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Dossier Australien – Peter Weir im Gespräch

„In Hollywood macht man nur noch Kinderfilme“

| Andreas Ungerböck |

Bulgarien, 4. April 2009. Peter Weir, der in jeder ernst zu nehmenden Top-Ten-Liste der spannendsten und profiliertesten Regisseure auftaucht, dreht mit Colin Farrell und Ed Harris in den Hauptrollen Szenen seines neuen Films The Way Back, basierend auf der von einem Ghostwriter geschriebenen – und gerüchteweise fingierten – Autobiografie des polnischen Soldaten Slavomir Rawicz. Es geht darin um eine Gruppe von Kriegsgefangenen, die 1942 aus einem sibirischen Straflager ausbricht und sich nicht nach Westen, sondern in den Süden durchschlägt, bis in den Himalaya. Weir, im August 1944 in Sydney geboren, zählte mit fast schon legendären Filmen wie Picnic at Hanging Rock, The Last Wave, Gallipoli oder The Year of Living Dangerously zu den Protagonisten der so genannten Australian New Wave in den Siebziger Jahren, zusammen mit Regisseuren wie Bruce Beresford, Fred Schepisi, Gillian Armstrong, Phillip Noyce und George Miller. Weirs Filme gelten als moderne Klassiker, sie sind hart am Rande des Mainstream gebaute kunstvolle Gebilde von hohem erzählerischem und formalem Wert. Seine Herkunft aus der Malerei ist unverkennbar, seine Prägung durch die reiche europäische Kulturgeschichte ebenso. Er dreht Genrefilme ebenso wie äußerst konzentrierte Studien von Einzelschicksalen – am eindrucksvollsten wohl in Fearless, der packenden Geschichte eines Mannes (Jeff Bridges), der einen Flugzeugabsturz überlebt hat und von Schuldgefühlen zerfressen wird, und in Truman Show, in dem Jim Carrey ein (unwissentlich) lebenslang von Fernsehkameras beobachtetes Opfer des geballten Reality-TV-Wahnsinns spielt. Peter Weir hat keine Scheu vor gehobenen publikumswirksamen Filmen (Dead Poets’ Society, Green Card, Master and Commander) und war sechs Mal für den Oscar nominiert (davon vier Mal als bester Regisseur, einmal als Drehbuchautor und einmal als Produzent).

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Im ray-Gespräch auf der grünen Wiese an einem See, der aus budgetären Gründen für den Baikalsee einsteht („nur die Berge müssen wir wegretuschieren“), zwischen hektischen Drehvorbereitungen, zahmen Raben aus Tschechien und einem eigens eingeflogenen Rentier aus Norwegen, das mittels CGI geschlachtet, dem real aber selbstverständlich kein Haar gekrümmt werden wird, spricht der 65-Jährige, der „niemandem mehr etwas beweisen muss“, relaxed und ausführlich über seine lange und erfolgreiche Karriere, über die Freundlichkeit der Amerikaner und darüber, warum Australier in Hollywood so erfolgreich sind.

Sie haben seit Master and Commander vor sechs Jahren keinen Film mehr gemacht. Sie wurden mit mehreren Projekten in Zusammenhang gebracht, aber nichts davon wurde realisiert. Was geschah mit diesen Projekten?
Ach, die üblichen verrückten Gründe. Eines brachte ich nicht auf die Reihe, bei einem flüchtete ich, bei einem anderen gab es Auffassungsunterschiede. Eigentlich wollte ich nach Master and Commander rasch wieder einen Film machen, keine lange Pause haben, aber man weiß ja, dass gerade, wenn man sich so etwas vornimmt, die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen. Aber es war eine sehr produktive Zeit für mich: Ich habe viel geschrieben, gelesen, bin gereist. Mit der Zeit wurde ich etwas unruhig und bin froh, dass dieses Projekt jetzt auf Schiene gekommen ist. Wenn man sich meine Filmografie anschaut: Ich bin ja ohnehin nicht so ein besonders fleißiger Filmemacher.

