ray Filmmagazin » Drama » The Fall

Realität und Fiktion vermischen sich in Tarsem Singhs bildgewaltiger, märchenhafter Erzählung.

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Das rumänische Mädchen Alexandria (Catinca Untaru) lernt 1915 in Los Angeles während eines Krankenhausaufenthaltes den verletzten Stuntman Roy (Lee Pace) kennen. Mit einer Hand im Gips, die dunklen Haare zu Zöpfen geflochten und die neugierigen Augen weit geöffnet, lauscht sie der Geschichte, die der junge Mann ihr erzählt: Fünf Männer, darunter Charles Darwin und Roy selbst, begeben sich auf die Jagd nach ihrem gemeinsamen Feind namens Odious. Als Roy Alexandria darum bittet, ihm Morphintabletten zu besorgen, droht seine Erzählung zum Abbild eines Todeswunsches zu mutieren.

Tarsem Singhs The Fall, bereits 2006 uraufgeführt, verkrampft unter der Gleichzeitigkeit von drei gewaltigen Themen. Da ist die kleine Halbwaise Alexandria, die in Roy einen neuen Vater zu finden wünscht. Um sie herum brodelt die Frühgeschichte des Kinos, beginnt das Hollywood-Babylon zu gedeihen. Und irgendwo dazwischen wird der Mythos Amerika montiert. Schön sind Tarsem Singh dabei jene Szenen geglückt, die der Entstehung des Kinos huldigen. Alexandria entdeckt die Welt der Projektion. Sie erlebt die Camera Obscura, als durch ein Schlüsselloch das verkehrte Bild eines ankommenden Pferdes an die Krankenhauswand geworfen wird. Schattenspiele ihrer Hände beflügeln ihre Fantasie und wecken die Vorfreude auf ihren ersten Kinofilm, den sie noch vor sich hat. Keine Frage, die kleine Schauspielerin Catinca Untaru ist eine wundervolle Entdeckung. Ihre natürliche Präsenz und vor allem Beweglichkeit stellen sich aber zu allem quer, was der Film sonst noch anbietet.

Roy kündigt Alexandria zu Beginn eine epische Geschichte über Liebe und Rache an. Doch was folgt, ist Erstarrung, und das betrifft ausgerechnet jene Bilder, die aus Alexandrias Vorstellungskraft erwachsen. Tarsem Singhs Inszenierung sucht die Größe menschlicher Bauwerke. Der aus Indien stammende Regisseur hat für die Dreharbeiten jahrelang die halbe Welt durchquert und ihre Sehenswürdigkeiten mit unbarmherziger Strenge in diese Arbeit gepackt. Die Figuren darin werden viel zu oft in einer Linie, von links nach rechts, aufgestellt. Die Bilder bleiben flach, Bewegung darin wird seltsam reduziert und jene, die Bildtiefe andeuten könnte, scheint sogar unerwünscht. Roys Geschichte erhält keinen Schwung. Warum sich ein Regisseur, der in den Neunziger Jahren mit Videoclips (z.B. für R.E.M.) Furore machte, ausgerechnet auf der fantastischen Ebene seines Films, die eigentlich so viel zulässt, so enge Grenzen setzt, bleibt ein Rätsel.