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Erster Weltkrieg im Film

Erster Weltkrieg

Bilder der Urkatastrophe – Die Aura des Todes

| Jörg Becker |
Anmerkungen zum Ersten Weltkrieg und seiner Darstellung im Film.

Zur „Erfindung des Dokumentarfilms“ kam es, schrieb Martin Loiperdinger 2001, durch die Filmpropaganda des Ersten Weltkriegs. Insbesondere ein Film vom grausamen Höhepunkt der Materialschlacht im Stellungskrieg, The Battle of the Somme, in den Tagen zwischen dem 25. Juni und 10. Juli 1916 von den Operateuren Geoffrey Malins und J. B. McDowell gedreht, wird heute als erster „großer“ Dokumentarfilm betrachtet. Auf die kuriose Frage „Wann wurde der Dokumentarfilm erfunden?“ lässt sich also hypothetisch antworten: am 10. August 1916, dem Datum jener Uraufführung. Dem chronologischen Verlauf der Schlacht entsprechend, organisierte die Dramaturgie auf Spielfilmlänge das Aufnahmematerial zu dieser Schlacht: „Vorbereitungen wie das Munitionfassen, den Anmarsch endloser Kolonnen zum Schlachtfeld, das Vorrücken durch Verbindungsgräben zu den vorderen Frontlinien am Morgen des 1. Juli 1916, dann das Verlassen des Schützengrabens zum Angriff, die sogenannte Over- the-top-Sequenz; schließlich das unmittelbar evidente Resultat der Schlacht: verwundete und tote Soldaten, Engländer wie Deutsche, sodann deutsche Gefangene und – zum Schluss – muntere englische Soldaten (die allerdings nicht nach, sondern vor der Schlacht aufgenommen worden waren).“ (Loiperdinger) An diesem Film, der kürzlich in das Weltregister des Kulturerbes aufgenommen wurde, kann man den Ursprung der Dramatisierung des Faktischen ausmachen, der für die Definition des Dokumentarischen immer wesentlich war; hinzu kommt, dass das Kriterium der Authentizität einen exemplarischen Untersuchungsgegenstand gewann. „The non-fiction film dramatizes fact instead of fiction“ (Richard M. Barsam: „Nonfiction Film. A Critical History“, London 1974). Und dass „Propaganda“ etwas Verwerfliches sei, haftete dem Wort erst eine Generation später nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland an; vordem bezeichnete es etwas, für das sich heute die Kommunikationswissenschaften zuständig fühlen: Propaganda – ob für Suppenwürfel, Filmpremieren oder Parlamentsparteien – meinte, gleich ob für die Ware oder das Vaterland, immer dasselbe: eine möglichst effektive Werbestrategie, eine evaluierbare Publicity.

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The Battle of the Somme schockiert sein Publikum mit sterbenden Soldaten; er zeigt zerfetzte Leichen, stellte Kriegsgefangene dar, denen die Angst ins Gesicht geschrieben steht und denen die physischen und psychischen Strapazen der Schlacht anzumerken sind.“ (Uli Jung/Wolfgang Mühl-Benninghaus, 2005). Die Organisation des Filmmaterials, die eine realistische Abfolge suggerierte, und der Einbau sogenannter Re-enactments, die den Zeitgenossen die Kriegshandlung realistisch und in gelungener Dramatik vermittelten, sollen dem Film vom Frontschauplatz in den Folgemonaten allein im Inland ein Publikum von an die 20 Millionen Zuschauern eingebracht haben. Bis zum Kriegsende suchte man vergeblich an einen derartigen Erfolg anzuknüpfen. Natürlich hinterlässt der Film den Eindruck, der gescheiterte Durchbruchsversuch, in Wahrheit ein militärisches Fiasko, sei ein britischer Sieg gewesen; das reichsdeutsche „Bild- und Filmamt“ (BuFA) antwortete auf diesen Film mit einem eigenen, Bei unseren Helden an der Somme (1916), der jene Schlacht als großen deutschen Triumph ausgab. Hier wird nicht gestorben, sondern konsequent vorwärtsmarschiert, in Bildern, die meistens als Nachinszenierungen in der Etappe aufgenommen worden waren.