Ist es so, dass Sie sich Projekte aussuchen, oder schickt man Ihnen die? Dieses hier zum Beispiel?
Ja, das kam ganz konventionell über Agenten daher. Es kommt viel, und dann suche ich natürlich aus. Die Filmwelt hat sich stark verändert, und das, was ohnehin nur ein Rinnsal an interessantem Material war, ist jetzt fast versiegt. Es herrscht Dürre. Die Dinge, die mich interessieren, werden kaum noch gemacht. Der Geschmack hat sich innerhalb der letzten Generation verändert, und das Publikum, das sich für meine Filme interessiert, wird kleiner und kleiner.

Die Oscar-Verleihungen der letzten Jahre scheinen Ihrer These aber zu widersprechen. Es setzen sich doch mehr und mehr „Qualitätsfilme“ durch.
Bleiben wir bei der Dürre-Metapher. Ein verdurstendes Publikum trinkt umso gieriger, wenn es einmal eine Quelle findet. Dann haben auch Filme, die riskanter sind, die gegen den Strom schwimmen, Chancen. An der Kinokasse schaut die Sache aber anders aus. Da dominieren andere Filme. Natürlich liegt das nicht nur an einer Generation, die mit Videospielen und konstanten visuellen Reizen aufgewachsen ist, aber auch. Es gibt einfach eine kreative Rezession auf der ganzen Welt, in allen Kunstformen.

Waren Sie jemals in Versuchung, einen der ganz großen Blockbuster zu drehen, eine Comicsverfilmung, einen Action-Kracher? Hat man Ihnen das je angeboten?
Nein, das ist so gar nicht mein Kaffee. Wenn ich schon zwei Jahre meines Lebens damit verbringe, einen Film zu planen, vorzubereiten und fertig zu stellen, dann möchte ich etwas machen, womit ich mich auf einer ernsthaften Ebene auseinandersetzen kann und will. Ich würde mich, glaube ich, langweilen und bin überzeugt davon, dass mir das auch gar nicht liegen würde.

Wann haben Sie denn beschlossen, Filmemacher zu werden? Sie haben ja mit Kunst begonnen …
Ich glaube, ich habe das nie beschlossen. Es hat mich einfach erwischt, wie ein plötzlicher Regenschauer. Als ich begann, gab es in Australien keine Filmkultur, keine. Australien war so „weit weg“, obwohl es natürlich genauso fern oder nah lag wie heute. Heute sind die Kommunikationsmittel andere, man reist viel, also ist auch Australien an die Welt angedockt. Das hat viele Vorteile: besserer Kaffee und bessere Restaurants. Als ich aufwuchs, in den späten Fünfziger, frühen Sechziger Jahren, waren wir sehr weit weg. Die kulturellen Leuchtfeuer kamen von sehr weit her, man konnte sie kaum erkennen. Eines dieser Leuchtfeuer war der Film, sowohl aus Europa als auch aus den USA. Ich verschlang Filme, aber ich hätte nie daran gedacht, selber welche zu machen. Es gab ja auch keine Filmindustrie in Australien, also kam man gar nicht auf die Idee. Die Sechziger Jahre waren ja ein Jahrzehnt großer sozialer Veränderung. Und so kam es wohl, dass vieles von dem, was jemand machte, auch Beachtung fand, wenn es nur neu oder „provokant“ war. Das klingt wie ein Klischee, war aber so. Ich fuhr, als ich Anfang zwanzig war, mit dem Schiff nach Europa, und das war wie ein Initiationsritus, buchstäblich. Fünf Wochen hat das Schiff nach Frankreich gebraucht. Ich ging an Land, und mir wurden die Füße weggezogen. Ich wusste plötzlich, ich würde in der Kunst, in der Unterhaltungsbranche arbeiten. Ich dachte zuerst an Schreiben oder ans Schauspielen, nicht ans Regieführen. Als ich nach Australien zurückkam, war mir klar, dass ich im Showbusiness sein wollte. Das Fernsehen war damals der größte Auftraggeber für Künstler, also ging ich genau dort hin.

Aber Sie hatten keine filmische Ausbildung?
Nein, so etwas gab es gar nicht. Ich hatte mal, als ich in Paris war, ein Gespräch am IDHEC (= Institut des hautes études cinèmatographiques), also dachte ich durchaus an Film. Aber Ausbildung, nein, ich war auch nie ein guter Schüler. Ich hasste Schulen. Ich lernte also die Dinge, in dem ich sie tat.

