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Birdwatchers

| Walter Gasperi |

Eine Gruppe brasilianischer Ureinwohner beginnt gegen ihre Verdrängung durch die fortschreitende Rodung des Regenwaldes Widerstand zu leisten.

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Alles ist eine Frage der Perspektive. Wechselt man die Blickrichtung, sehen die Dinge gleich ganz anders aus. Schon die Eröffnungsszene von Birdwatchers bringt  diese Tatsache markant auf den Punkt: Schauplatz ist der Dschungel im südostbrasilianischen Bundesstaat Matto Grosso do Sul. Aus Sicht der Touristen, die von ihren Booten aus Vögel beobachten, wirken die im Gesicht bemalten Indigenen, die nur mit Lendenschurz bekleidet und mit Pfeil und Bogen ausgerüstet am Ufer stehen, nicht nur bedrohlich, sondern entsprechen auch ganz dem westlichen Klischeebild. Ein Schnitt mit einem Sprung auf die Seite der Guarani-Indianer und alles schaut anders aus: Diese ziehen sich nämlich auf dem gerodeten Feld hinter dem schmalen Dschungelstreifen rasch Jeans und T-Shirt an, fordern das vereinbarte Honorar und lassen sich mit dem Pickup ins Reservat bringen, in dem sie in Wellblechhütten und halbfertigen Ziegelbauten leben. Alles war nur Show und auch eine Flugaufnahme vom Dschungel kann den Zuschauer leicht in die Irre führen. Denn wirkt der Regenwald zunächst endlos, so macht eine Kamerabewegung, durch die sich der Blick weitet, deutlich, dass nur ein schmaler Streifen grün ist, dahinter sich aber eine schier endlos weite gerodete, ockerfarbene Ackerfläche ausdehnt.

An dieser Grenze zwischen Urwald und Ackerland und damit zwischen Jägern und Ackerbauern, zwischen indigener Bevölkerung und „zivilisierten“ Großgrundbesitzern spielt Marco Bechis Birdwatchers. Wenn hier eine Gruppe von Indios das ihnen zugewiesene Gebiet verlässt und sich auf dem Land der Ahnen niederlässt, das freilich längst von einem Großgrundbesitzer bewirtschaftet wird, ist ein Culture-Clash vorprogrammiert. Nie lässt Bechis Zweifel daran aufkommen, auf welcher Seite er steht, auf Polemik verzichtet er dennoch, bietet kein emotionalisierendes Identifikationskino, sondern bleibt distanzierter Beobachter und zeigt vorurteilsfrei beide Positionen. Die Gegensätze werden dabei weniger über Dialoge herausgearbeitet, als vielmehr über großartige Breitwandbilder, eine ausdrucksstarke Farbdramaturgie und ein Sounddesign, das mit Naturlauten ebenso arbeitet wie mit barocker Musik und Popsongs, sowie über die Figuren, von denen die Weißen von professionellen Schauspielern, die Guarani von Laien aus dem Reservat gespielt werden. Ein friedliches Nebeneinander und Miteinander von beiden Kulturen scheint unmöglich, zu groß sind die Verschiedenheiten. Und welche Gruppe dabei schließlich auf der Strecke bleiben wird, ist von vornherein klar.