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Giulias Verschwinden

Filmkritik

Giulias Verschwinden

| Alexandra Seitz |

Ein Haufen Figuren tauscht Banalitäten übers Altern aus.

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Giulia wird fünfzig. Kein Grund zum Feiern, findet sie. Trotzdem macht sie sich auf den Weg ins Restaurant, zum gemeinsamen festlichen Essen mit Freunden. Die ältere Dame neben ihr im Bus meint, in ihrem Alter werde man allmählich unsichtbar, und bezieht, zu deren Schrecken, Giulia in den Satz mit ein. Die Dame steigt aus, um im Altenheim eine Freundin zu besuchen, die geistig jünger wirkt als die Tochter, die sie dorthin abgeschoben hat. Giulia steigt aus, weil sie ins Grübeln gerät. Sie geht in einen Brillenladen und begegnet einem charmanten Fremden, der den schönen Satz sagt: „Es gibt keinen Anlass, bei dem eine Frau wie Sie nicht zu spät kommen dürfte.“ Wer kann dazu schon nein sagen, noch dazu an einem Tag wie diesem? Also geht man gemeinsam in eine Bar. Währenddessen kämpfen Giulias Freunde mit verlegten Gegenständen, Muskelkrämpfen beim Sex, gewohnheitsmäßigen Beziehungssticheleien. Sie treffen im Restaurant ein, sie warten, sie plaudern. Der Gedanke, dass auch sie unaufhaltsam altern und eines Tages sterben werden, schleicht sich in ihre Gehirne und in ihre Konversation ein wie ein unerwünschter, aufdringlicher Gast.

Körperlich und geistig kontinuierlich abbauen, um dann eines Tages tot umzufallen – keinem Menschen bleibt es erspart und die wenigsten finden es toll. Angesichts der unausweichlichen Katastrophen-Trias von Lesebrille, Pulswärmer und Gehstock versucht Regisseur Christoph Schaub, sein Publikum auf humorvolle Gelassenheit einzuschwören. In Wahrheit aber stiehlt er ihm mit seinem bis zur Löchrigkeit episodischen Ensemble-Film Giulias Verschwinden die Zeit. Angesichts dieses betulichen und kreuzbiederen Unterfangens, dessen Drehbuch der Schweizer Schriftsteller Martin Suter zu verantworten hat, altert man nämlich gleich um mehrere Jahre. Unwiederbringlich verlorene Zeit, die sich mit torschlusspanischen Exzessen besser zubringen lässt. Nur so ein Vorschlag.

Die Schauspieler jedoch sind an der Frühvergreisung, die Giulias Verschwinden auslöst, gänzlich unschuldig. Allesamt versuchen entschlossen, ihre Figuren aus der zugedachten Funktion des Plattitüden-Sprachrohrs zu befreien, und gestalten nuancierte Charaktere. An der Qualität der Dialoge ändert das freilich nichts. Ebenso wenig wie der überkandidelte visuelle Stil mit seinen Spiegelungen, Rahmungen, Fahrten und Tänzen über die Banalität dessen, was gezeigt wird, hinwegtäuschen kann.