Stimmt es, dass Sie damals schon Phillip Noyce getroffen haben?
Ja, so gegen Ende der Sechziger. Ich machte kleine Kurzfilme, die auf kleinen Underground-Festivals liefen. Phillip auch, bei einer Firma namens Ubu Films. So lernten wir uns kennen. Auch George Miller kam bald dazu. Da war plötzlich etwas los, und man begann, sich für die Filme der anderen zu interessieren. Es gab auf einmal so eine elektrisch aufgeladene Atmosphäre, fokussiert auf Sydney und Melbourne. Das war eine interessante Zeit, auch wenn ich das nicht gern nochmals erleben würde.

Warum das?
Es gab so eine Art Fußball-Atmosphäre. Für jedes Projekt, für jeden Filmemacher gab es Anhänger und Gegner, man war entweder brillant oder ein Versager. Das war ein bisschen gemein denen gegenüber, die sich eher langsam entwickelten. Aber auch diese abfälligen Urteile konnten das Feuer nicht löschen. Es war einfach viel los, im Übrigen nicht nur in Australien, sondern auf der ganzen Welt.

Ihre frühen Filme werden oft als „sehr australisch“ bezeichnet, ohne dass jemand genau sagen könnte, was das bedeutet.
Haben Sie eine Erklärung oder Meinung dazu?
Ich kann damit wenig anfangen. Aber wie gesagt, Australien war völlig weg vom Radar. Niemand kannte australische Filme. Wenn dann ein Film kommt, der den Leuten auffällt, dann sagen sie: „Hast du den australischen Film xy gesehen?“, oder den chinesischen oder welchen auch immer. Da weiß man oft noch nicht einmal den Namen des Regisseurs. Wenn dann ein zweiter Film vom selben Regisseur kommt, dann werden die Leute hellhörig. Man wird also plötzlich zum Repräsentanten eines Landes, jedenfalls bei mir war das so, eines Landes, das vorher keine nennenswerten Filme produziert hatte. Hitchcock hat mal was sehr Schönes gesagt: „Film is a country“. Das heißt, irgendwann wird die Herkunft eines Films zweitrangig, es geht um die Leute, die ihn gemacht haben. Mir ging es genauso mit – beispielsweise – Zhang Yimou. Seine ersten beiden Arbeiten sah ich als „chinesische Filme“, den dritten schaute ich mir bewusst als Zhang-Yimou-Film an. Und „Länder“ in der Kunst, das gibt es eigentlich nicht. Ich meine, wer denkt an Mozart als Österreicher? Ich nicht. Ich würde nie zu jemandem sagen: „Kennst du diesen österreichischen Komponisten? Ich liebe seine Musik.“ Kunst ist einfach sie selbst, wie ein Gebirge, wie die Natur, sie gehört keinem Land. Natürlich gibt es Länder, die aus bestimmten Gründen, politischen zum Beispiel, in den Blickpunkt rücken, wie der Iran vor ein paar Jahren. Da schenkte man den Filmen eine große Aufmerksamkeit. Aber auch das ist Moden unterworfen. Irgendwann konzentrieren sich die Menschen dann wieder auf ein anderes Land.

Ich meinte das auch mehr in thematischer Hinsicht. Filme wie Picnic at Hanging Rock oder The Last Wave beschäftigen sich ja explizit mit australischen Themen.
Okay. Wenn man anfängt, Filme zu machen, befasst man sich natürlich mit Dingen und Gegebenheiten, die um einen herum sind, mit Menschen, mit Landschaften. Besonders Landschaften, die spielen im australischen Film eine große Rolle, weil sie dieses riesige Land, das ja so groß ist wie die USA, dominieren. Und natürlich will man zunächst einmal darauf die Kamera richten und eine Geschichte dazu erfinden, jedenfalls bei mir war das so. Es gab kaum urbane Geschichten, das kam erst später. Und später, wenn man sich weiterentwickelt, geht man woanders hin, lernt Neues kennen, will andere Geschichten erzählen.

