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Flieger über Amazonien

| Günter Pscheider |

Stimmungsvolles Porträt zweier dem Fliegen verfallener Piloten in der außergewöhnlichen Flusslandschaft Amazoniens.

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Das Gebiet des brasilianischen Teils von Amazonien ist größer als die gesamte EU und wird vom Amazonas und etlichen ebenfalls zu den größten fließenden Gewässern der Welt gehörenden Nebenflüssen gespeist. Kein Wunder, dass das Flugzeug hier das wichtigste Transportmittel bleibt, auch wenn die Regenwälder nicht nur für den Sojaanbau, sondern auch für den Bau einer den Dschungel durchquerenden Autopiste gerodet werden. Alle Dinge des täglichen Gebrauchs wie Küken, Heiligenbilder, Medikamente und Lebensmittel werden in meist klapprigen alten Kisten tausende Kilometer in abgelegene Dörfer transportiert. Zurück in die Hauptstadt Manaus kommen oft Drogen oder die für den Export bestimmten Sojabohnen.

Zwei der tollkühnen Piloten stehen im Mittelpunkt von Herbert Brödls neuem Film, der bereits der sechste Teil eines Zyklus mit der noch nicht zu Tode gefilmten Welt in Südamerika um den Äquator ist: Nilton (Nilton Bicudo) sieht mit seinen treuen Hundeaugen aus wie der französische Schauspieler Denis Podalydes und hat auch genau die gleiche melancholische Ausstrahlung, während Fernando eher den Typen des unerschrockenen Draufgängers gibt. Dass die beiden Hauptcharaktere von Schauspielern dargestellt werden und die philosophischen Monologe über den Blick vom Himmel auf die Erde vom Regisseur und Autor geschrieben wurden, fällt überhaupt nicht auf, so kunstvoll vermischt sind Realität und Fiktion in diesem Gedicht über den Traum des Fliegens und den Herausforderungen des Lebens in einer fast surreal schönen, aber für den Menschen unwirtlichen Umgebung. Wie alle Produktionen von Nikolaus Geyrhalter ist auch das ein Film für das Kino: Die grandiosen Flugaufnahmen über das endlose Grün und Blau der Landschaft, beeindruckende Bilder vom Zusammenfluss des dunklen Rio Negro mit einem hellen Fluss wie ein abstraktes Gemälde, dazwischen das hektische Treiben von Manaus und die Reisen der zwei Flieger in das Blau des Himmels und in die Tiefen ihrer Gedankenwelt kommen erst auf einer großen Leinwand richtig zur Geltung. Herbert Brödl macht aber nicht den Fehler, sich in der Weite der Landschaft zu verlieren und nur auf Atmosphäre zu setzen. Er führte als Recherche lange Gespräche mit einigen Piloten und erzählt die authentische Geschichte der zwei gegensätzlichen Hauptfiguren mit einem dramaturgischen Aufbau, aus dem durchaus auch ein spannender Spielfilm entstehen hätte können.