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Plastic Planet

| Roman Scheiber |

Antikunst-Stoff: Werner Boote versucht sich als Michael Moore für Umweltbewusste.

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Viele Jahre an einem Filmprojekt zu arbeiten, das sich auf investigative Art mit Umwelt- und Gesundheitsfragen beschäftigt, ist ein löbliches Unterfangen. Im konkreten Fall geht es um Polyethylen, Polystyrol, Polyurethan und all die anderen Polys, die mittels Beigabe nicht unbedenklicher (und von den Produzenten nicht offen gelegter) Zusatzstoffe das ergeben, was man gemeinhin Plastik nennt. Wir Kinder des Plastikzeitalters wissen: Plastik ist überall. Es ist deswegen überall, weil es uns nützt. Es ist leichter oder biegsamer oder weniger zerbrechlich oder haltbarer als andere Werkstoffe und Naturprodukte. Wir sollten aber auch wissen, und das will uns dieser Film erneut ins Bewusstsein rufen: Plastik wird zu Müll. Der Müll zerfällt langsam in kleine Partikel, im Wasser reichert er sich bevorzugt mit Umweltgiften an. Zu 80 Prozent gelangt der Müll ins Meer, tötet Meeressäuger und Vögel oder wird von Fischen gefressen und landet irgendwann wieder auf unserem Teller.

Weiters zeigt Plastic Planet, wie Weichmacher und andere Chemikalien via Babyflasche, Plastikverpackung und PVC die Blutbahn des Menschen erreichen, auf viel zu wenig erforschte Weise das Hormonsystem beeinflussen und gravierend die Gesundheit gefährden können.

Werner Bootes Großvater war Kunststoff-Indus-trieller, er selbst daher als Kind der Spielzeuggott seiner Freunde. Als Stilist bewegt er sich heute zwischen nostalgischem Home Movie, bewusst naivem, essayistischem Erforschergestus (nicht nur den unvermeidlichen Talking Heads, sondern auch dem Publikum gegenüber) und knautschigen Investigativmethoden (in einer Firma in Shanghai täuscht er zunächst die PR-Dame halbherzig und fraternisiert schließlich mit ihr). Möchte man Plastic Planet im heimischen Dokumentarfilmschaffen einordnen, so liegt er trotz seiner weichgespülten Witzigkeit dem Kino-Aktivisten Erwin Wagenhofer (We Feed the World, Let’s make Money) nicht allzu fern. Aber ein stärkerer Einfluss kommt von anderswo: Wenn Boote den ehemaligen Präsidenten von PlasticsEurope, John Taylor, bis an dessen Messestand verfolgt, um einen Koffer mit Recherche-Unterlagen vor ihm auszuschütten, dann erinnert das frappant an den US-Docutainer Michael Moore. Für seine erste Erfolgsdoku Roger & Me hatte Moore General-Motors-Chef Roger Smith jahrelang mit sinnlosen Interviewwünschen belästigt. Auch den Einsatz cooler Animationsgrafiken dürfte sich Boote (der bislang vor allem Musikdokus gemacht hat) von Moore abgeschaut haben.