Wie erklären Sie sich denn, dass die Filme der so genannten Australian New Wave international gleich so erfolgreich waren?
Wir haben sicher den Vorteil, dass unsere Filme auch englischsprachig sind. Obwohl die wenigsten von uns, denke ich, nach Hollywood strebten, jedenfalls nicht sofort. Für mich etwa war Europa zunächst die viel größere Attraktion. Aber man muss auch sehen, dass damals in den USA sehr interessante Filme gemacht wurden, von Leuten wie Scorsese, Coppola, De Palma, das, was man als New Hollywood kennt. Das war auffällig, das konnte man in der ganzen Welt erkennen. Also begannen auch die Leuchtfeuer aus Hollywood einen stärker anzuziehen, man wollte da dabei sein. In Europa hingegen, finde ich, verloren viele Filmemacher ihren Impetus, ihre Stärke.

Wie wurden denn Ihre frühen Filme in Australien rezipiert? Sie sind ja allesamt nicht gerade leichte Kost, sondern ziemlich verstörend.
Unterschiedlich. Manche waren erfolgreich, manche nicht. The Cars That Ate Paris, mein erster Film, war ein Desaster, außer bei ein paar Kritikern. Auch außerhalb des Landes gab es Interesse, jedenfalls genug, um mich nicht aufgeben zu lassen. Picnic at Hanging Rock war ein Erfolg in Australien. Und so ging es weiter, mal so, mal so. Im Ausland, denke ich, gab es insgesamt die erfreulicheren Reaktionen.

Wie schwer war es damals, Filme weltweit zu platzieren? Es gab ja nicht annähernd so viele Festivals wie heute.
Die beiden ersten Filme waren in Cannes, allerdings nicht im offiziellen Programm, sondern auf dem Markt. Aber mich interessierte sowieso immer das zahlende Kinopublikum mehr als die Festivalbesucher. Ich meine, ja, Festivals können einem Türen öffnen, und sicherlich haben sie auch einen Prestigewert, aber ich sah mich immer mehr als Entertainer. Das hat wohl mit unserer Vergangenheit zu tun, in Australien und auch in den USA. Wir hatten keine „hehre“ Kunst, keine Patrone, keine Mäzene, keine Kirche wie in Europa. Die Kunst in Australien kam immer vor allem aus der Arbeiterklasse, weil die Bevölkerung vornehmlich aus Arbeitern bestand. Es gab früher keine Mittelschicht, die verließ ja ihre schönen Häuser in Europa nicht, um sich auf eine unzivilisierte Insel ins Ungewisse zu begeben. Die Mittelschicht hat sich erst später entwickelt. Also, ich denke, wir waren ein eher raues Volk, und dem entsprechend war auch unsere Kunst eher eine der Unterhaltung. Das war, was die Leute sehen wollten.

Als Sie damals nach Europa reisten, hatten Sie da die Absicht, eventuell dort zu bleiben? Oder war Ihnen klar, dass sie nach Australien zurückgehen würden?
Nein, ich war gar nicht sicher. Viele junge Leute, die vor uns weggingen, die blieben einfach in London, vornehmlich in London. Wir kehrten zurück und brachten viel kulturelles Gepäck mit: Filme, Bücher, aber auch Restaurants und Kaffeehäuser. Das meiste davon gab es vorher gar nicht.

Sie haben Australien aber dann doch sehr rasch verlassen.
Ja, so nach fünf, sechs Filmen hatte ich das Gefühl, ich bräuchte einen neuen Stimulus, neue Inspiration. Und als Englisch sprechende Person geht man dann doch in die USA. Ursprünglich wollte ich ja immer wieder zurückkehren, aber das ist eben nicht passiert. Das hat mit dem zu tun, was ich vorher sagte: Irgendwann spielt es keine Rolle mehr, wo die Geschichte spielt. Nur die Geschichte zählt. Aber ich kann nicht alles tun, ich kann zum Beispiel nicht einen Film über das New Yorker Straßenleben machen – es würde zu lange dauern, bis ich mich da zurechtfinde. Mein erster amerikanischer Film, Witness, kam mir da gerade recht, weil ich das genauso gut in den USA machen konnte wie anderswo. Die Gruppe in dem Film, die Amish, sind ja auch Außenseiter, etwa so wie ich, als ich damals ankam. Das war mir also vertraut, dieser Blick von außen.