Kriegsbilder, „kreativ“ gefälscht

„Die ‚Propaganda der Fakten‘, auch von der britischen Regierung zur offiziellen Linie erklärt, bewährte sich hier mit der ihr innewohnenden Zweischneidigkeit. Das Gezeigte ist in der Mehrzahl der Fälle ‚authentisch‘, die dokumentierten Szenen erscheinen daher glaubwürdig. The Battle of the Somme verwandelt propagandistisch geschickt ein militärisches Desaster in einen Erfolg. Aber der Film erreicht diese Wirkung unter weitgehendem Rückgriff auf ‚dokumentarisches‘ Material.“ (Rainer Rother, 1995) Anderen Filmen sah der Zuschauer die Inszenierung eher an und blieb zunehmend unbefriedigt; dieser Film jedoch markierte sich durch eine augenscheinliche Differenz als non-fiction, indem er etwas vom Schrecken des Krieges durchblicken zu lassen vermochte. „Der Unterschied zwischen non-fiction und fiction“, so die sehr plausible Idee Rothers, „ ist in der Wahrnehmung des Publikums vermutlich überhaupt erst während des Krieges deutlich geworden.“ Die im Zwischentitel angekündigten tödlichen Ereignisse in der Folge betreffen die sichtbar in die Kamera schauenden Landser, so dass die „Aura des Todes“ die (noch) Lebenden umgibt – genau genommen eine Wirkung, die sich ohnehin angesichts historischer Non-fiction-Aufnahmen einstellt, in denen man allesamt Toten in einem „lebenden Bild“ in die Augen schaut.

Der Film vom und über den Ersten Weltkrieg lieferte visuelle Beweise für eine Aussage, er stellte propagandistische Behauptungen auf – so etwa von der Moral der eigenen und Nieder-tracht der gegnerischer Truppen. Sämtliche Filmaufnahmen, die den Zeitgenossen als Belege dafür galten, erhielten den Status von Dokumenten. Dem modernen Bildaufnahme-Apparat bietet das Kriegsgeschehen nicht mehr unmittelbare „Ansichten“ („views“), wie man sie vom Pionierkino gewöhnt war und erwartete. Kaum klar Erkennbares zeigte sich dem Publikum in der Heimat aus dem Niemandsland der Front, zudem hatte die Branchenpresse bereits zu Kriegsbeginn eingeräumt, dass die gefilmten Kriegsszenen allesamt gestellte Aufnahmen seien, also „fakes“, die später gleichwohl als „creative treatment of actuality“ für den Filmtheoretiker John Grierson unter „documentary values“ rangieren – legitimes Re-enactment mithin, das zur Wirkung des Materials als authentischer Filmbericht beitrage. Bilder von Toten in Filmen vom Kriegsschauplatz allerdings galten als ungeeignet, weil sie der Anwerbung von Rekruten entgegenwirkten. Entsprechend inszenierte die deutsche „Messter-Woche“ (Oskar Messters Projektions-GmbH produzierte seit Oktober 1914 die deutsche Kriegswochenschau vom streng vaterländischen Standpunkt aus) gutgelaunte Landser etwa bei Übungen im Hinterland und zeigt Zerstörungen durch Feindeinwirkung allein an Bauwerken. Das war nicht nur unglaubwürdig, sondern auch unbefriedigend, und bot noch nicht einmal ein sensationelles Spektakel.

