechnung mit den eigenen Mythen.