Waren Sie nie versucht, für das amerikanische Fernsehen zu arbeiten?
Nein, obwohl ich vieles, was aus der goldenen Zeit des US-Fernsehens stammt, heiß liebe, bis heute: Twilight Zone, The Alfred Hitchcock Hour, auch Komödien wie I Love Lucy. Da konnte man spüren, wie prall gefüllt das war mit Erfindungsreichtum. Aber als ich dort ankam, war davon leider nichts mehr zu spüren.

Heute ist das wieder anders. Ist es nicht so, dass das Innovativste, was in Sachen Medien derzeit aus den USA kommt, die aktuellen Fernsehserien sind?
Sie haben völlig Recht. Ich sage Ihnen auch, warum das so ist: Man soll nicht pauschalisieren, aber das meiste, was heute in Hollywood produziert wird, wird für Kinder gemacht, für die Kids. Als meine Kinder noch klein waren, vor 30 Jahren oder so, musste man oft bis zu den Ferien warten, bis ein Kinderfilm, meist von Disney, in die Kinos kam. Heute hat man Mühe, etwas zu finden, was nicht auf Kinder zugeschnitten ist. Das Fernsehen hat die Funktion übernommen, Erwachsene zu unterhalten.

Als Sie nach Amerika kamen, hatten Sie da auch viele Bilder aus dem Kino im Kopf? Bei europäischen Regisseuren, die in die USA gingen, wie Wenders oder Herzog, merkte man das ja ganz stark.
Ja, natürlich. Ich finde das auch sehr schön, die Bilder, die man im eigenen Kopf hat, mit der Realität zu vergleichen. Und Amerika ist schon sehr anders, was erstaunlich ist, weil es ja von Leuten gestaltet wurde und wird, die selbst gerade erst aus Europa gekommen sind. Was ich an den Amerikanern mag, ist, dass sie so freundlich sind und so herzlich. Niemals habe ich hier gehört: „Du nimmst uns den Job weg“, im Gegenteil, wenn man singen oder tanzen oder Flöte spielen oder Filme machen kann, ist man hier mehr als willkommen. In Australien ist das ganz anders, oder war es jedenfalls einmal. Da hieß es immer: „Diese Ausländer kommen her und nehmen uns die Arbeit weg“, ganz besonders im Filmbereich.

Wie erklären Sie sich den historischen und bis heute anhaltenden Einfluss von Australiern in Hollywood? Man muss nur ein paar Namen aufzählen: Mel Gibson, Heath Ledger, Nicole Kidman, Bruce Beresford, Fred Schepisi, Phillip Noyce, Eric Bana, Cate Blanchett …
So allgemein kann man das schwer sagen. Ich frage mich das auch immer wieder und kann da nur von meiner Generation sprechen. Wir kamen aus diesem schrecklich weit entfernten Land, geografisch wie kulturell weit entfernt. Dann kam man in diese unglaublichen Metropolen, Paris, London, New York, Los Angeles, und man sah, was alles möglich war. Und da wollte man natürlich dazugehören, und nicht nur dazugehören, man wollte sich durchsetzen, und dafür arbeiteten viele von uns sehr hart. Man darf aber nicht vergessen: Für jeden George Miller oder jeden Mel Gibson oder jede

Nicole Kidman gibt es Dutzende und Aberdutzende, die es nicht geschafft haben, auch sehr talentierte Leute. Sei es aus Mangel an Drive, an Entschlossenheit oder, ja, einfach, weil sie kein Glück hatten. Ich denke, wir waren so wie die kleinsten oder schwächsten Kinder am Spielplatz, die immer gehänselt werden. Entweder man lässt sich alles gefallen oder man beißt sich durch, dann aber richtig. Man muss etwas machen wollen, man muss besser sein wollen. Vielleicht ist das das Geheimnis.

Sie sind bekannt dafür, gerne mit Stars zu arbeiten, die Sie dann in eine ganz andere Richtung bewegen, sozusagen entgegen ihrem Image, wie etwa Harrison Ford, Robin Williams oder Jim Carrey, dem sie in Truman Show eine richtig ernste Rolle verpasst haben. War das Absicht? Reizt Sie so etwas?
Da ist auch Glück dabei, Zufall. Ich habe sie nicht allein bewegt, die müssen sich schon bewegen wollen. Risiko ist normalerweise nicht auf der Agenda von Filmstars, sie versuchen vor allem, ihren Status einzuzementieren, oder ihre Agenten tun das für sie. Wenn man also jemanden hat, der bereit ist, diesen Status aufs Spiel zu setzen, dann hat man ein interessantes Individuum vor sich.