Unter dem Titel „Der Erste Weltkrieg im Film“ erschien vergangenen Oktober eine Publikation, die sich erstmals im deutschsprachigen Raum diesem Gegenstand interdisziplinär widmet und auf den Beiträgen zu einer Tagung basiert, die von der Deutschen Kinemathek im Berliner Filmhaus im November 2008 ausgerichtet wurde und Historiker wie Film- und Literaturwissenschafter versammelte. Jeanpaul Goergen hat sich in einer Fallstudie mit den Filmbildern und Nachbildern der Schlacht an der Somme 1916 einschließlich deren Verwendung in diversen, vorwiegend britischen TV-Dokumentationen zum Thema befasst. Der erste industrialisierte Massen- und Maschinenkrieg war auch der erste umfassende „Medienkrieg“ des 20. Jahrhunderts (so Gerhard Hirschfeld in seinem Text über das mediale und museale Ereignis Erster Weltkrieg zwischen 1914 und 1933). Nicht zuletzt ging der Filmkonzern Ufa im Dezember 1917 aus dem „Bild- und Filmamt“ der deutschen Obersten Heeresleitung hervor, die relativ spät versuchte, die Filmproduktion der Alliierten abzuwehren, die aufgrund der zentralistischen Organisationen die Nase vorn hatte und etwa seitens der Vereinigten Staaten nach deren Kriegseintritt mit dem Topos des „deutschen Hunnen“ oder „Barbaren“ stereotype Feindbilder kreierte. In Werbefilmen für Kriegsanleihen traten „Prominente“ auf, doch die immergleichen Inszenierungen unter Ausschluss eigener Opfer ermüdeten zunehmend die heimischen Betrachter. Die Erkenntnis der kontrollierten Filmberichterstattung aus der ersten Hälfte des Weltkriegs könnte lauten, dass Propaganda zugunsten einer unterstützenden Grundstimmung in der Bevölkerung (ging es doch um Arbeitsleistungen und finanzielle Beiträge zum Krieg, der Millionen Zivilisten „in Mitleidenschaft“ zog) nur um den Preis eines Mindestmaßes an realistischer Darstellung des Frontgeschehens wirksam werden konnte. Das Muster eines mystischen „Kriegserlebnisses“, an dem ein Soldat „nationaler Größe“ teilhaftig wird, wurde aus dem wilhelminischen Alltag auf die Front projiziert und „zur kollektiven Erfahrung der Frontsoldaten stilisiert“ (Hirschfeld).

Ein Jahrzehnt nach der Kapitulation und dem Versailler Vertrag, der in Deutschland schon zuzeiten der ersten, der Weimarer Republik – für deren Gegner seitens der nationalen Rechten er immer ein zu tilgender „Schandfrieden“ blieb – als ideologische Reaktion den Weg in den Zweiten Weltkrieg ebnete, hielt der Weltkrieg als Thema im Spielfilm Einzug. Mit einem zeitlichen Abstand also, der mit dem Kriegstrauma sowie einer klaffenden Diskrepanz zwischen der Erfahrungswelt der Soldaten, die sich der Mitteilung verweigerte, und jener der Heimat zusammenhing, deren Wunsch nach „emotionaler Stimulierung“ ernüchtert worden war. Vorherrschend sind das „männliche“ Kriegserlebnis an der Front und das Motiv der „Kameradschaft“ innerhalb der militärischen Einheit. Der aufwendige „Frontspielfilm“ nach Erich Maria Remarques Bestseller „Im Westen nichts Neues“ von 1929 (1930 von Lewis Milestone als All Quiet on the Western Front verfilmt) hatte den wohl größten Eindruck hinterlassen; am Tag nach der Berliner Premiere im Dezember 1930 organisieren die Nazis unter Leitung von Joseph Goebbels massive Proteste und lassen mit weißen Mäusen und Stinkbomben die Aufführung platzen. Das Verbot des Films durch die Oberprüfstelle Tage später kann als vorgezogener kulturpolitischer und symbolkräftiger Sieg des Nazis gewertet werden, die als einzige die Ehre der deutschen Frontkämpfer zu verteidigen vorgaben.

