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Jason Statham – Bond in Waiting

Bond in Waiting

| Ralph Umard |

Jason Statham zählt mittlerweile zweifellos zu den großen Stars des Actionfilms, ein Status, den er mit Crank 2: High Voltage“ weiter untermauert. Hätte Daniel Craig den Part des berühmtesten Agenten ihrer Majestät derzeit nicht fest im Griff, wäre der Londoner mit seiner Mischung aus maskulinem Charme und eleganter Coolness wohl der erste Anwärter auf die Rolle von James Bond.

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I love it, but it is quite stupid“, kommentierte Jason Stat-ham die Rolle des Chev Chelios, den er in Crank und dem demnächst anlaufenden Sequel Crank 2: High Voltage verkörpert, in einem Interview mit der Londoner Times. Dabei sei er doch als Junge der größte James-Bond-Fan in England gewesen. Chev Celios und James Bond markieren zwei Extreme in Jason Stathams Rollenspektrum: Als Chev kaspert er unzerstörbar wie eine Cartoon-Figur durch wahnwitzige Gewaltszenarien, als kaltblütiger Auto-Kurier Frank Martin in den drei Transporter-Filmen ist Englands sexiest film star ähnlich cool wie Sean Connery als James Bond. Die beiden wegen ihrer Maskulinität verehrten Schauspieler verloren früh ihr Haupthaar, doch während der kahle Schotte das Defizit in den Swingin‘ Sixties mit einem Toupet kaschierte, trägt der aus dem Londoner Vorort Sydenham stammende Engländer seine Glatze selbstbewusst und mit Würde.

„I go from super-healthy to super-unhealthy, with excessive drinking“, gesteht der Star, angesprochen auf seine Statur mit super-definierten Muskeln samt Waschbrettbauch, mit denen er in Transporter 3 oder Death Race vor allem seine weiblichen Fans entzückte – und männliche neidisch machte. Viel Protein, weißes Fleisch, kein Zucker, viele Früchte, keine Kohlenhydrate, außer einem Stück Toast zum Frühstück, lautet das Rezept des gesund lebenden Statham, Steaks und literweise Bier das des exzessiven Alter Egos. Seine Filmkarriere begann der Fitnessfreak ohne jegliche Schauspielausbildung mit einer Rolle aus seinem wirklichen Leben. Seine Eltern verkauften Geschirr auf den Märkten der Stadt, ihr Sohn verkaufte als junger Mann in der Londoner Argyle Steet gefälschten Cartier-Schmuck und Parfüm mit Edelaufdruck aus einer illegalen Chemiewerkstatt. In Guy Ritchies ungestümem Regiedebüt Lock, Stock, and Two Smoking Barrels (1998) spielt Statham einen Straßenhändler ohne Lizenz auf der Flucht von der Polizei. Sein erster Leinwandauftritt, aus dem eigenen Leben gegriffen.

Zuvor war der am 12. Oktober 1972 geborene junge Mann mit dem Spitznamen Jay als Sportler und Fotomodell öffentlich in Erscheinung getreten. 1992 rangierte er als Mitglied des englischen Turmspringerteams auf Platz zwölf der Weltrangliste, außerdem trainierte er Kampfsport, ehe ihn die Modefirma French Connection als Model unter Vertrag nahm. Diese Firma investierte auch maßgeblich in Guy Ritchies Regiedebüt und drängte darauf, ihr „male model“ auch auf der Leinwand präsentieren zu können. Ein gemeinsamer Umtrunk im Pub führte nach vielen Litern Bier zur Regiekarriere von Guy und zum ersten Leinwand-Auftritt seines neuen Kumpels Jay. Und zu einer bis heute andauernden Freundschaft, die Statham in Ritchies zweitem Film, Snatch, seine erste Hauptrolle bescherte, an der Seite vom Superstar Brad Pitt – der Beginn der Weltkarriere von Jason Statham.

Nun war aber da noch ein anderer Mann, in Frankreich, der wie Statham als Autodidakt im Filmgeschäft Karriere gemacht hatte. Luc Besson wollte ursprünglich auf den Spuren von Jaques Cousteau Ozeanograf und Meeresbiologe werden – wurde dann aber in Folge eines Tauchunfalls einer der erfolgreichsten Regisseure und Produzenten Frankreichs. Er bot dem Engländer,  der ebenfalls Amateurtaucher ist und eine Schwäche für schöne und schnelle Autos hat, die Hauptrolle in The Transporter (2002) für ein Honorar von 750.000 Dollar an. Statham griff zu und wurde damit zum Star des gegenwärtigen Actionkinos. Der Film war – nicht zuletzt wegen des populären Soul-Soundtracks, der dynamischen Actionregie von Hongkongs Top-Kampfchoreografen Yuen Kwai und der Taiwanesin Shu Qi – ein Kinohit, der bislang zwei Fortsetzungen nach sich zog.

