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96 Hours

| Alexandra Seitz |

Ein Amerikaner in Paris – diesmal mit Gebrüll und Todeskampf, statt mit Gesang und Tanz.

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Nach Paris soll die Bildungsreise der halbwüchsigen Tochter gehen, ins ferne Frankreich, über den großen Teich – der Vater sieht’s mit Missbehagen, willigt jedoch schließlich ein, denn Reisen erweitere den Horizont, sagt man bekanntlich. Kaum aber ist das amerikanische Gör in der Stadt der Liebe angekommen, wird es auch schon von albanischen Frauenhändlern verschleppt – nun sieht der Vater rot und fährt auf den europäischen Sündenpfuhl hernieder wie die Faust Gottes.

In Pierre Morels ebenso lautem wie dummem Taken verschwendet Liam Neeson seine Schauspielkunst in der Rolle des ehemaligen Geheimagenten Bryan Mills, dem seine im Staatsdienst erworbenen Fähigkeiten sehr zupass kommen, als es gilt, seine in der Fremde entführte Tochter vor dem Verkauf in die Sex-Sklaverei zu bewahren. In der Wahl seiner Mittel ist er dabei nicht eben zimperlich, vielmehr setzt er sich als Ein-Mann-Armee über alle Regeln und Gesetze hinweg, er foltert und mordet, schießt erst und fragt später, führt sich auf wie ein Outlaw im Wilden Westen und kommt als Verfechter anarchischer Rechtlosigkeit und Vertreter der Selbstjustiz zum Ziel. Leichen pflastern seinen Weg, und der Zweck heiligt die Mittel.

Man verfolgt diese hanebüchene Geschichte, die die beiden Drehbuchautoren Luc Besson (der auch produzierte) und Robert Mark Kamen aus Klischeesituationen und Actionstandards zusammengezimmert haben, einerseits fassungslos und andererseits zunehmend gelangweilt. Nicht zuletzt verärgert der sträflich ignorante Umgang mit dem Thema des internationalen Frauenhandels, das hier lediglich zur Legitimation eines möglichst blutrünstig in Szene gesetzten Rachefeldzuges benutzt wird. Freilich will Taken im Kontext der US-amerikanischen Terror-Paranoia gesehen werden, die seit 2001 eine Wahrnehmung der restlichen Welt als Feindgebiet befördert. Auch die von der TV-Serie 24 gesetzten Regeln für Gewaltanwendung und „legitime Folter“ helfen, das Handeln des zum inhumanen Berserker mutierten Vaters nachzuvollziehen. Doch die völlige Ironiefreiheit, mit der Morel seine Schreckensmär auftischt, und die unreflektierte Haltung, die er dem rechtlosen Handeln seiner Hauptfigur gegenüber einnimmt, befördert eine affirmative Rezeption der dem Ganzen zu Grunde liegenden Ideologie. Und das wiederum ist in unseren hysterischen Zeiten nicht nur gefährlich, sondern auch schlichtweg falsch.