Neben einer wiedererkennbaren Ikonografie von Ereignissen des Stellungskriegs spielt die Einführung der Tonspur für eine größere Authentizität und Wahrhaftigkeit der Inszenierung eine wesentliche Rolle, vor allem auch in einem weiteren pazifistischen Hauptwerk, G.W. Pabsts Westfront 1918 (1930) (dazu: Corinna Müller, Akustik des Krieges). Philipp Stiasny untersucht, welche „Signatur“ der Krieg in seiner scheinbaren Normalität in Stummfilmen hinterlassen hat, die nicht explizit Frontfilme waren, sondern sich mit dem Leben in der Etappe, in Kriegsgefangenschaft, auch mit dem Zivilleben in der Heimat, speziell dem Arbeitseinsatz von Frauen beschäftigten, die vormalige Männerberufe einzunehmen hatten. Das ist zum Teil ein komisches Kapitel, liefert Stoff für frivole Situationen. Es sind aber auch Geschichten von Kriegsheimkehrern (z.B. Leopold Jessners Hintertreppe, 1921, oder Joe Mays Heimkehr, 1928), die sich an mythische Gestalten (Odysseus) oder literarische Vorlagen (Oberst Chabert bei Honoré de Balzac) anlehnen. Stiasny weist darüber hinaus auf das Weimarer Kino als „Kino der Neurosen“, ein „Shell Shock Cinema“, in dem der Krieg im Nachkrieg fortdauere. In seinem gleichnamigen Buch hat Anton Kaes Robert Wienes Film Das Cabinet des Dr. Caligari (1920) unter diesem Aspekt ausgedeutet.

Noch im letzten Kriegsjahr entsteht ein Fliegerfilm, der 1919 unter dem Titel Ikarus (Regie: Carl Froelich) erscheint und ein Merkmal vieler späterer Kriegsfilme aufweist: Die Verwendung dokumentarischer Aufnahmen vom „theatre of war“ im Rahmen einer fiktionalen Handlung. Deren Wiederverwendung wurde, so Stiasny, im Verlauf der 1920er Jahre zu einer eigenen filmästhetischen Praxis. Das Filmmaterial wurde geschichtspolitisch vereinnahmt und in den Dienst einer umkämpften Erinnerung an den Weltkrieg genommen. Ein Hauptmerkmal jener Filme, die Archiv-Footage einsetzen, ist ein festes „visuelles Repertoire des Weltkriegs“, meist erschien es teurer, bestimmte Kampfsituationen nachzudrehen, also suchte man sie im behördlich verwalteten Bildmaterial; ein weiteres Merkmal ist der Anspruch der Filme, aufgrund dieses historischen Materials ein „Zeitdokument“ abzugeben. Amerikanische Weltkriegsfilme, die seit Mitte der 1920er Jahre in die deutschen Kinos kamen – prominentes Beispiel: King Vidors The Big Parade (1925) – bieten ein ungleich höheres Maß an Schauwerten, Komparserie und Glamour, enthalten meist melodramatische Handlungslinien und verzichten komplett auf historische Aufnahmen. Das gesamte Frontgebiet wird vor Ort in Hollywood nachgestellt.

Das Verbot der deutschen Fassung von Im Westen nichts Neues (1930) bestätigte in der deutschen Öffentlichkeit, dass die NS-Sicht auf den Ersten Weltkrieg bereits Jahre vor Machtantritt der NSDAP die „Meinungsführerschaft“ gewonnen hatte (Rainer Rother im Essay „Weltkriegserfahrung“). Die historische Kontinuität des Weltkriegs, welche die Nazis höchst erfolgreich konstruierten, wurde ein Leitmotiv der faschistischen Propaganda: Die beschworene „Volksgemeinschaft“ rekurrierte nachdrücklich auf die Mythisierung des Schützengrabenerlebnisses und schuf so die Ideologie einer arischen Schicksalsgemeinschaft aus dem Geist der Frontgeneration. Karl Prümm hat in seinem Essay „Pionier einer neuen Zeit“ diese bereits Jahre vor 1933 stattfindende Mythologisierung des Frontsoldatentypus, die die Nazis nahtlos in ihre „Bildpolitik“ übernehmen konnten, an literarischen und filmischen Beispielen vorgestellt.