Seinen Status als führende Kraft im Action-Genre festigte Jason Statham mit den beiden Crank-Filmen. Das Schlüsselwort dabei lautet Adrenalin. Die Inszenierungen der Filme wirken wie eine rasende Achterbahnfahrt, Herzschlag ist das zentrale dramaturgische Element in Crank (zu Deutsch: ankurbeln), wo gezeigt wird, welche lebensgefährlichen Folgen Extrem-Doping haben kann. Dabei wird die entfesselte Bildästhetik mancher Videoclips und des Amphetamin-Dramas Spun auf visuell überwältigende Weise kombiniert mit der Destruktivität von Roadrunner-Cartoons und dem zentralen Handlungselement aus Speed, wo ein Omnibus eine bestimmte Geschwindigkeit nicht unterschreiten darf, um nicht in die Luft gesprengt zu werden.

In Crank, dem Spielfilmdebüt von Mark Neveldine und Brian Taylor, ist es kein Bus, sondern ein Mann, der pausenlos durch Los Angeles rasen muss, um sein Herz auf Trab zu halten. Gehetzt von Gangstern, bedroht von Herzversagen (und beraten vom Country-Star Dwight Yoakam als seinem Hausarzt)  hält sich Chev Chelios mit allen möglichen Aufputschmitteln auf den Beinen, inklusive Starkstrom und Sex auf der Pferderennbahn in Hollywood. Unterstützt wird er dabei in Crank 2: High Voltage, dem nach einem ähnlichen Grundmuster gestrickten Sequel, von Bai Ling als Prostituierte à la Daisy Duck auf Methylamphetamin-Droge. Dabei wirkt der zweite Teil ein wenig kurzatmig, das Regie-Duo Neveldine und Taylor baut ein paar unzusammenhängend wirkende  Extra-Episoden ein, um den Film auf Touren zu halten. Auch Statham wirkt, seiner Filmfigur nicht ganz unähnlich, wirklich genervt in manchen Szenen. Wie in Hongkong-Krimis werden Gewalt und Sex mit outrierendem Macho-Gebaren verquickt, was nicht immer geschmackvoll aber aufregend wirkt.

Statham fährt auch im Privatleben gerne schnell, als armer Schlucker raste  er noch im Mini-Cooper über die Rennbahn. Seit er es sich leisten kann, gibt er in einem getunten 911er Porsche Vollgas, auf Londons Straßen lenkt er einen Audi S8 mit 450 PS, Geschenk für die  Werbung, die er mit den Transporter-Filmen für diese Marke gemacht hat. Fahrerisch „die Sau raus lassen“ konnte  Statham, dessen Vorbilder die Hobby-Rennfahrer Paul Newman und Steve McQueen sind, in Death Race (2008), einem Remake der Roger Corman-Produktion Death Race 2000 aus dem Jahr 1975, die mittlerweile als Klassiker des Trashkinos gilt. Dabei rast er als unschuldig verurteilter Sträfling unter Kuratel einer dominahaften Gefängnisaufseherin (einschüchternd gespielt von Joan Allen), in einem Rennwagen auf Crash-Kurs durch eine zur Rennbahn umgebauten Fabrikanlage.

Statham ist ein Laiendarsteller mit Talent, seine anspruchsvollste Rolle bislang war die des Bankräubers in The Bank Job (Roger Donaldson, 2008) eine handwerklich konventionelle Inszenierung des größten Bankeinbruchs in der Geschichte Großbritanniens. Mit seinem kumpelhaften, lässigen Charme ist Statham per se ein Sympathieträger, mit gebremstem Körpereinsatz und vielen Großaufnahmen seines Gesichts konnte er Ausdrucksvermögen zeigen und Empathie für seine im Film verkörperte Rolle evozieren.

Besonders attraktiv bleibt Statham allerdings immer noch als Amok fahrender Auto-Kurier Frank Martin in der Transporter-Trilogie. In Teil drei wirkt er über alle Maßen cool – mit Buster Keaton-Miene in komischen Momenten, standhaft in Liebesszenen, und wagemutig in seinen Stunts. Noch mehr Vollgas, Action und Werbung für Audi lautete die Devise bei den Dreharbeiten für das dritte Transporter-Abenteuer, das vom Kameraflug übers Meer zu Beginn bis zur Schlusseinstellung die Handschrift des Produzenten und Drehbuchautors Luc Besson trägt. Mit dem Autostunt-As Rémi Julienne und dem Martial-Arts-Choreografen Cory Yuen sorgten zwei Meister ihres Fachs für aufregende Rennfahrten, Karambolagen und Kampfszenen; die Handlungsdramaturgie dagegen wirkt weniger ausgereift. Gewohnt souverän erledigt hingegen Jason Statham auch diesen Job: Mit maskulinem Charisma und schicken Auftritten im eleganten Dior-Anzug empfiehlt sich der  mimisch wie physisch sichtlich in Top-Form agierende Statham einmal mehr als ideale James Bond-Besetzung.