Würden Sie sagen, dass es ein „Generalthema“ in Ihrem Werk gibt, etwas, das Sie immer wieder beschäftigt? Ich habe einmal gelesen, bei Ihnen ginge es immer um „Individuen in höchst verstörenden Lebensumständen“.
Bloß nicht. Nein, ich versuche eigentlich, immer neue Geschichten zu finden bzw. lehne Geschichten ab, wenn sie zuviel Ähnlichkeit mit etwas haben, was ich schon gemacht habe. Ich versuche mich nicht zu wiederholen. Ich habe auch keinen typischen „Peter-Weir-Stil“, in dem Sinne, wie z.B. ein David-Lynch-Film sofort als David-Lynch-Film erkennbar ist. Ich tauche mehr ins Material ein, würde ich sagen, anstatt ihm meinen Stil aufzuzwingen, womit ich nichts gegen Lynch gesagt haben will. Aber ich sehe mich eher in der Tradition der großen Hollywood-Regisseure, denen es ähnlich ging. Denen das Material wichtiger war als der Stil. Und doch mache ich die Filme natürlich auf „meine Art“. Ich analysiere das auch nicht ständig, ich bin froh, wenn ich eine Geschichte finde, die ich umsetzen will. Das ist gar nicht so einfach. Und wenn man älter wird, wird man sowieso weniger ehrgeizig, der ganzen Welt seinen Stempel aufzudrücken.

Was war es bei diesem Projekt, The Way Back, das Sie angesprochen hat?
Mich hat der Aspekt des Überlebens fasziniert. Das finde ich generell interessant. Ich schaue gerne solche Fernsehdokus, in denen es um die Besteigung des Mount Everest oder Campen in der Wildnis geht, wo Leute Feuer anzünden und sich von Beeren und Wurzeln ernähren. Aber die Leute in dieser Geschichte klettern nicht zum Spaß auf hohe Berge, sondern weil sie müssen, weil sie sonst im Gulag sterben würden. Sie sind auf einer gefährlichen Reise. Aber es geht nicht nur um körperliches, sondern auch um spirituelles Überleben, wenn man so will. Und es ist eine Geschichte, die kaum bekannt ist, darüber, was während des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion los war, über die Gulags, über die Flucht aus den Gulags.

Was gibt es zur Besetzung zu sagen? Mit Ed Harris haben Sie ja schon bei Truman Show gearbeitet …
Ich habe Glück, das er Zeit hat! Er spielt einen Amerikaner, den einzigen in der Geschichte, und ich brauchte diese Art von Amerikaner, die es kaum noch gibt, einen richtig harten Mann. Clint Eastwood war so einer, in einer früheren Generation, dann Harrison Ford, aber unter den Jüngeren gibt es fast keine mehr von der Sorte. So einen John-Wayne-Typ, die harten Männer, die in der Vergangenheit Dinge getan haben, über die sie nicht sprechen wollen. Ed kann das. Und Colin Farrell beobachte ich schon lange, schon seit er aufgetaucht ist. Er hat so etwas Gewisses, etwas Kantiges, Irisches. Er ist auch so einer, der bereit ist, Risiko einzugehen, der vielleicht bisher nicht so gefordert wurde, wie er es gerne hätte.

Sie arbeiten mit dem Kameramann Russell Boyd zusammen, den sie ja schon lange kennen. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben?
Den ersten Film haben wir vor 34 Jahren zusammen gemacht, das war Picnic at Hanging Rock. Das muss man sich mal vorstellen! Zeichensprache, halb fertig gesprochene Sätze, das reicht. Es ist diese Art von Beziehung. Wir haben uns lange aus den Augen verloren, erst bei Master and Commander kamen wir wieder zusammen. Ich hatte ihn im Flugzeug wieder getroffen und ihm diesen Film angeboten. Das war einfach toll, so, als hätten wir nicht 1982, sondern gestern das letzte Mal miteinander gedreht.