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C’est la vie – So sind wir, so ist das Leben

| Gerhard Midding |

Episodische Betrachtung, wie eine Familie diverse Umbrüche und kleine Katastrophen übersteht.

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Manche Filme verstehen es, ihr Publikum zu finden. Dieser beispielsweise wurde letztes Jahr mitten im Sommer gestartet, was in den USA zwar die umsatzstärkste, in Frankreich aber eine eher laue Phase ist. Die Zuschauerzahlen in der ersten Woche waren nicht spektakulär, aber bis zum Herbst hatten sie sich fast verzehnfacht, was daran liegt, dass er von der Mundpropaganda profitierte. Was wiederum auch heißt, dass die Zuschauer ihn mochten. Das sicherste Mittel für einen Film, derlei Wohlgefallen herzustellen ist es, auch seine Figuren zu mögen.

Der Taxifahrer Robert (Jacques Gamblin) ist ein ausgeglichener, gewährender Patriarch, obwohl er schwer mit dem Bild seines kalten, dominierenden Vaters zu ringen hat. Albert, der älteste Sohn (Pio Marmai), ist eher pragmatisch veranlagt, sein jüngerer Bruder Raphael (Marc-André Grondin) hingegen träumerischer, ihre Schwester Fleur (Déborah François) ist die Rebellin der Familie. Das Heranwachsen der drei gemahnt ihre Mutter Marie-Jeanne (Zabou Breitman) daran, dass ihre eigene Jugend immer weiter entrückt. Die Handlung setzt ein, als Albert sein Medizinstudium beginnt, eine eigene Wohnung bezieht und die Familienzelle zum ersten Mal aufbricht.

In seiner zweiten Regiearbeit entfaltet Rémi Bezançon ein Panorama von zwölf Jahren, in dem er sich auf fünf Tage konzentriert, die für jeweils ein Familienmitglied einen Wendepunkt markieren. Er hat das so geschickt und liebevoll konst-ruiert, dass ihm die Mechanik seines gleichermaßen von Ambition wie von Genügsamkeit zeugenden Vorhabens nie in die Quere gerät. Keine der fünf Hauptfiguren wird privilegiert, er findet vielmehr für jede einen eigenen Kamerastil, der ihrem Lebensrhythmus entspricht: lange Brennweiten für die Mutter, gleitende Steadycam-Fahrten für Raphael, eine ungeduldige Handkamera für Fleur etc. Der episodische Erzählfluss nimmt die Heftigkeit der Gefühle stets zurück. Bezançon geht es um eine zärtliche, aber auch nivellierende Beobachtung. Mithin folgt er einer Dramaturgie des Ausgleichs: Katastrophen und Freuden lösen einander ab, kränkende Übergriffe und fürsorgliche Nähe halten sich die Waage. Die Institution Familie erscheint als fragil und angreifbar, ohne dass ihre Unverwüstlichkeit je in Frage stünde. Diese Selbstvergewisserung des Alltäglichen, die Versöhnung mit den Umbrüchen und Widersprüchen im Leben hätte gründlich schief gehen können, wenn ihn die Darsteller nicht so wundervoll tragen würden.