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Bright Star

Bright Star

Ein Hauch von Ewigkeit

| Pamela Jahn |

Mit „Bright Star“ hat Jane Campion einen der schönsten Liebesfilme des Jahres geschaffen.

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Manchmal hat man im Kino das wunderbare Gefühl, die große Liebe zwischen zwei Menschen wirklich zu begleiten. Man lernt sie kennen, wenn sie sich zum ersten Mal begegnen, erlebt den ersten Kuss, geht mit den beiden ein Stück weit durch dick und dünn und trennt sich wieder, wenn die Zeit gekommen ist. Oder das Schicksal. Jane Campions Bright Star (Interview), in dem die wahre Geschichte des britischen Dichters John Keats (Ben Whishaw) und seiner Nachbarin Fanny Brawne (Abbie Cornish) erzählt wird, ist so eine rare Leinwandbegegnung in Freiheit und auf Augenhöhe: ein bestechend schlichter Liebesfilm, der sich behutsam einfühlt in seine Akteure, in den Strudel der unerfüllten Emotionen, ohne dabei kitschig oder abgeschmackt zu wirken, und der den Zuschauer auf eine so verblüffende poetische Art betört, dass er zugleich eine der aufregendsten Variationen dieses Genres darstellt, die man seit langem gesehen hat, ein Beleg für die Wirkkraft und Lebendigkeit, die sich immer wieder aus den erstarrtesten Formeln gewinnen lässt.

Dabei ist es zunächst einmal eine Liebe auf den zweiten Blick: Denn Fannys große Leidenschaft ist die Mode, und obwohl sich die kreative Seelenverwandtschaft der beiden recht bald herauskristallisiert, steht die selbstbewusste junge Dame dem Dichtertum am Anfang so verständnislos gegenüber wie Keats ihren selbst genähten Kleidern. Von den unüberwindbaren Klassenunterschieden, derer sich vor allem der mittellose Poet bitter bewusst ist, ganz zu schweigen. Dennoch knüpfen die beiden allmählich zarte Bande, und als Fanny mit ihrer Mutter (Kerry Fox) und ihren zwei jüngeren Geschwistern in den Seitenflügel eben jenes Hamsteader Herrenhauses einzieht, das Keats gemeinsam mit seinem argwöhnischen Freund und Dichter-Kollegen Charles Brown (Paul Schneider) bewohnt, entwickelt sich zwischen dem ungleichen Paar bald eine tiefe Intimität, die bei Campion zwar bis zum Schluss weitestgehend ohne körperliche Berührungen auskommt, ihren Ausdruck aber umso deutlicher in Keats’ leidenschaftlichen Versen und Liebesbriefen findet, die der Film nicht nur zu neuem Leben erweckt, sondern zugleich in eine formal avancierte, sinnliche Bildsprache überträgt.

Tatsächlich braucht Bright Star im Grunde fast nichts, was Filme dieser Art sonst nötig haben: keine Verzierung, keine intriganten Nebenfiguren, nicht mal Ablenkung durch dramatische Musik. Stattdessen macht Campion hier die Natur zu ihrer alleinigen Komplizin, spielt ihr oftmals sogar die eigentliche Hauptrolle zu, ohne dass dadurch aber Dissonanz aufkommen würde. Und es ist gerade diese Präzision und Ausgewogenheit einer Inszenierung, bei der sich Kalkül und Emotion stets miteinander in Einklang befinden, sowie die konsequente Fokussierung auf die von Abbie Cornish großartig gespielte Fanny, die diesem Film seine mitreißende Kraft geben. Denn Bright Star ist kein so romantischer Film, dass er verleugnen würde, dass Liebe, zu Beginn des 19. Jahrhunderts so wie heute, oftmals sehr viel mit Warten zu tun hat. Mit Getrenntsein. Und mit Einsamkeit. Ihre Sehnsucht überbrückt Fanny, indem sie neue Kleider entwirft, sich in Blumenmeeren verliert oder etwa, inspiriert durch einen Brief von Keats, ihr Zimmer mit Schmetterlingen füllt. Hier liegt über lichtdurchfluteten Bildern das Gefühl einer zauberhaften Betäubung. Und einen Moment lang scheint es sogar, als könne nichts und niemand ihrer Liebe etwas anhaben. Wenn dann allerdings einen Augenblick später die bunten Falter tot auf dem Boden liegen, verwandeln sie sich unweigerlich zu Vorboten jenes dunklen Schicksals, dass dieser wahren Geschichte zu Grunde liegt: Keats starb 1821 im Alter von 25 Jahren an Tuberkulose.

Überzeugend und stilsicher wie selten seit ihrem ersten großen Erfolg mit The Piano (1993) hat Campion ihre Inszenierung im Griff, und wer sich daran stößt, dass hier die eine oder andere Sommerwiese zu viel ins Bild gerückt ist, übersieht einfach, mit welch traumwandlerischem Geschick sich Campion dieser schmerzvoll schönen Geschichte nähert, und wie sie Räume schafft, die die Figuren mit ihrem eigenen Rhythmus erfüllen, der immer auch ein Zeit- und Lebensgefühl ist. Es ist diesem Film sehr ernst – und doch ist er schwerelos, weil er das kurze Glück dieser faszinierenden Liebe festhalten möchte wie einen winzigen Fetzen Ewigkeit.