Nur auf der Basis jener längst eingeführten Ikonografie konnten sich die Nazis als Erbebewahrer aufspielen und zum Kampf gegen den ewigen „jüdisch-bolschewistischen Dolchstoß“ aus dem Hinterland, das man für „Verrat“, „Verwahrlosung“ und „Chaos“ verantwortlich machte (Hans Steinhoffs Hitlerjunge Quex, 1933), mobilisieren. Geschichte wurde auf haarsträubende Weise umgeschrieben, eine neu definierte nationale Identität fußte auf dem Soldatentum und schwor jedes Gesellschaftsbild in eine „Kameradschaft“ zusammen. Der Weltkrieg wurde zu etwas Verbindendem und Verpflichtendem, und als Hitler am 2. Februar 1933 die Berliner Premiere des U-Bootfahrer-Films Morgenrot (1933, Regie: Gustav Ucicky) besuchte, kam dieser Weltkriegsdarstellung höchste symbolische Bedeutung zu, deren Appell an die Opferbereitschaft für eine Idee, die wichtiger als das eigene Leben erscheint („Wir Deutschen verstehen vielleicht nicht zu leben, aber zu sterben verstehen wir fabelhaft.“), aufs faschistische Erziehungsideal hindeutete. Vorrangiges Anliegen der Machthaber nach 1933 war die „Sinnstiftung“ des Krieges, eine „sittliche Rechtfertigung“ des Aushaltens und Erduldens der schlimmsten Qualen. Dass der Sinn im Opfer besteht, bildet den Grundton aller NS-Weltkriegsfilme, das sei die Lehre für die Jugend, mithin die Perspektive auf Folgendes. Der Film Stoßtrupp 1917 (1934) des überzeugten Nazis Hans Zöberlein war ein offenkundiger Angriff gegen den pazifistischen Westfront 1918 und feiert gerade jenen Opferglauben. Die Vorkriegsfilme eines weiteren NS-Regisseurs, Karl Ritter, etwa Urlaub auf Ehrenwort und Pour le mérite (beide 1938) sind beide vom ideologischen Ehrgeiz durchdrungen, sich von den „Schrecken der Systemzeit“ zwischen 1918 und 1933 zu läutern über „neue Wehrgesinnung“, die die Brücke vom Frontsoldaten zur Wehrmacht schlagen sollte.

Nachdem es in den USA während des Krieges eine Menge an filmischer Mobilmachung („reel patriotism“) gegeben hatte, folgten nunmehr spektakuläre Fliegerfilme und ein paar bedeutende entheroisierende Werke über das Fronterlebnis jener „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. In seiner Betrachtung über den Ersten Weltkrieg im amerikanischen Film hat sich Horst Tonn vor allem auf Stanley Kubricks Paths of Glory (1957) und Dalton Trumbos Johnny Got His Gun (1971) konzentriert, an denen sich antimilitaristische Positionen reflektieren ließen, woran am Beispiel des alliierten Einsatzes gegen Hitlers Okkupationsarmee selbstverständlich nicht zu denken war. Beiden Filmen, ob am Film noir oder am literarischen Drama orientiert, geht es um zentrale Paradigmen des modernen Krieges, die Zerstörungsmaschinerie, das hierarchische System und seine eigene verhängnisvolle Logik.

Eine teils amüsante, teils Empörung provozierende Nebenlinie des Themas bildet die Untersuchung der Darstellung des Ersten Weltkriegs in TV-Serien und -Dokumentationen, welche höchst wirkmächtig die Haltung eines Millionenpublikums gegenüber der Vergangenheit beeinflussen und formen. Der Oxford- und Stanford-Historiker Jerome Kuehl, der erstmalig für die BBC-Serie „The Great War“ (1964) visuelles Material recherchiert hat, berichtet über kuriose Gepflogenheiten im Umgang mit den zu Illustrationszwecken degradierten Bildern. Man erging sich hier zwar nicht in grundlegender Kritik am History Channel bzw. dem Guido-Knopp-Imperium, aber dennoch wird deutlich, dass Fernsehmacher von Geschichtssendungen mit ihrem eigentlichen Material, dem Filmbild, ähnlich skrupellosen Umgang pflegen wie Woody Allen es in einem seiner Filme über die allwöchentlich verkochten Hühnchen seiner Mutter konstatierte – sie müsse mit den Hühnchen in der Küche etwa so verfahren sein wie Hitler mit Polen.