Vom Schrecklichen ins Lächerliche ist es oft nur ein kleiner Schritt.

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Gleich zu Beginn bekommen es die Zuschauer mit dem ultimativen Gebär-Horror zu tun: Die vor Schmerzen schreiende Schwangere scheint es schier zu zerreißen, scheußliches medizinisches Werkzeug, Ganzkörper-verhülltes Personal und schließlich eine blutige Sauerei signalisieren den ungünstigen Verlauf der Geburt: Und schon hat Kate Coleman (Vera Farmiga) ihr Baby verloren. Das macht sie verletzlich und bereitet ihr Alpträume, und auch auf Sex hat sie, sehr zum Bedauern ihres Mannes John (Peter Sarsgaard), schon seit längerem keine Lust mehr. Sowieso findet John, dass es an der Zeit wäre, ein neues Kapitel aufzuschlagen, und er schlägt daher eine Adoption vor. So kommt Esther in die Familie, der außerdem ein taubstummes Mädchen und ein heranwachsender Junge angehören. Esther, ein neunjähriges Waisenkind aus Russland, hübsch, ernst, konzentriert, mit künstlerischem Talent und altmodischem Geschmack. Und – natürlich, denn schließlich will Jaume Collet-Serra mit Orphan einen Horrorfilm gedreht haben – einem schrecklichen Geheimnis.

Selbiges wird hier freilich nicht verraten, damit auch Sie im
Kino was zu lachen haben, wenn der Drehbuchautor gegen Ende die dramaturgische Zuspitzung der Ereignisse mal wieder mit einer Hasenjagd verwechselt und die Geschichte atemberaubend akrobatische Haken schlagen lässt. Dieser abschließende Absturz ins Lächerliche ist insofern nicht verwunderlich, als Collet-Serra bereits 2005 mit seinem House of Wax-Remake kein sonderliches Talent bewiesen hat. Bedauerlich ist der Absturz trotzdem; und zwar nicht nur, weil sich mit Vera Farmiga und Peter Sarsgaard zwei ernst zu nehmende Schauspieler für etwas engagieren, was sich als nicht ernst zu nehmender Humbug erweist. Bedauerlich ist er vor allem, weil in Orphan einige Themen und Motive angerissen werden, die ein Familiendrama von ganz anderen, nicht minder horrenden Dimensionen anklingen lassen.

Vom ersten Moment an nämlich erweist sich Esther als Meis-terin der Manipulation, wechselt ihre Erscheinung zwischen Lolita, Unschuldslamm, Erpresserin und Gewalttäterin. Sie wirkt wie ein Katalysator, der die verdrängten Konflikte innerhalb der Familie zum Ausbruch bringt. Eifersucht, sexuelles Begehren, Traumata werden mit einem Male virulent. Doch das mit eiskalter Berechnung agierende böse Mädchen führt uns auf eine falsche Fährte, und statt des erhofften erwachsenen Psycho-Horrors folgen Kinderstreich und kalte Dusche.